Drohung mit Atomwaffen: Putins nukleares Hochrisikospiel

Nicht nur in den Vereinigten Staaten hat eine Debatte darüber begonnen, ob Putin noch zurechnungsfähig ist. Eine These besagt, dass die selbst gewählte Abschirmung, in die er sich in der Pandemie begab, den russischen Präsidenten noch rücksichtsloser, gekränkter und misstrauischer gemacht habe, als das bisher schon der Fall war.

Am Ende ist das Kaffeesatzleserei, weil niemand im Westen Putins Psychologe ist. Dass sich Politiker mit ihren Kriegen verkalkulieren, das kennt man aber auch aus anderen Ländern.

Das Ziel lautet Abschreckung

Die nuklearen Drohungen, die Putin mit der Erhöhung der Alarmbereitschaft ausstößt, müssen ebenfalls kein Ausweis von mangelnder Rationalität sein. Atommächte haben ihren Gegnern immer wieder mit Nuklearschlägen gedroht. Man denke nur an die Auseinandersetzung zwischen Trump und Kim Jong-un vor ein paar Jahren.

Damit soll in aller Regel Abschreckung erreicht werden. Im Fall Putins richtet sich die Botschaft an die NATO. Das lässt sich nicht nur an seinen Äußerungen ablesen (sofern man denen noch Glauben schenken kann), sondern auch daran, dass die Alarmierung die sogenannte Triade betrifft, also die Boden-, Luft- und Seestreitkräfte. Zur Einschüchterung der Ukraine wäre das nicht nötig.

Putin dürfte es vor allem um eine Drohgebärde an die Vereinigten Staaten gehen. Sie lautet: Haltet euch raus, sonst eskaliere ich. Das wird in erster Linie militärisch gemeint sein, aber offenbar reagiert er auch auf die westlichen Sanktionen.

Gefahr von Missverständnissen

Unter den aktuellen Umständen ist das eine höchst fahrlässige Verschärfung der Lage. Es macht einen begrenzten regionalen Krieg, an dem die NATO nicht beteiligt ist, zu einer potentiellen Konfrontation zwischen den beiden nuklearen Supermächten.

Eine höhere Alarmstufe vergrößert unnötig die Gefahr von Missverständnissen oder versehentlichen Abschüssen. Putin macht den konventionellen Überfall auf die Ukraine, der schlimm genug ist, nun auch noch zu einem nuklearen Hochrisikospiel.

Es ist gut, dass die amerikanische Regierung da nicht sofort nachgezogen hat. Wenigstens eine Seite sollte mäßigend auftreten, so wie der Westen sich ja auch an den Kämpfen in der Ukraine nicht mit Soldaten beteiligt.

Grundsätzlich ist man in Amerika und Europa gut beraten, auf die eigene nukleare Abschreckung zu vertrauen. Die „gegenseitig zugesicherte Zerstörung“ aus dem Kalten Krieg gilt weiterhin. Putin muss mit einem verheerenden Gegenschlag auf Russland rechnen, sollte er ernsthaft vorhaben, die USA oder ein anderes NATO-Land mit Atomwaffen anzugreifen. Das hat bisher noch immer Wirkung gezeigt.

Die Bundesregierung hat am Wochenende eine lange überfällige Wende in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik begonnen. Dazu gehört die nukleare Frage, auch wenn das den Deutschen besonders schwerfallen wird. Deutschland hat vor einem halben Jahrhundert mit dem Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag auf eine nukleare Bewaffnung verzichtet.

Das ließe sich weder politisch noch rüstungstechnisch über Nacht ändern. Macrons Angebot zu einer Zusammenarbeit auf diesem Gebiet sollte man aber dringend annehmen, sofern es nach der Wahl in Frankreich noch Bestand hat.

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*