„Die Worte Macrons verwundern“

Der französische Vorstoß für Verhandlungen mit Russland und eine neue europäische Sicherheitsarchitektur stößt in der deutschen Regierungskoalition auf Ablehnung. Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag, sagte WELT: „Die Worte Macrons verwundern. Die Nato hat zu keinem Zeitpunkt Russland bedroht, sondern mit der Nato-Russland-Grundakte einen gemeinsamen Rahmen für Sicherheitsfragen geschaffen.“

Zudem gebe es mit der Charta von Paris und der OSZE eine gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur, die allen Staaten Europas, auch Russland, umfangreiche Sicherheitsgarantien zusage, aber „gerade von Putin einseitig und massiv beschädigt“ wurde. „Jetzt gilt es, europäische Sicherheit vor und gegen Russland zu gewährleisten“, so Schmid. „Solange Russland eine imperialistische Außenpolitik verfolgt, ist eine gesamteuropäische Friedensordnung unter Einschluss Russlands nicht möglich.“

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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte in einem am Samstag ausgestrahlten TV-Interview gesagt, Europa müsse eine neue Sicherheitsarchitektur vorbereiten. „Einer der wesentlichen Punkte, auf die wir eingehen müssen, wie Präsident Putin immer gesagt hat, ist die Furcht, dass die Nato an die Türen Russlands heranrückt, und die Stationierung von Waffen, die Russland bedrohen könnten“, sagte Macron. „Dieses Thema wird Teil der Themen für einen Frieden sein. Deswegen müssen wir ausarbeiten, wozu wir bereit sind, wie wir unsere Partner und Mitgliedstaaten schützen, und wie wir Russland Garantien geben, sobald es an den Verhandlungstisch zurückkehrt.“

FDP-Außenpolitiker Ulrich Lechte würdigte zwar Macrons Motivation, hält seine Vorschläge aber für falsch. „Präsident Macron möchte den schrecklichen Krieg durch Diplomatie beenden. Eine gute Initiative, doch die Bereitschaft von Russland und der Ukraine ist die Grundbedingung für solche Verhandlungen.“ Die Aggression sei stets von Moskau ausgegangen. „Man darf die Narrative des Despoten auch durch Gedankenspiele nicht bestätigen, sondern muss ihnen mit Klarheit entschieden entgegentreten“, sagte er WELT.

„Der Krieg in der Ukraine kann und wird am Ende durch Verhandlungen beendet werden. Aus meiner Sicht möchte Macron auf alle Eventualitäten vorbereitet sein und verschiedene Szenarien diskutieren.“ Russland habe durch die Stationierung von Atomwaffen in Kaliningrad in den vergangenen Jahren „eher die Nato bedroht als umgekehrt“.

Macrons Vorschläge „hochproblematisch“

Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin sagte WELT: „Dass dieser Krieg über Verhandlungen beendet werden wird, ist richtig. Die Äußerungen Macrons wie Bidens zeigen, dass es weder im Interesse der USA noch Europas ist, dass dieser Krieg in eine Endlosschleife geht. Die Leidtragenden wären die Menschen in der Ukraine.“ Doch zur Wahrheit gehöre auch, dass Russland aktuell offensichtlich kein Interesse an Verhandlungen habe. „Sicherheitsgarantien sind wichtig – aber nicht einseitig. Wer sie fordert, muss zuerst einmal die zugesagten Sicherheitsgarantien für die Ukraine ausbuchstabieren.“

Mit deutlich schärferen Worten weist die oppositionelle Union die Ideen aus Paris zurück. Für CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul sind „die Vorschläge des französischen Präsidenten Macron hochproblematisch. Hierüber müssen dringend Gespräche in EU und Nato geführt werden.“ Macron stelle „die Dinge auf den Kopf“, weil zunächst die Ukraine Sicherheitsgarantien benötige. „Vor allem leistet er der russischen Propaganda bedauerlicherweise Vorschub, wenn er die Nato als Anlass für Sicherheitsbedenken darstellt“. Dabei sei die Nato ein „rein defensives“ Bündnis. Putin habe „jedwedes Vertrauen in eine belastbare Sicherheitsarchitektur zerstört“.

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Anders sehen es die beiden kleineren Oppositionsparteien von der linken und der rechten Seite des Parlaments. AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla sagte WELT: „Es ist ein Armutszeugnis für die Ampel-Koalition, dass dieser längst überfällige Vorstoß von Paris ausgeht und nicht von Berlin.“ Um Russland an den Verhandlungstisch zu bringen, sollten Deutschland und Frankreich die Waffenlieferungen an die Ukraine und die Sanktionen gegen Russland stoppen. Macron weise zu Recht darauf hin, dass Russlands legitime Sicherheitsinteressen berücksichtigt werden müssen. Eine dauerhafte Entspannung der Krise sei nur über die Neutralität der Ukraine zu erreichen. „Das schließt eine Mitgliedschaft in der Nato aus.“

Jan Korte, parlamentarischer Geschäftsführer der Linken, sagte WELT: „Die Vorschläge Macrons sind zu prüfen und intensiv zu diskutieren. Im Gegensatz zur Bundesregierung macht sich der französische Präsident offenbar Gedanken, wie man zu Frieden und einer sinnvollen Sicherheitsarchitektur in Europa kommen kann.“

Russland und die USA hatten in dieser Woche erneut ihre Bereitschaft zu Gesprächen bekundet. US-Präsident Joe Biden nannte jedoch als Bedingung, dass Putin der Einstellung der Kriegshandlungen zustimme. Die Ukraine hat erklärt, Verhandlungen seien nur möglich, wenn Russland seine Truppen aus dem Land zurückziehe.

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