Die Grundsteuer kommt nicht aus den Negativ-Schlagzeilen: Monatelang nervten die Steuererklärungen, die alle Immobilienbesitzer bis dahin ausfüllen mussten und die damit ihre Mühe hatten. Und seitdem sorgen die Bescheide für Aufregung, die die Finanzämter auf Basis dieser Erklärungen erstellt haben und an die Bürger verschicken. Denn die Immobilien wurden häufig sehr viel höher bewertet als bisher. Das steigert die Angst vor einer deutlich steigenden Grundsteuer.
Viele Bürger reagierten darauf mit einem Einspruch gegen den Bescheid. Und was zögerlich begann, ist zu einer großen Welle geworden. „Die große Mehrheit unserer Mandanten legt mittlerweile Einspruch gegen die Grundsteuer-Bescheide ein“, sagt Heinrich Fleischer, Partner und Steuerberater in der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY. So stapeln sich mittlerweile mehr als drei Millionen Einsprüche bei den Finanzämtern – bei insgesamt mehr als 30 Millionen abgegebenen Grundsteuer-Erklärungen. Die Behörden sind damit zunehmend überfordert. „Wir haben intern Personal umgeschichtet, um die hohe Zahl an Einsprüchen bewältigen zu können“, sagt zum Beispiel Holger Kriebel, stellvertretender Leiter des Finanzamtes Mainz. „Einsprüche, die eine Verfassungswidrigkeit des Grundsteuer-Gesetzes behaupten, haben wir ruhend gestellt.“ Das heißt, sie werden gar nicht mehr bearbeitet, bis ein Gericht dazu entschieden hat – am Ende in ein paar Jahren wohl das Bundesverfassungsgericht. Der Bescheid bleibt vorläufig und wird nicht bindend.
Bis Mitte Mai wurden bereits neun Klagen vor den Finanzgerichten eingereicht. Denn es gibt einige Kritik an den neuen Regeln. Manche Experten bemängeln, es werde teilweise zu viel pauschal berechnet, etwa die Nettokaltmiete und der Bodenwert. Und individuelle Umstände wie Baulasten oder Auflagen des Denkmalschutzes würden nicht berücksichtigt. Die Möglichkeit, mit einem Gutachten einen niedrigeren Wert der Immobilie oder des Grundstücks nachzuweisen, gebe es nur in Baden-Württemberg, lautet auch eine Kritik.
Einsprüche werden nicht bearbeitet
Das Vorgehen von Mainz ist keine Ausnahme. Es ist mittlerweile in Deutschland gängige Praxis. Wenn ein Einspruch die Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer anzweifelt, wird das Verfahren ruhend gestellt, die Steuerzahler darüber aber oft nicht informiert. „Das scheint nach unserer Erkenntnis mittlerweile in den meisten Bundesländern so gehandhabt zu werden“, sagt Steuerberater Fleischer. Einzelne Länder, etwa Brandenburg, haben das sogar schon öffentlich so angekündigt. Unklar ist noch das Verhalten der Finanzämter in Hessen, Hamburg und Niedersachsen, wo noch keine Klagen eingereicht wurden. Auch der Bund der Steuerzahler bestätigt auf Anfrage die Tendenz, dass die Einsprüche zunehmend ruhend gestellt werden. Er unterstützt das und setzt sich für die automatische Vorläufigkeit aller Bescheide ein, damit die meisten Einsprüche nicht mehr nötig sind.
Bearbeitet werden in den Finanzämtern offenbar nur noch Einsprüche, die konkrete Angaben im Bescheid anfechten, etwa die zugrunde gelegten Flächen oder Bodenrichtwerte. Aber auch da dürfte einiges liegen bleiben. Die Finanzämter wollen sich damit auch selbst schützen. Denn jeder abgelehnte Einspruch kann zu weiteren Klagen führen, die dann besonders viel Arbeit machen. Dabei sind die Finanzämter schon jetzt stark überlastet – als Nachwirkung der Corona-Hilfen, der Energiehilfen und der normalen Bearbeitung der Millionen Grundsteuer-Erklärungen. „Wir haben extra für die Bearbeitung der Grundsteuer neues Personal einstellen müssen“, sagt Holger Kriebel vom Finanzamt Mainz.
Antworten