Sie haben die Chance noch genutzt: Sechs Männer aus dem Rhein-Main-Gebiet stehen am Mittwochmorgen am Frankfurter Südbahnhof und warten auf ihren Regionalzug nach Bayreuth. Dort wollen sie eine Fahrradtour beginnen, von der Mainquelle bis zur -mündung.
Das 9-Euro-Ticket, das viele von ihnen an diesem – dem letzten möglichen – Tag zum ersten Mal gekauft haben, soll sie zum Ausgangspunkt bringen. Die Räder transportiert ein Begleitfahrzeug. Den Zug hätten sie für die Reise wohl ohnehin genommen, sagt einer von ihnen. „Aber der günstige Preis hat uns zusätzlich motiviert“, sagt ein anderer und lacht. Für neun Euro durch ganz Deutschland: Nach drei Monaten und 52 Millionen verkauften Tickets endet an diesem Mittwoch ein bislang einmaliges Experiment. Was als Teil des ersten Entlastungspakets der Bundesregierung begann, bekam schnell eine Eigendynamik.
Die Bilder von Punks, die gleich Anfang Juni zum „Sturm auf Sylt“ bliesen, werden in Erinnerung bleiben. Einen Boom erlebte der Tagesausflug, andere machten sich gar zu groß angelegten Rucksackreise durch Deutschland auf. Viele Pendler mussten nur noch einen Bruchteil des regulären Preises für ihre Dauerfahrkarten aufbringen.
Aber es gab auch die anderen Bilder: von überfüllten Bahnsteigen und dicht gedrängt stehenden Fahrgästen. Von Menschen, die vor großen Anzeigetafeln warten, auf denen im Minutentakt neue Verspätungen und Ausfälle verkündet werden. Am Mittwoch sicherte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) eine Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket zu. Er habe seinen Parteifreund Finanzminister Christian Lindner (FDP) davon überzeugt, dass es ein weiteres, moderneres Ticket geben müsse, sagte er im Deutschlandfunk.
Wir haben mit Menschen gesprochen, die in den vergangenen drei Monaten ganz unterschiedliche Erfahrungen mit dem Ticket gemacht haben. Ihre Eindrücke zeigen, warum das Modell so beliebt war – und was sich bei einer Nachfolgelösung ändern müsste.
Marco Vogt aus Rückersdorf bei Nürnberg
„Wir sind Mitte Juli nach einem Jahr aus den Vereinigten Staaten zurück nach Deutschland gekommen. Für den Weg vom Münchner Flughafen nach Rückersdorf in der Nähe von Nürnberg, wo wir leben, hat sich das Ticket schon gelohnt. Das war sehr günstig für die ganze Familie.
An den folgenden Wochenenden haben wir das 9-Euro-Ticket dann immer wieder für Ausflüge genutzt. Das war praktisch – die Züge waren nicht überfüllt. Für diese Ausflüge hätten wir aber auch ohne das Ticket eher nicht das Auto genommen. Wenn es das 9-Euro-Ticket nicht gegeben hätte, hätten wir uns wahrscheinlich Monatskarten gekauft.“
Mike Fleddermann aus Remscheid
„Generell war das 9-Euro-Ticket eine gute Idee; ich fahre sowieso immer viel mit dem Bus. Aber ganz, ganz schlimm waren die vielen Ausfälle, die man überall hatte. Ich habe die Möglichkeit, eine Station mit der Bahn zur Arbeit zu Fahren oder mit dem Bus. Fährt beides nicht, dann fahre ich mit dem Taxi – und das ist einige Male passiert. Vor dem 9-Euro-Ticket war das viel seltener.
Ich habe das Ticket aber auch für Reisen genutzt, nach Köln zum Beispiel oder nach Wacken und danach zum Bodensee. Die Bahnmitarbeiter waren alle freundlich und nett, aber viele haben gesagt, dass sie wirklich am Rande dessen arbeiten, was sie leisten können.“
Magdalena O. aus Unterfranken
„Die Flexibilität, nicht erst ein Ticket buchen zu müssen, fand ich toll. 18 Euro zusätzlich pro Monat für meinen Sohn und mich – meine Tochter durfte noch umsonst fahren – waren zwar eine zusätzliche Belastung. Aber wir haben das Ticket auch viel genutzt zur Freizeitgestaltung. Weil man in der Westfrankenbahn auch Fahrräder kostenlos mitnehmen konnte, mussten wir nicht immer von der Haustür aus losradeln und konnten zusammen neue, schöne Orte entdecken.
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