Ein Jahr hat nicht nur 365 Tage, sondern ungleich mehr Einträge in Dienstplänen und Kalendern. Dies gilt insbesondere für die Fotografen-Mannschaft der Süddeutschen Zeitung. Das Team muss jeden Tag aufs Neue den Spagat schaffen, den Berg an Terminen bei oft genug stündlich oder noch häufiger wechselnden Schauplätzen abzuarbeiten und zugleich die Ruhe und Übersicht für den besonderen Augenblick zu bewahren.
Mitunter erleben selbst die erfahrensten Profis ikonische Momente – und im besten aller Fälle können die Leser beim Blättern in der gedruckten Ausgabe oder beim Wischen durch die digitalen Produkte auch daran teilhaben. Zum Jahresende haben die Kolleginnen und Kollegen die für sie berührendsten, typischsten, gelungensten Bilder ausgesucht – angestoßen durch die Weltlage, durch Besuche bei interessanten Menschen oder Ereignisse in der Stadt, über die sie berichten.
Sinnbild des Wandels
Fotograf Florian Peljak kennt „keinen anderen Ort, der so fürs Münchner Nachtleben stand und sich so oft gewandelt hat seitdem“. Dem sei das Werksviertel immer noch unterworfen. Ende November fotografierte er auf der Terrasse des Adina-Hotels. „Kaum hatte ich das im Kasten, begann ein ungewöhnliches Wetterspektakel.“ Für ihn „Sinnbild für den stetigen Wandel des Viertels bei bleibender Anziehungskraft“. Als er sich losgerissen hatte, traf er Oliver Kahn auf der Hotel-Toilette. „Verrückter Ort.“
Ausgelassenheit und Lebensfreude
Bis zu 400 000 Akteure und Zuschauer, allein wenigstens 25 000 Teilnehmer an der Parade, soweit die nüchternen offiziellen Zahlen: Der Christopher Street Day im Juli geriet nach zwei Jahren Corona-Pause zum beeindruckenden Statement der Lebensfreude. „Mein tatsächlich erster CSD“, resümiert Fotograf Leonhard Simon, „und ich war überwältigt von der schönen und ausgelassenen Stimmung“.
Eisi im Eiswasser
Er spielt den schrulligen Vater des Hauptdarstellers in den Eberhofer-Krimis, zugleich gibt er einen Freigeist in „Dahoam is Dahoam“. Wie spontan Eisi Gulp anlässlich eines Porträts im Oktober über den Menschen und Schauspieler sein kann, erlebte Fotograf Stephan Rumpf: „Er erzählte uns, dass er immer kalt duscht.“ Nach dem Vorschlag, das seriös abzulichten, hatte das SZ-Team mit einer Ablehnung gerechnet, aber Eisi Gulp zögerte nicht. „Wow!“
Der doppelte Wolodimir
Nichts wünscht sich der Usbeke Umid Isabaev sehnlicher als ein anderes Gesicht. Der Doppelgänger des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij kam im Juli nach Mönchengladbach, bei der Flucht halfen ihm der polnische Doppelgänger von Wladimir Putin und der australische Doppelgänger von Kim Jong-un. Fotografin Alessandra Schellnegger hat dieses Bild ausgewählt, weil es einen Menschen zeigt, „dessen Leben sich durch den Krieg stark verändert hat“.
Ein Bett im Bahnhof
Ein Feldbett der Bahnhofsmission am Münchner Hauptbahnhof als Zwischenstation auf der Flucht vor dem russischen Angriffskrieg – für Fotografin Catherina Hess war die Begegnung mit Valeria, ihrer Freundin sowie den Katzen Nolan und Clio ein eindrücklicher Moment im März. „Für manche war das einzige, was von ihrem Zuhause blieb, eine kleine Tasche, in die sie ihr geliebtes Haustier sorgsam eingepackt haben.“
Fischers Flut-Konzert
„Ich erinnere mich gut, dass ich von dem Fotoauftrag nicht begeistert war.“ Fotograf Robert Haas sollte beim Konzert von Helene Fischer im August in Riem nur das Parkchaos dokumentieren. „Der Himmel öffnete aber in einem Ausmaß seine Schleusen, dass sich plötzlich unerwartete Fotomotive ergaben.“ Besucher beim Waten in riesigen Pfützen, die Feuerwehr beim Bauen eines Paletten-Stegs. Am Ende, im Abendrot, doch „ein Abend mit schönen Motiven“.
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