Als es vollbracht und das Fußballspiel mit einem Ergebnis zu Ende gegangen war, das sie sich so in ihren Träumen ausgemalt hatten, wurden bei mancher dieser so hartnäckig an ihrem Erfolg arbeitenden Spielerinnen dann doch die Knie weich. Die englischen Frauen sanken zu Boden, ergriffen vom Augenblick und überwältigt von den Gefühlen: Europameister 2022! Dieser Titel, gewonnen durch ein 2:1 nach Verlängerung im Finale gegen Deutschland, ist von nun an auf immer und ewig mit den Namen eines Teams verbunden, das auch die letzte Aufgabe des Turniers mit Bravour bewältigte.
Die Verliererinnen in den grünen Trikots der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) standen erst fassungslos und enttäuscht daneben, nahmen später die neuen Champions in den Arm, während das britische Publikum den Fair-Play-Gedanken hörbar zur Geltung brachte und allen Beteiligten für das dargebotene Finale mit lautstarkem Beifall dankte. Diese EM besaß bis zum feierlichen Schlusspunkt in Wembley Klasse und Stil. „Wir sind froh, dass wir so viele Menschen begeistern konnten“, sagte Nationalspielerin Svenja Huth, „aber im Moment tut es schweineweh.“
Unverständnis nach Handspiel-Szene
Wie groß landesweit die Vorfreude auf den Auftritt der Lionesses war, wurde vor dem Anstoß deutlich: Tausende bevölkerten die Straßen und Plätze rund um die imposante Arena, die von vielen Fans als Kathedrale des Fußballs glorifiziert wird. Ihre 87.192 Plätze waren im Vorverkauf binnen Stunden ausverkauft, wodurch ein Zuschauerrekord aufgestellt wurde, der auch alle bisherigen EM-Bestwerte der Männer toppte.
Die Anhänger stimmten Gesänge an, die das Läuten der Glocken der angrenzenden Sankt-Josephs-Kirche bei Weitem übertönten. Die Anfahrt des englischen Teams wurde live im Fernsehen übertragen; ein Hubschrauber filmte den Bus, mit dem Trainerin Sarina Wiegman und ihr Tross, begleitet von einer Polizeieskorte, aus ihrem auf dem Land gelegenen Quartier ins Stadtzentrum kutschiert wurden.
Dabei standen sie in Anbetracht der Massen, die auf den Zufahrten unterwegs waren, lange im Stau, während die besser planenden Deutschen bereits früher eingetroffen waren und sich entspannt bei der Platzbegehung mit den Gegebenheiten vertraut machen konnten. Die Erwartungshaltung an die Engländerinnen, den ersten internationalen Titel zu gewinnen, hatte in den vergangenen Wochen immerfort zugenommen. So strömten viele Neugierige auch ohne Ticket nach Wembley.
Die gebürtige Niederländerin Wiegman, die 2017 mit dem Heimteam bei der Euro in Holland die gesamte Konkurrenz ausgestochen hatte, wies in der allgemeinen Hochstimmung aus Erfahrung mahnend darauf hin, dass sie mit dem DFB-Ensemble auf einen Rivalen treffen würden, der ihnen in nichts nachstehen würde. Dass die Deutschen, die ebenfalls ohne Niederlage durch das Turnier gestürmt waren, hier und heute trotz der Kulisse, die lange gegen sie Stellung bezog, mit Selbstbewusstsein auftreten würden, machten sie schnell durch konsequente Zweikampfführung deutlich.
Eine, die ihnen gerne geholfen hätte, die Aufgabe zu meistern, musste auf der Tribüne, in der Nähe von Prinz William Platz nehmen: Klara Bühl konnte am Morgen – nach sechstägiger Isolation – in den Kreis ihrer Mitspielerinnen zurückkehren, den sie seit Bekanntwerden einer Corona-Infektion meiden musste. Die 21-Jährige reist an diesem Montag mit dem Rest der Gruppe zurück nach Frankfurt, wo sie am Nachmittag als Beinahe-Heldinnen auf dem Rathausbalkon am Römer in Frankfurt zur Willkommens-Party erwartet werden.
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