„Letzte Generation“ – Klima-Kleber werden aus Knast entlassen und machen sofort Protest-Ansage

Es klingt wie ein medizinischer Warnhinweis, zu lesen vor der Einnahme eines Medikaments. „Kann sein“, sagt Moderator Tobias, „dass euch das emotional sehr bewegt.“ Tatsächlich hat „das“ viele Menschen nicht nur bewegt, sondern aufgeregt, empört, wütend gemacht – so oder so. Tobias moderiert einen Video-Call, eine sehr besondere Art von Talkshow, in der sich drei der „Klima-Kleber“ erklären.

Drei Menschen, die in München den Straßenverkehr blockiert haben und dafür fast einen Monat lang im berüchtigten Knast von Stadelheim in Haft kamen. Am Ende bieten sie den Zuhörern genau drei Optionen zur Wahl: Selbst auf die Straße kleben. Mit Geld unterstützen. Oder sonst irgendwie den Aktivisten helfen. Die Möglichkeit, den Kopf zu schütteln, sieht „Knast-Zoom: Was muss jetzt passieren?“ nicht vor. Und das hat seinen Grund.

„Ich werde nicht aufhören!“

Moderator Tobias stellt Lars vor, seit 48 Stunden wieder auf freiem Fuß. Lars ist 31. Zum Bart trägt Lars eine runde Brille. Lars ist eigentlich Psychologe. Eigentlich in der Weiterbildung zum Psychotherapeuten. Dafür allerdings hat Lars keine Zeit mehr. Er kämpft für den Klimaschutz. Anfang November hat er auf dem Karlsplatz in München den Autoverkehr blockiert. In dem Video-Call berichtet er davon.

Als ihn die Polizei festnimmt, habe er gesagt: „Ich werde nicht aufhören, den Alltag zu unterbrechen.“ Auch vor Gericht sei er dabei geblieben. „Angesicht der Situation, in der wir uns befinden“, erlaube es sein Gewissen nicht, mit dem Protest aufzuhören. Und dann fügt er hinzu: „Dann ging’s nach Stadelheim.“

Gerade noch „unser Geld abgeholt“

„Im Gefängnis war’s schon krass“, erzählt Lars. Von fünf Quadratmetern Einzelzelle berichtet er. Aber auch davon, dass er einen Fernseher nutzen konnte. Dass beim Hofgang andere Häftlinge gerufen hätten: „Das sind doch die Klima-Kleber – haltet durch!“ Das ist für Lars keine Frage.

Auch nicht für Miriam, eine der anderen 30-Tage-Häftlinge. Sie erzählt, dass sie sich gerade den Entlassungsschein „und unser Geld“ abgeholt habe. „Jetzt ist erst einmal Erholung angesagt“, erzählt sie. Und fügt aber gleich hinzu: „Im Vergleich, was uns in der Klimakrise erwartet, ist ein Knastaufenthalt angenehm.“

Auswirkungen auf Dritte sind kein Thema

Das Schlimmere rechtfertigt die Mittel. Zumindest für die Aktivisten, die hier an diesem Tag über ihre Haft und ihre Motivation berichten. Lars braucht dafür ganz viele Wörter mit „ un “. „Wir werden un ignorierbar stören“, versichert er. „Es ist mit dem Klima so un fassbar viel schlimmer, als wir das wahrhaben wollen“, sagt er. „Das ist un fassbar schlimm. Das wird un glaublich schreckliche Auswirkungen haben.“

Die Auswirkungen auf die Menschen im Straßenverkehr, auf solche, die einfach in die Arbeit müssen, und auf solche, die vielleicht im Rettungseinsatz sind, um anderen zu helfen: All das ist bei dieser sehr speziellen Form von Talkshow kein Thema – sozusagen un glaublich un wichtig.

Letzte Generation: Klima-Kleber machen Protest-Ansage

Für die Aktivisten bleiben ja nur drei Möglichkeiten. Anderes findet in ihrer Welt nicht statt. „Wir machen unsere Aktionen als letzte Generation nicht leichtfertig“, glauben sie. „Wir befinden uns in einer entscheidenden Phase der Menschheit.“ Und alle drei machen klar, dass sie sie weitermachen wollen. Miriam und Joel, ebenfalls gerade aus dem Gefängnis entlassen,  wollen dies schon nächste Woche in Bayern tun. Miriam: „Ich werde am Montag wieder in Bayern auf der Straße sitzen.“

Innenministerium reagiert

Vom bayerischen Innenministerium heißt es auf Anfrage von FOCUS online: „Jeder darf sich für den Klimaschutz einsetzen und friedlich für seine Anliegen demonstrieren. Gegen Protest ist nichts einzuwenden, solange keine Straftaten begangen oder andere gefährdet werden. Inwieweit die angekündigten Proteste der ‚Letzten Generation‘ sich innerhalb des Rechtsrahmens bewegen, bleibt abzuwarten. Eine Gewahrsamnahme kann jedenfalls nur im konkreten Einzelfall begründet werden. Dazu ist auch unverzüglich eine richterliche Entscheidung einzuholen.“

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