„Abbau von Maßnahmen wäre fatal“ – Widerstand gegen laxere Regeln für Kinder

Die Forderung mehrerer Wissenschaftler und Mediziner, zur Normalisierung des Schulalltags in Klassenzimmern sowie Kitas auf anlasslose Corona-Reihentests zu verzichten und Kontaktpersonen nicht mehr in Quarantäne zu schicken, stößt im Bundestag auf wenig Gegenliebe. Mit Ausnahme der AfD sprechen sich sämtliche Fraktionen gegen laxere Regeln für Kinder und Jugendliche aus.

In einem offenen Brief hatten der langjährige Chefvirologe der Berliner Charité, Detlev Krüger, der Epidemiologe Klaus Stöhr und sechs Ärzte eine massive Lockerung von Quarantäne- und Testregelungen für Schüler verlangt:

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Offener Brief

„Wir brauchen Schulunterricht ohne Beschränkungen, ohne Quarantäne und anlasslose Reihentestungen für gesunde Kinder“, heißt es darin. Weil Kinder selten schwer an Covid-19 erkrankten, sei schnellstmöglich ein Übergang zum normalen Schulalltag geboten.

Außerdem sollten Kinder und Jugendliche auch ungeimpft genauso am öffentlichen Leben teilnehmen dürfen wie geimpfte oder genesene Erwachsene. Die Maskenpflicht, so eine weitere Forderung, müsse mit dem Abflauen der Omikron-Welle enden.

Bundestagsfraktionen gegen Vorstoß

Ein verkürzter Quarantänezeitraum auf fünf Tage, wie er beim jüngsten Bund-Länder-Gipfel für Schüler und Kindergarten-Kinder beschlossen wurde, sei noch zu rechtfertigen, weil dadurch der Schulbetrieb trotz Omikron aufrechterhalten werden könne, hieß es in den Ampel-Parteien. „Ein Abbau von Tests und Schutzmaßnahmen wäre aber fatal“, sagte die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Ria Schröder, WELT. Das bringe Kinder und ihre Familien in Gefahr, insbesondere solche mit Vorerkrankungen.

Auch die grüne Bildungsexpertin Nina Stahr hält Luftfilter, tägliche Tests und Masken für „essenziell“: „Sie sind ein vergleichsweise kleiner Eingriff und können gleichzeitig einen sicheren Schulalltag gewährleisten.“ Die SPD setzt ebenfalls auf Tests und Masken gegen flächendeckende Schulschließungen. „Und auch reduzierte Quarantäne-Zeiträume helfen dabei“, sagt der bildungspolitische Sprecher Oliver Kaczmarek.

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Thomas Jarzombek, Bildungsexperte der CDU/CSU-Fraktion, sieht ebenfalls keine Alternative zu engmaschigen Tests. Neben den Schülern müssten auch die Lehrkräfte geschützt werden. „Sollte es bei Lehrern und Hortbetreuern zu großen Ausfällen kommen, ließe sich der Schulbetrieb nicht mehr aufrechterhalten und es käme zu faktischen Schulschließungen.“

Für die Linkspartei führt ebenfalls an Reihentestungen kein Weg vorbei: „Auch Kinder sind immer wieder von Long Covid betroffen und müssen besonders geschützt werden“, sagte die Fraktions-Vize Susanne Ferschl. Laut Robert-Koch-Institut sind in der Pandemie 41 Personen unter 19 Jahren an Corona gestorben, 29 von ihnen hatten Vorerkrankungen.

Verbände sehen massive Verletzung von Kinderrechten

Besonders die Jüngsten leiden unter den Bedingungen der letzten zwei Jahre. Deshalb fordern Ärzte und Verbände die Rückkehr zur Normalität für Kinder. Bildungsgewerkschaft und Lehrerverband halten dagegen.

Quelle: WELT/ Merle Giesel

Nicole Höchst, bildungspolitische Sprecherin der AfD, verweist hingegen auf die hohe Zahl von Suizidversuchen unter sehr jungen Menschen. „Schulschließungen, Drängen auf Impfungen, tägliche Tests und Maskenzwang für Gesunde selbst im Sportunterricht schaffen eine Generation von schulisch abgehängten, angsttraumatisierten, menschlich verkümmerten, sportlich wenig leistungsfähigen Menschen mit kaputtem Immunsystem.“

Gewerkschaftsvertreter wiederum warnen dringlich vor einem Rückbau der Maßnahmen. „Wir brauchen nicht jeden Tag eine neue Verunsicherung von Eltern, Lehrkräften und Schülern durch eine neue Meinung“, sagte der Bundesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, mit Blick auf den offenen Brief.

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Nötig seien jetzt endlich bundesweit einheitliche Standards. Vom Corona-Expertenrat, der die Bundesregierung berät, wünscht sich Beckmann daher dringend eine besondere Beurteilung des Infektionsgeschehens unter Kindern und Jugendlichen – sowie eine Bewertung, welche Maßnahmen sinnvoll sind.

Anja Bensinger-Stolze von der Bildungsgewerkschaft GEW kann den Wunsch vieler Eltern nach Normalität für ihre Kinder zwar nachvollziehen. Aber Sicherheit gehe vor. „Quarantäneregelungen aufzuweichen, Testungen in Schulen nicht mehr durchzuführen oder die Maskenpflicht jetzt fallen zu lassen, halte ich für den absolut falschen Weg“, sagte sie.

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Quelle: WELT

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