Warum die Bundespolizei weiter Freiheiten braucht

Wenn man im Netz nach den Stichworten „Racial Profiling“ und „Bundespolizei“ sucht, stößt man auf folgenden Fall: Ein Mann, dunkle Hautfarbe, deutscher Staatsbürger, fährt mit seiner Familie kurz vor Weihnachten mit dem Zug von Berlin nach München. Zwischen Nürnberg und Bamberg betreten Beamte der Bundespolizei das volle Abteil. Sie gehen gezielt auf die Familie zu und fordern sie auf Englisch auf, sich auszuweisen. Als der Mann nach dem Grund fragt, bekommt er keine Antwort. Stattdessen soll er seine Taschen leeren und sein Gepäck öffnen. Er und seine Familie, so heißt es bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die den Fall veröffentlicht hat, seien „die einzigen schwarzen Personen im Zugabteil“.

Fragt man in der migrantischen Community, können viele von ähnlichen Fällen berichten. Ein Pärchen ist einkaufen auf der Frankfurter Zeil, die Frau ist dunkelhäutig, der Mann nicht. Ohne Anlass wird die Frau von Polizisten kontrolliert. Oder ein Jugendlicher, dem man ansieht, dass er eine italienische Mutter hat, wird bei einem Polizeieinsatz wie selbstverständlich für den Täter gehalten. Später stellt sich heraus, dass er mit der Straftat überhaupt nichts zu tun hat. Er war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort.

Polizisten müssen ihrem Bauchgefühl vertrauen

Angesichts solcher Fälle ist nachvollziehbar, dass das neue Bundespolizeigesetz, das die Ampelkoalition in Berlin nun vorgelegt hat, um das Thema Racial Profiling erweitert worden ist. Künftig sollen Personen, die sich zu Unrecht kontrolliert fühlen, einen schriftlichen Beleg einfordern können, der den Grund der Kontrolle angibt.

Ein Fortschritt ist das allerdings nicht unbedingt. Denn schon jetzt sind Kon­trollen nach „äußeren Merkmalen“ verboten. Sosehr jeder einzelne Fall von Diskriminierung erschreckt, darf man nicht vergessen, dass dies auch jetzt schon keineswegs sanktionsfrei bleibt. Die Fälle werden intern verfolgt, nicht zuletzt aufgrund des hohen öffentlichen Drucks.

Es wird deshalb abzuwarten sein, wie sich das neue Gesetz im Alltag bewährt. Jene, die laut danach gerufen haben, die Dokumentation „diskriminierender Kontrollen“ in das Gesetz mit aufzunehmen, müssen sich nun auch daran messen lassen, was es im Zweifel bedeuten kann, wenn Polizisten künftig weniger offensiv ihrer Arbeit nachgehen. Wenn sie nicht mehr ihrem Bauchgefühl folgen und lieber weniger kontrollieren, um sich keinen Ärger einzuhandeln. Aus der Bundespolizei ist schon jetzt zu hören, dass das neue Gesetz Unsicherheiten schürt.

Wie soll man im Bruchteil einer Sekunde entscheiden, ob man den betont langsam laufenden Mann mit dunklem Bart und großer Tasche nun kontrolliert oder nicht? Man kann sich nicht davon frei machen, dass in Zeiten hoher Schleuserkriminalität sowie terroristischer Bedrohung durch islamistische Gewalttäter und auch durch importierte Drogenkriminalität Bundespolizisten etwa im Umfeld von Bahnhöfen mitunter darauf angewiesen sind, auf ihre Erfahrung zu setzen. Würde man ihnen diese abschreiben, käme das einem Vertrauensverlust gleich.

Jeder Beamte kann bestätigen, dass eben auch das gute Polizeiarbeit ausmacht: das Erkennen von Gefahren, bevor eine Straftat sichtbar ist. Dass dabei nicht ausschließlich nach äußeren Merkmalen wie der Hautfarbe geurteilt werden darf, lernt jeder Polizist in seiner Ausbildung. Da sollte die Politik ansetzen. Eine Sensibilisierung im Umgang mit einer pluralen Gesellschaft wäre weitaus nachhaltiger als ein am Ende bürokratisch nur schwer zu bewältigendes Ticketsystem.

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