Herthas 1:1 in Bielefeld: Magath schickt Mahnsalven

Für die Entwicklung der Berliner Fußballer ist es gewiss von Vorteil, dass man in Bielefeld in der Nachspielzeit noch den Ausgleich zum 1:1-Endstand erlitt, der ihnen den sicheren Klassenerhalt zunächst vermieste. Denn bevor sie diesen am kommenden Samstagabend im Olympiastadion gegen Mainz perfekt machen können, bekommen sie noch eine volle Woche werthaltiges Training unter Felix Magath.

Der hatte aus ihnen in den vergangenen Wochen „Maschinen“ gemacht und ihnen „Spirit eingeflößt“. So formuliert es jedenfalls Herthas Meinungsführer Kevin-Prince Boateng, 35, der jede Menge Optimismus ausstrahlt für das große Ziel: den Ligaverbleib nach einer Saison voller Komplikationen.

Magath, 68, fungiert seit Mitte März als Ersthelfer des verunfallten Hertha-Fußballs und er ist mit zehn Punkten aus sechs Spielen diesbezüglich auf einem guten Weg. Den in letzter Sekunde verschenkten Sieg nach der 1:0-Führung durch Lucas Tousart (54. Minute) nahm er mit demonstrativ stoischer Aura zur Kenntnis. Er sei zufrieden und finde das Unentschieden gerecht, sagte er, bevor er lakonisch erklärte, warum ihn das späte Gegentor angesichts der tabellarischen Konstellation nicht aus der Fassung bringe.

Magath spricht sehr offen über eine mögliche Relegation mit Hertha BSC

„Als ich diesen Job übernommen habe“, sagte er keck, „war ich mir sicher, dass wir in der Relegation gegen den HSV spielen müssen.“ Mit vier Punkten Vorsprung vor dem Drittletzten Stuttgart und sechs vor der vorletzten Arminia sieht es mittlerweile aber nicht mehr so aus, als käme es noch zum Duell mit seinem Herzensklub in der Saisonverlängerung. Nächstes Wochenende könnte ein kollektives Aufatmen wie ein Sturm durch die Hauptstadt wehen. Dann hätte der nicht unumstrittene Magath die Hertha tatsächlich gerettet.

Die Chance, dass eine vergleichbare Geschichte mit Trainer Marco Kostmann, 56, in Ostwestfalen gelingt, ist trotz des umjubelten Ausgleichs durch Joakim Nilsson in der 91. Minute vergleichsweise gering. Der gegen die Hertha gewonnene Zähler, erst der zweite Punktgewinn aus den jüngsten neun Spielen, eröffnete den Bielefeldern zwar noch eine rechnerische Chance auf den direkten Klassenerhalt, auch gewisse Hoffnungen auf eine Teilnahme an der Relegation bestehen noch – doch ihre Leistungen in den vergangenen Wochen und auch der Vortrag gegen Berlin ließ wenig Optimismus zu. „Schade – aber auch okay“, sagte der japanische Angreifer Masaya Okigawa über das glückliche Unentschieden und traf die komplexe Bielefelder Gemütslage ziemlich präzise.

„Wir sind zwei Spieltage vor Saisonschluss weiterhin in der Lage, die Bundesliga zu halten“, sagt der vor zwei Wochen vom Torwarttrainer zum Cheftrainer beförderte Kostmann. Er hält Nilssons späten Treffer schon allein deshalb für wertvoll, weil er seiner Arminia Handlungsfähigkeit verleiht: Mit einem Sieg am Freitag beim bereits geretteten VfL Bochum kann man den VfB Stuttgart unter Druck setzen, der zwei Tage später sonntags beim FC Bayern antreten muss. „Gut fürs Selbstvertrauen“ nannte Kostmann den Punktgewinn, ehe er seinen Gegenüber Magath umarmte. Bielefelds Trainer war einst dessen Torwart von 1993 bis 1995 in der zweiten Mannschaft des Hamburger SV.

Herthas 1:1 in Bielefeld: Joakim Nilsson (rechts) erzielte gegen Stuttgart den viel beschrienen Ausgleich.

Herthas 1:1 in Bielefeld: Joakim Nilsson (rechts) erzielte gegen Stuttgart den viel beschrienen Ausgleich.

Joakim Nilsson (rechts) erzielte gegen Stuttgart den viel beschrienen Ausgleich.

(Foto: Christof Koepsel/Getty Images)

Trotzdem deutet vieles darauf hin, dass Bielefeld in der nächsten Saison eher seine 30. Zweitliga-Saison als seine 20. Bundesliga-Saison bestreitet. Während Magath lobte, dass die Hertha unter ihm „eine Mannschaft“ geworden sei, hat es die Arminia in den vergangenen zweieinhalb Monaten ganz schön zerbröselt. Erst unter Ex-Coach Frank Kramer, dann unter seinem Nachfolger Kostmann. „Zerreißt Euch!“, hatten die Fans vor dem Spiel gegen die Hertha auf einem Transparent gefordert, aber davon war nur in den allerletzten Minuten etwas zu sehen. Um ein Haar hätte es die Arminia zerrissen. „Schenkt uns nochmal 34!“, stand auf einem weiteren Spruchband der Arminia-Fans – gemeint waren wohl Partien in Liga eins.

Magath klingt so, als habe er Interesse, auch in der nächsten Saison Hertha-Trainer zu sein

Falls es damit nichts wird, stünde für Bielefeld der achte Abstieg zu Buche. Den Rekordhalter könnte man nicht einholen, das ist der 1. FC Nürnberg, dessen Sportvorstand Dieter Hecking diesmal auf der Tribüne weilte. Zum 100. Geburtstag im Jahr 2005 hatte der Fahrstuhlverein Arminia eine Aufzugkabine in seine Jubiläumsausstellung eingebaut. Man feiert seine klassenübergreifende Vielfalt seit der Bundesliga-Gründung im Jahr 1963 mit 19 Jahren Bundesliga, 29 Jahren zweiter Liga und zehn Jahren dritter Liga.

Die Hertha wird ihren siebten Bundesliga-Abstieg voraussichtlich in die Zukunft verschieben. Hier und da klingt Magath bereits so, als habe er durchaus Interesse, auch in der nächsten Saison Hertha-Trainer zu sein. Zumindest scheint er seine Angriffslust nicht verloren zu haben. In Richtung der in Mainz lasch aufgetretenen Bayern schickte er ein paar verbale Mahnsalven. „Der FC Bayern ist zwar schon Meister“, stellte Magath bei Sky fest, „aber ich weiß nicht, warum eine Mannschaft das Spielen drei Wochen vor dem Saisonende einstellt.“ Das diene nicht der Liga – und sollte sich, das meinte Magath wohl, gegen Herthas Konkurrent Stuttgart nicht wiederholen.

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