Verschwörungsformel: neue Aktion #allesaufdentisch

Erst hieß es #allesdichtmachen, jetzt heißt es #allesaufdentisch: Angeführt von den Schauspielern Miriam Stein, Volker Bruch, Maxim Mehmet und der Regisseurin Jeana Paraschiva hat eine Gruppe von Künstlern, die sich selbst als „losen Zusammenschluss von Menschen, denen die politische und gesellschaftliche Zukunft unseres Landes und der Welt am Herzen liegt“, vorstellt, 55 Videos ins Netz geladen. Diese sollen leisten, was es nach Ansicht der Aktivisten angeblich anderswo nicht gibt: einen herrschaftsfreien Diskurs über die Corona-Pandemie.

Michael Hanfeld

verantwortlicher Redakteur für Feuilleton Online und „Medien“.

Joachim Müller-Jung

Redakteur im Feuilleton, zuständig für das Ressort „Natur und Wissenschaft“.

„Mit zunehmender Sorge“, heißt es, beobachte man „die Entwicklung des politischen Handelns in der Corona-Krise“. Viele Experten würden „in der öffentlichen Corona-Debatte nicht gehört“, man wünsche sich „einen breit­gefächerten, fakten­basierten, offenen und sachlichen Diskurs“. Gefordert wird ein regelmäßig stattfindender „Runder Tisch“, an dem Wissenschaftler „interdisziplinär und evidenzbasiert diskutieren und anschließend die Politik beraten“. Wichtig sei, dass auch solche „gehört werden, die nicht in institutioneller staatlicher Abhängigkeit stehen“.

Solche sollen nun offenbar zu Wort kommen, wenngleich man nicht behaupten kann, von den Gesprächspartnern noch nichts gehört oder gelesen zu haben. In den ersten drei der 55 Videos treten zum Beispiel der Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen von der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Anwalt Joachim Steinhöfel und der Journalist Milosz Matuschek vor. Meyen legt im Gespräch mit Volker Bruch dar, dass „Faktenchecker“ eigentlich keine Faktenchecker, sondern Interessenvertreter seien (zum Beispiel von George Soros oder dem ebay-Gründer Pierre Omidyar). Steinhöfel erklärt im Dialog mit Wotan Wilke Möhring, was Meinungsfreiheit ist, legt den Unterschied zwischen dem unbestimmten Begriff „Hassrede“ und gesetzlich kodierten Straftatbeständen dar und spricht von der Machtfülle der Social-Media-Konzerne. Matuschek, dem die Schauspielerin Isabelle Barth nach allen Regeln der suggestiven Fragekunst die Bühne bereitet, lässt sich dahingehend aus, dass weder öffentlich-rechtlichen noch privaten Medien zu trauen sei, weil die Journalisten des „Mainstreams“ ja alle auf die eine oder andere Art abhängig seien. Das Ergebnis sei ein „fabrizierter Konsens“, frei nach dem Linguisten Noam Chomsky.

Fehlt was im Meinungsspektrum?

Man kann kaum behaupten, dass in den vergangenen Monaten nicht ohnehin schon das gesamte Spektrum von Meinungen in den Medien wahrnehmbar gewesen wäre, #allesdichtmachen ist dafür nur eines von vielen Beispielen. Es reicht den Initiatoren nun aber offenbar nicht mehr, einfach nur eine Meinung unter vielen kundzutun. Ihre Intention ist die grundsätzliche Erschütterung des öffentlichen Vertrauens in wissenschaftliche Kompetenzen.

Zu diesem Zweck haben sie sich auch ihre eigene wissenschaftlichen Experten ins Boot geholt, deren Rolle ist, sich dem angeblich von staatlicher Seite korrumpierten Mainstream zu widersetzen. Aus wissenschaftlicher Perspektive ist dem grundsätzlich zunächst gar nichts entgegen zu setzen, Wissenschaft ist ihrem Wesen nach stets an kritischen Nachfragen und ungewöhnlichen Perspektiven interessiert.

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*