Das Ukraine-Update am 31. Mai – Großteil von Sjewjerodonezk zerstört, Teil-Öl-Embargo der EU kommt: Was heute passiert ist

Das Ukraine-Update: Was heute passiert ist

  • Einstige Großstadt Sjewjerodonezk fast entvölkert

Im Ballungsraum Sjewjerodonezk-Lyssytschansk lebten vor dem Krieg 380.000 Menschen. Inzwischen ist vor allem Sjewjerodonezk entvölkert: Von einst 100.000 Einwohnern halten sich Strjuk zufolge noch 12.000 dort auf. Seit Beginn des russischen Beschusses seien etwa 1500 Menschen in der Stadt getötet wurden, sagte er. Nach ukrainischen Angaben sind dort mehr als zwei Drittel der Wohnhäuser zerstört.

Internationale Helfer sorgen sich um verbliebene Zivilisten in der Stadt. „Wir können im Granatenhagel keine Leben retten“, sagte der Generalsekretär der Hilfsorganisation Norwegian Refugee Council, Jan Egeland. Er forderte Zugang, um helfen zu können.

  • Ukraine ermittelt in Tausenden Fällen von Kriegsverbrechen

Den Angriff auf das Nachbarland hatte Moskau am 24. Februar begonnen. Die ukrainische Staatsanwaltschaft hat nach eigenen Angaben in mehr als 15.000 Fällen von Kriegsverbrechen eingeleitet. 80 Verdächtige seien in Gewahrsam, teilte Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa in Den Haag mit. Mehr als 600 Verdächtige – darunter hochrangige russische Politiker und Offiziere – seien im Visier der Justiz. Täglich kämen 200 bis 300 neue Fälle hinzu.

In Den Haag berieten Ankläger der Ukraine, Polens, Litauens und des Internationalen Strafgerichtshofes über den Stand der Ermittlungen. Sie gehören einem gemeinsamen Ermittlerteam an. Auch Lettland, Estland und Slowakei sind nun mit von der Partie. Die EU-Justizbehörde Eurojust koordiniert die Arbeit.

In der Ukraine wurden zwei gefangen genommene russische Soldaten wegen Kriegsverbrechen zu langen Haftstrafen verurteilt. Ein Gericht im Gebiet Poltawa verhängte jeweils elfeinhalb Jahre Gefängnis, wie das Online-Portal „Ukrajinska Prawda“ berichtete. Die beiden Soldaten hätten zivile Gebäude beschossen.

  • Teil-Öl-Embargo der EU kommt – Erdgas aus Russland fließt weiter

Die Europäische Union verständigte sich auf ein sechstes Sanktionspaket gegen Russland. Dazu gehört ein Kompromiss auf ein Öl-Embargo. Auf Druck Ungarns werden aber nur russische Öl-Lieferungen über den Seeweg unterbunden. Transporte per Pipeline bleiben möglich. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zufolge werden die Öl-Importe aus Russland bis Jahresende um 90 Prozent reduziert. Grund dafür ist, dass neben Deutschland auch Polen nicht von der Ausnahme für Pipeline-Öl profitieren will.

Ein Gas-Embargo zeichnet sich hingegen nicht ab. Dies sei für ein nächstes Sanktionspaket gegen Russland „kein Thema“, sagte Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer. Die Bundesregierung strebt an, bis zum Sommer 2024 weitgehend unabhängig von russischem Gas zu werden. Bei einem zu schnellen Einfuhrstopp befürchtet sie eine Wirtschaftskrise.

  • Gazprom dreht Shell Europe den Gashahn zu

Der russische Staatskonzern Gazprom kündigte am Dienstag an, den dänischen Versorger Ørsted sowie Shell Energy Europe von diesem Mittwoch an nicht mehr mit Gas zu beliefern. Betroffen ist auch Deutschland. Shell habe darüber informiert, dass die Gaslieferungen nach Deutschland nicht in der russischen Währung bezahlt würden, teilte Gazprom Export mit. Russland fordert die Bezahlung von Gas-Rechnungen in Rubel, was Øersted und Shell mit Hinweis auf die Verträge ablehnen. Erst am Montag hatte das niederländische Gasunternehmen GasTerra mitgeteilt, dass Gazprom zwei Milliarden Kubikmeter Gas nicht liefern werde. Zuvor waren die Energie-Lieferungen schon für Polen, Bulgarien und Finnland gestoppt worden.

  • EU will führende Rolle bei Wiederaufbau der Ukraine

Von der Leyen sicherte unterdessen der Ukraine umfangreiche Hilfen beim Wiederaufbau zu. „Wir haben nicht nur eine moralische Verantwortung, sondern auch ein strategisches Interesse, beim Wiederaufbau der Ukraine eine führende Rolle zu übernehmen“, sagte sie per Video beim „Wirtschaftstag“ des Wirtschaftsrats der CDU.

  • Bundesregierung setzt weiter auf Waffen-Ringtausch

Die Bundesregierung setzt ihre Bemühungen fort, als Ausgleich für die Lieferung von Waffen sowjetischer Bauart in die Ukraine anderen Staaten deutsche Waffen zu liefern. Griechenland soll im Rahmen eines sogenannten Ringtauschs deutsche Schützenpanzer erhalten, wie Bundeskanzler Olaf Scholz nach einem Gespräch mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis in Brüssel ankündigte. Ein solcher Ringtausch ist bereits mit Tschechien vereinbart. Das Land erhält 15 Leopard-2-Panzer aus Industriebeständen für die Lieferung von Panzern sowjetischer Bauart in die Ukraine. Scholz sprach nach eigenen Angaben auch mit Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki über einen Ringtausch.

Das Ukraine-Update am 31. Mai: Was in der Nacht auf Dienstag passiert ist

  • Selenskyj: Russische Armee mit „maximaler Kampfkraft“ im Donbass

Die Lage im Osten der Ukraine bleibt nach den Worten des ukrainischen Präsidenten äußerst schwierig. Dort sei nun die „maximale Kampfkraft der russischen Armee“ versammelt, sagte Wolodymyr Selenskyj in einer Videobotschaft in der Nacht zu Dienstag. Sie versuche, im Donbass immer mehr Druck auf ukrainische Soldaten auszuüben.

Als wichtige Ziele der russischen Armee nannte Selenskyj die Städte und Ortschaften Sjewjerodonezk, Lysytschansk, Bachmut, Slowjansk und Awdijiwka. Auch in Charkiw und in der Region Sumy im Nordosten der Ukraine habe es am Montag Beschuss gegeben.

  • Straßenkampf in Sjewjerodonezk

Russische Truppen sind nach ukrainischen Angaben in die schwer umkämpfte Großstadt Sjewjerodonezk im Osten der Ukraine vorgedrungen. Es gebe einen Straßenkampf, schrieb der Gouverneur des Gebietes Luhansk, Serhij Hajdaj, am Montagabend bei Telegram. Er empfahl Bewohnern der Stadt, in Notunterkünften zu bleiben.

Sjewjerodonezk ist seit Monaten Ziel von russischen Angriffen. Die Stadt gilt als letzter Punkt, den das ukrainische Militär in der Region Luhansk noch kontrolliert. Am Montagmorgen hatten die russischen Truppen nach Angaben des Generalstabs noch am Stadtrand und in den Außenbezirken gekämpft.

  • EU-Staaten einigen sich auf Kompromiss zu Öl-Embargo gegen Russland

Die EU-Staaten haben sich im Streit um das geplante Öl-Embargo gegen Russland auf einen Kompromiss verständigt. Auf Drängen Ungarns hin sollen vorerst nur russische Öl-Lieferungen über den Seeweg unterbunden werden, wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der Nacht nach Beratungen mit den Staats- und Regierungschefs in Brüssel bestätigte. Per Pipeline erfolgende Transporte werden zunächst weiter möglich sein.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach dennoch von „einschneidenden Sanktionen gegen Russland“. Neben dem Kompromiss zum Öl-Embargo vereinbarten die Staats- und Regierungschefs, der Ukraine bis Ende des Jahres weitere Finanzhilfen von bis zu neun Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Mit dem Geld soll die Ukraine laufende Kosten etwa für Rentenzahlungen und den Betrieb von Krankenhäusern decken können.

  • Millionen Tonnen Getreide stecken fest – Selenskyj: Putin spekuliert auf Chaos durch Hungerkrise

Nach Selenskyjs Angaben können 22 Millionen Tonnen Getreide, die bereits in der Ukraine für den Export gelagert seien, wegen der russischen Blockade der Häfen das Land nicht verlassen. Er warnte, dass dadurch in Ländern Afrikas, Asiens und Europas eine Hungersnot drohe, die wiederum eine Migrationsbewegung in Gang setzen könnte.

Selenskyj sieht darin die Absicht des russischen Präsidenten Wladimir Putin, den Westen zu destabilisieren. Die Ukraine ist einer der größten Getreideexporteure weltweit. Auch westliche Politiker werfen Russland vor, auf eine Hungerkrise zu spekulieren und sie als Druckmittel einzusetzen, damit der Westen die Sanktionen abschwächt. Moskau weist diese Anschuldigungen zurück.

  • Ukraine und Russland beklagen tote Zivilisten

Im Osten der Ukraine beklagten beide Kriegsparteien weitere zivile Todesopfer. Im Gebiet Donezk seien drei Menschen durch russischen Beschuss getötet worden, teilte Gouverneur Pawlo Kyrylenko auf Telegram mit. In der Region Charkiw starb nach Angaben der Online-Zeitung „Ukrajinska Prawda“ ein Mann durch russische Granaten. Die russische Seite sprach laut der Agentur Tass von zwei getöteten Zivilisten durch ukrainische Angriffe im Gebiet Donezk sowie zwei getöteten Frauen im Gebiet Luhansk. Die Angaben sind nicht unabhängig zu prüfen. Die beiden selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine sind von Moskau als unabhängige Staaten anerkannt. Ihre Einnahme zählt zu Russlands Kriegszielen.

  • Nach Tod von Reporter: Frankreich ermittelt wegen Kriegsverbrechen

Nach dem Tod eines französischen Kriegsreporters in der Ukraine ermittelt die Anti-Terror-Staatsanwaltschaft wegen möglicher Kriegsverbrechen. Die Untersuchungen wurden unter anderem wegen vorsätzlichen Angriffs auf das Leben einer durch das Völkerrecht geschützten Person aufgenommen, wie die französische Nachrichtenagentur AFP berichtete.

Der TV-Journalist Frédéric Leclerc-Imhoff kam am Montag bei Sjewjerodonezk in der Ostukraine ums Leben, als er eine humanitäre Evakuierung begleitete. Der 32 Jahre alte Reporter wurde von einem Bombensplitter getroffen. Es war sein zweiter Einsatz in der Ukraine seit Kriegsbeginn.

  • Südossetien sagt Referendum zu Russland-Beitritt ab

Die georgische Separatistenregion Südossetien hat auf ein für Mitte Juli geplantes Referendum über einen Beitritt zu Russland abgesagt. Der neue Präsident der pro-russischen Enklave, Alan Gaglojew, hob die Referendums-Pläne seines Vorgängers am Montag auf. In einem Dekret betonte er, es sei nicht zulässig, per Volksabstimmung einseitig über Themen zu entscheiden, die die „legitimen Rechte und Interessen der russischen Föderation“ beträfen.

  • Das bringt der Tag

Internationale Ermittler werden sich am Dienstag (14 Uhr) in Den Haag zum Stand der Untersuchungen zu möglichen Kriegsverbrechen in der Ukraine äußern. Bereits kurz nach Beginn der russischen Invasion in das Nachbarland im Februar hatten die Ukraine, Polen und Litauen ein gemeinsames Ermittlerteam eingerichtet, gut einen Monat später trat auch der Internationale Strafgerichtshof bei.

In Brüssel geht der EU-Sondergipfel weiter. Themen sind unter anderem die Situation in der Ukraine, die Bemühungen zur Stärkung der Verteidigung sowie die Energie- und Ernährungssicherheit.

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