Die Machthaber in Moskau und Minsk schweigen zu dem, was auf dem Militärflughafen Matschulischtschi nahe Minsk geschehen sein soll. Doch wenn stimmt, was belarussische Regimegegner im Exil behaupten, dann hat die russische Luftwaffe dort am Sonntag einen schweren Verlust erlitten.
Demnach wurde ein russisches Radaraufklärungsflugzeug des Typs A-50 durch einen Drohnenangriff so schwer getroffen, dass es nicht mehr einsatzfähig ist. Der Verlust eines solchen Flugzeuges würde die Fähigkeit der russischen Streitkräfte zu Luftoperationen „weiter einschränken“, schrieb das britische Verteidigungsministerium am Dienstag in seinem täglichen Lagebericht zu Russlands Krieg gegen die Ukraine. Nach britischer Einschätzung hat die russische Luftwaffe nun noch sechs einsatzfähige Flugzeuge dieses Typs, die für die Koordination von Raketenangriffen auf die Ukraine genutzt werden. Ein Sprecher der ukrainischen Luftwaffe nannte die Berichte über die Zerstörung der A-50 eine „gute Nachricht“.
Verbreitet wurde die Nachricht über den Drohnenangriff in Matschulischtschi von BYPOL, einer Organisation ehemaliger Angehöriger belarussischer Sicherheitskräfte, die nach der gefälschten Präsidentenwahl im August 2020 auf die Seite der Opposition gewechselt sind und sich nun im Exil befinden. Der BYPOL-Vorsitzende Alexandr Asarow äußerte gegenüber belarussischen Exilmedien, der Angriff sei von „Partisanen“ mit handelsüblichen zivilen Drohnen ausgeführt worden. Die Angreifer seien mittlerweile im Ausland in Sicherheit. In einem Interview mit der polnischen Zeitung „Rzeczpospolita“ sagte Asarow, der Militärflughafen im Süden von Minsk sei schlecht bewacht gewesen. Die Russen hätten ihre Wachsamkeit verloren, weil sie geglaubt hätten, die Belarussen seien so eingeschüchtert, dass sie still hielten.
Explosionen hat es definitiv gegeben
Überprüfbar sind die Behauptungen Asarows nicht. Als sicher kann aber gelten, dass in Matschulischtschi eine russische A-50 stationiert war und dass es dort am Sonntagmorgen starke Explosionen gegeben hat. Über die Explosionen hat die – aus dem Exil arbeitende – belarussische Website Zerkalo.io unter Berufung auf Anwohner schon am Sonntag berichtet.
Nach den Explosionen sind demnach rings um den Militärflughafen große Mengen Soldaten aufgezogen. Sondereinheiten der belarussischen Sicherheitskräfte hätten in der Umgebung Wohnungen von Menschen durchsucht, die als Regimegegner gälten. Am Montag berief der belarussischen Diktator Alexandr Lukaschenko die Spitzen von Geheimdienst, Militär und Sicherheitskräften zu einer Sitzung ein. In einem offiziellen Video forderte er von ihnen unter anderem „im Licht von Ereignissen inneren Charakters“ erhöhte Wachsamkeit.
Ein Flugzeug des Typs A-50 ist in den vergangenen Monaten immer wieder in Matschulischtschi gesichtet worden. Laut britischem Verteidigungsministerium hat ein solches Flugzeug, die im NATO-Code Mainstay genannt werden, auch an gemeinsamen Übungen der russischen und belarussischen Luftstreitkräfte in der zweiten Januarhälfte teilgenommen. Der belarussische Dienst von Radio Liberty machte auf eine Satellitenaufnahme des Flughafen Matschulischtschi vom 19. Februar aufmerksam, auf der ein Flugzeug zu sehen ist, auf dessen Rumpf die typische runde Antenne erkennbar ist.
Das Verhältnis zu Gewalt hat sich geändert
Die belarussische Exil-Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja begrüßte die Aktion auf Twitter: „Ich bin stolz auf alle Belarussen, die weiter Widerstand gegen die hybride russische Okkupation leisten und für die Freiheit der Ukraine kämpfen.“ Solche „mutigen Aktionen“ zeigten, dass Belarus sich der „imperialen Aggression“ entgegenstelle. An dieser Reaktion zeigt sich, wie sehr der russische Überfall auf die Ukraine das Verhältnis der belarussischen Opposition zu Russland und ihre Einstellung zu Gewalt verändert hat.
Tichanowskaja hatte im Sommer 2020 beteuert, die Massenproteste gegen die Wahlfälschungen hätten keine geopolitische Komponente und seien nicht gegen Russland gerichtet. Angesichts der aktiven Parteinahme des russischen Regimes für Lukaschenko änderte sich die Einstellung gegenüber Russland zwar langsam. Aber auch nach der gewaltsamen Beendigung der Demonstrationen hielt die Opposition am Prinzip der Gewaltfreiheit fest.
Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine wurde dort eine Freiwilligeneinheit aus belarussischen Exilanten gebildet, die nach Kastus Kalinauski benannt ist, der 1863 den polnischen Aufstand gegen Russland auf dem Gebiet des heutigen Belarus angeführt hat. Sie wird vom Koordinationsrat der Opposition um Tichanowskaja unterstützt. In Belarus gab es in den ersten Monaten der russischen Invasion in der Ukraine Sabotageakte an Bahneinrichtungen, die von den russische Invasionstruppen genutzt wurden, die von Belarus aus die Ukraine angriffen. Einige dieser „Eisenbahnpartisanen“ wurden festgenommen und zu langen Haftstrafen verurteilt.
Auf die Frage der polnischen Zeitung „Rzeczpospolita“, ob er noch an die Möglichkeit eines friedlichen Wandels in Belarus glaube, sagte der BYPOL-Vorsitzend Asarow – der zum Koordinationsrat gehört – nun: „Das ist lächerlich.“ Das wichtigste Ziel es belarussischen Geheimdienstes KGB sei es derzeit, einen militärischen Flügel der Opposition zu verhindern. „Wir hätten gerne einen friedlichen Wandel, aber wir bereiten uns auf das schlimmste vor.“ Lukaschenko habe Belarus an Wladimir Putin verkauft: „Belarus ist von der russischen Armee besetzt.“ Die Belarussen kämpften um ihre Unabhängigkeit: „Der Krieg dauert an.“
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