Corona-Pandemie in Österreich: Impfpflicht – aber wie?

Um für die geplante Impfpflicht möglichst viel Akzeptanz zu gewinnen, versucht die österreichische Regierung eine Art Koalition der konstruktiven Kräfte zusammenzubringen. Am Montag berieten sich Minister der Regierung aus christdemokratischer ÖVP und Grünen an einem „runden Tisch“ mit Fachleuten, aber auch den Spitzen von zwei der drei Oppositionsparteien. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne), aber auch die Vorsitzenden der SPÖ und der liberalen Neos sprachen anschließend von einer „guten“, „konstruktiven“, „intensiven“ Diskussion.

Nicht mit dabei war der FPÖ-Vorsitzende Herbert Kickl. Weder er noch andere Politiker seiner rechten Partei waren eingeladen worden. Gesundheitsminister Mückstein begründete das mit dem „äußerst destruktiven Zugang“ dieser Partei zum Thema Impfen. Edtstadler gestand ein: „Natürlich ist das nicht alles optimal gelaufen in der Vergangenheit.“ Sie appellierte an diejenigen zum Umdenken, die eine Impfpflicht skeptisch sähen. Sie gab zu verstehen, nicht jeder gehöre zu den Rechtsextremen und Holocaust-Verharmlosern, nur weil er mit solchen an einer Demonstration teilgenommen habe. Wenn sich jemand „in ein Eck gestellt fühlt“, dann sei das nicht beabsichtigt gewesen. „Der Feind ist nicht der Ungeimpfte, sondern das Virus.“

Wie die Impfpflicht gesetzlich verankert werden soll, dazu kursiert jetzt ein Entwurf. Zwar hat sich die Regierung von dem Papier, das zuerst von der Wiener Zeitung Presse zitiert worden ist, vorsichtig distanziert: Es gebe noch keine Festlegungen, Einzelheiten seien noch offen, sagten die beiden Minister, die sich im Anschluss an den „runden Tisch“ äußerten. Doch wurde die Authentizität auch nicht bestritten, sodass der Rohentwurf die Struktur des beabsichtigten Gesetzes durchaus wiedergeben dürfte.

3600 Euro Strafe – bei Wiederholung 7200 Euro

Demnach heißt es dort: „Aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit sind Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, verpflichtet, sich bis zum Ablauf des (Datum offen; Red.) 2022 einer Schutzimpfung gegen Covid-19 zu unterziehen.“ Auch medizinisch notwendige Folgeimpfungen sind verbindlich. Bei Verstößen drohen empfindliche Verwaltungsstrafen. Allerdings heißt es auch: „Die Schutzimpfung . . . ist nicht mit Zwang durchzusetzen.“

Die Höhe der Geldbuße, das Alter, von dem an die Pflicht gilt, und ähnliche Fragen sind offenbar noch in der Diskussion. In dem zitierten Arbeitspapier ist eine Geldstrafe von bis zu 3600 Euro vorgesehen, im mehrfachen Wiederholungsfall bis zu 7200 Euro. Ersatzweise würden Freiheitsstrafen von bis zu sechs Wochen verhängt. Edtstadler erwähnte als eine Option die Möglichkeit, eine bereits verhängte Geldstrafe dann durch eine Impfung noch abzuwehren. Die SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner forderte eine soziale Staffelung der Bußen.

Wichtig ist, dass nach den Plänen wohl die Daten aus der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) mit denen aus dem zentralen Impfregister verbunden und entsprechend durch die Gesundheitsbehörden genutzt werden. Bislang ist die 2014 eingeführte ELGA ausdrücklich vor einer Einsichtnahme durch Behörden geschützt. Ähnlich wie in Deutschland sind in den vergangenen anderthalb Jahren zur Bekämpfung der Pandemie zwar fundamentale Grund- und Freiheitsrechte eingeschränkt worden, kaum aber das Prinzip des Datenschutzes.

Wieder im Einklang: Gesundheitsminister Mückstein (Grüne) und Verfassungsministerin Edtstadler (ÖVP)

Wieder im Einklang: Gesundheitsminister Mückstein (Grüne) und Verfassungsministerin Edtstadler (ÖVP) : Bild: dpa

Öffentliche Begutachtung geplant

Die Androhung von Verwaltungsstrafen bedeutet, Impfverweigerung wird kein strafrechtliches Delikt. Die Buße kann von einer Behörde verhängt werden, es gibt kein Gerichtsverfahren und auch keine Vorstrafe. Natürlich gibt es aber einen Rechtsweg, so wie bei Verkehrsbußen auch.

Die Impfpflicht soll sich auch auf Minderjährige erstrecken. Hier sind dann Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigte in der Pflicht, dafür zu sorgen. Die Altersgrenze ist noch offen. Sie kann wohl kaum unter den von der Europäischen Arzneimittelbehörde für die jeweiligen Impfstoffe gezogenen Grenzen liegen. Edtstadler erwähnte vorschlagsweise das Alter von 14, bei dem auch die Strafmündigkeit eintritt. Wer aus medizinischen Gründen für eine Impfung nicht infrage kommt, würde demnach ein Attest eines Amtsarztes oder des medizinischen Dienstes der Sozialversicherung einholen müssen.

Edtstadler und Mückstein bekräftigten, das Gesetz solle zum 1. Februar 2022 in Kraft treten. Der Gesundheitsminister versicherte, es solle eine ausreichende Frist von vier Wochen zur öffentlichen Begutachtung geben, wie sie im Normalfall in Österreich nach Einbringung ins Parlament üblich ist. Laut Arbeitsentwurf soll die Gültigkeit auf drei Jahre befristet werden.

Die Koalitionspartner zeigten sich bei dieser Gelegenheit geschlossen wie lange nicht mehr. Seit dem durch die Grünen erzwungenen Rücktritt von Sebastian Kurz (ÖVP) als Bundeskanzler war die Stimmung zwischen „Türkis“ und „Grün“ angespannt. Jetzt gaben sich hingegen nicht nur Edtstadler und Mückstein einig, auch die Führer der beiden Koalitionsfraktionen gaben eine gemeinsame Erklärung heraus.

Auffällig ist die Zurückhaltung von Bundeskanzler Alexander Schallenberg: Kurz hätte sich diese Gelegenheit zum Auftritt kaum entgehen lassen. Die außen vor gelassene FPÖ forderte unterdessen eine Vorabprüfung durch den Verfassungsgerichtshof und drohte mit einem Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

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