Es ist ein Mega-Projekt: In Deutschland müssen 36 Millionen Grundstücke und Gebäude neu bewertet werden. Dafür ist jeder Immobilieneigentümer verpflichtet, innerhalb von vier Monaten eine Grundsteuererklärung abzugeben. Am 1. Juli ging es los, am 31. Oktober endet die Frist – zumindest soll sie nach dem bisherigen Zeitplan dann enden.
Die Zahl der bislang abgegebenen Erklärungen lässt jedoch bezweifeln, dass es bei Ende Oktober bleibt. Laut Bayerischem Landesamt für Steuern sind von Anfang Juli bis Ende August bundesweit 5,25 Millionen Grundsteuererklärungen elektronisch eingegangen. Das entspricht nach der Hälfte der Zeit lediglich einer Abgabequote von knapp 15 Prozent. Ein weiteres Prozent der Erklärungen landete laut Bundesfinanzministerium bislang in Papierform bei den Behörden.
„Die Finanzverwaltung wird nicht daran vorbeikommen, allen Beteiligten eine Fristverlängerung zu gewähren“, sagte Hartmut Schwab, Präsident der Bundessteuerberaterkammer. Die Frist von vier Monaten sei von Anfang an „völlig utopisch“ gewesen, zumal der Beginn in den Sommerferien gelegen habe. „In den nächsten zwei Monaten wird das nicht aufzuholen sein.“
Lindner macht sich Sorgen
Mitte August hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) deutlich gemacht, dass eine Verlängerung der Frist eine Option sei. Er mache sich Sorgen, wie das gegenwärtig laufe. Unterstützung erhält er aus Schleswig-Holstein: „Wenn der Bundesfinanzminister über eine Fristverlängerung nachdenkt, bin ich weiterhin grundsätzlich offen dafür“, sagte Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) in Kiel. Dabei müsse aber immer berücksichtigt werden, dass es eine zeitliche Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts zur Umsetzung des neuen Grundsteuerrechts gebe. Den Kommunen müsse genügend Zeit bleiben, die ab 2025 geltenden neuen Hebesätze festzulegen.
Auch in Baden-Württemberg zeigt man sich offen für eine Fristverlängerung. Finanzstaatssekretärin Gisela Splett (Grüne) machte bereits deutlich, dass wer nicht fristgerecht bis Ende Oktober abgibt, zunächst einmal wenig zu befürchten hat. Erinnerungsschreiben würden wahrscheinlich erst Anfang nächsten Jahres verschickt.
Die Entscheidung über eine Fristverlängerung liegt am Ende nicht beim Bund, sondern bei den Ländern. Dort ist das Stimmungsbild bislang noch eindeutig: Es bleibt beim 31. Oktober. Man setzt vielerorts darauf, dass der Druck auf die Eigentümer von Grundstücken und Gebäuden zwangsläufig steigt, je näher der 31. Oktober rückt.
„Es ist erst Halbzeit, das heißt auch, es verbleibt noch genügend Zeit für die Abgabe der Steuererklärung“, teilte etwa das Staatsministerium für Finanzen in München mit. In Sachsen-Anhalt und Thüringen geht man mit dem Ende der Sommerferien von einem „deutlichen“ Anstieg elektronisch übermittelter Erklärungen aus. Und in Sachsen sieht man die Sache ganz pragmatisch: „Eine Verlängerung der Abgabefrist würde nur dazu führen, dass diese Aufgabe weiter vor sich hergeschoben wird“, hieß es aus dem dortigen Staatsministerium der Finanzen.
Wird die Abgabe bis kurz vor Schluss vor sich hergeschoben, steigt allerdings auch wieder die Gefahr technischer Probleme. Es stehen schließlich noch rund 30 Millionen Erklärungen aus. Das heißt, im Durchschnitt müssen bis Ende Oktober pro Tag 500.000 Erklärungen abgegeben werden. Als Anfang Juli 100.000 Haus- und Wohnungseigentümer an einem Wochenende versuchten, ihre Steuererklärung über das elektronische Portal Elster einzureichen, brach das System für mehrere Stunden zusammen. Nichts ging mehr.
Statt auf eine Fristverlängerung setzen viele Länder weiterhin auf Aufklärung und einen leichteren Zugang. „Bundesweit wird permanent daran gearbeitet, die Abgabe der Erklärung zu erleichtert“, versichert man im Finanzministerium des Saarlandes. Viele Bürger hätten aus nachvollziehbaren Gründen Probleme bei der Abgabe der Erklärungen – was auch an der Fragestellung liege.
In Berlin standen Experten der Senatsverwaltung für Finanzen den Bürgern gerade erst 24 Stunden im Rahmen eines Fragemarathons den Steuerpflichtigen zur Verfügung. In Mecklenburg-Vorpommern verweist man auf Grundsteuer-Sprechzeiten, bei denen sich auch der Finanzminister persönlich den Fragen der Bürger stelle.
Bislang gaben überwiegend Privatleute eine Grundsteuererklärung ab. „Große Wohnungsbauunternehmen und Hausverwaltungen haben ihre Erklärungen bislang nicht abgegeben“, ließ Bremens Finanzsenator wissen. In der Hansestadt verweist man zudem genauso wie in Niedersachsen darauf, dass bis Ende August nur wenige Erklärungen über Steuerberater abgegeben wurden. „Hier wird erst ab dem kommenden Monat mit verstärkten Eingängen gerechnet“, teilte das Finanzministerium in Hannover mit.
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