Für viele russische Oligarchen sind die Zeiten im Westen gerade hart: Luxusyachten werden beschlagnahmt; Kreditkarten gesperrt, Villen und Penthouses sind unerreichbar geworden. Aber es gibt eine Handvoll russischer Milliardäre, die von Sanktionen bisher weitgehend verschont geblieben sind. Unter ihnen ist auch Wladimir Potanin, der laut „Forbes“-Magazin derzeit zweitreichste Russe – auch wenn sein Vermögen wegen des Krieges um 9,7 Milliarden auf 17,3 Milliarden Dollar abgenommen habe.
Potanin hat seit Russlands Angriff auf die Ukraine, während manche seiner Kollegen in Interviews über ihre schwierige Lage wegen der Strafmaßnahmen klagten, gleich mehrere lukrative Geschäfte gemacht: Zunächst kaufte er die Rosbank, deren früherer Besitzer, die französische Großbank Société Générale, Russland überstürzt verlassen wollte. Dann übernahm er den russischen Ableger des amerikanischen Finanzdienstleisters Global Payments und schließlich noch die Anteile des Bankengründers Oleg Tinkow an dessen Online-Bank Tinkoff – nach Aussagen Tinkows für drei Prozent ihres eigentlichen Wertes.
Dabei ist Potanin, der bisher nur auf einer kanadischen Sanktionsliste steht, kein Gegner von Präsident Wladimir Putin. Im Gegenteil: Er gilt als äußerst loyal, und zwar seit Beginn von Putins Ära Anfang der 2000er Jahre – so sagte es der Oppositionspolitiker und aus Russland geflohene Ökonom Wladimir Milow gegenüber „Forbes“. Der Grund, weshalb Potanin weitermachen kann, als gäbe es keinen Krieg, könnte mit seinem wichtigstem Vermögenswert zusammenhängen: dem sibirischen Bergbauunternehmen Norilsk Nickel.
Verzicht auf Sanktionen zugunsten der Metallpreise
Der Konzern produziert 15 Prozent des auf der Welt verwendeten Nickels, wichtig etwa für die Batterieproduktion, und steht für etwa 40 Prozent des Weltmarktes an Palladium, das im Autobau und für die Herstellung von Halbleitern gebraucht wird. Gemeinsam mit BASF hat Norilsk Nickel eine große Batterieproduktion in Finnland gebaut. Um die Metallpreise nicht noch höher zu treiben und deren Nachschub nicht abbrechen zu lassen, würden Potanin und sein Konzern von westlichen Sanktionen verschont, vermuten Beobachter.
Der russischen Führung kommt das gelegen; über Potanin kann sie wertvolle Aktiva unter Kontrolle bringen. Insbesondere im Fall der Tinkoff-Bank schien dies geboten, denn der in London lebende Oleg Tinkow hatte sich nach Moskaus Überfall auf die Ukraine weit aus dem Fenster gelehnt, im März etwa auf Instagram die russische Armee als „beschissen“ bezeichnet. Daraufhin habe der Kreml gedroht, seine Bank zu verstaatlichen, sagte Tinkow später der „New York Times“, weshalb er gezwungen gewesen sei, seine Anteile für einen lächerlichen Betrag zu verkaufen.
Potanin kehrt mit den Akquisitionen im Finanzsektor zu seinen Wurzeln zurück. Als gegen Ende der Sowjetunion privates Unternehmertum möglich wurde, gründete er seinen Handelskonzern Interros, kurz darauf die Bank Onexim, die dank etlicher Staatsaufträge bald zu einem der wichtigsten Finanzinstitute wurde. Zuvor hatte Potanin wie sein Vater im sowjetischen Handelsministerium gearbeitet.
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