Analyse: Viele Verlierer beim Streit übers Heizungsgesetz

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Stand: 30.06.2023 19:01 Uhr

Vier Monate Streit über das Heizungsgesetz: Die harten Auseinandersetzungen haben allen Ampel-Parteien geschadet. Doch weder Union noch Linke profitieren davon – ganz im Gegensatz zur AfD.

Es ist ein langer und äußerst steiniger Weg, der hinter dem Heizungsgesetz liegt. Und so dürfte die Erleichterung in weiten Teilen der Ampel-Koalition groß gewesen sein, als am Freitagvormittag die sogenannte Formulierungshilfe das Parlament erreichte. Doch der vorausgegangene Streit hat viel Vertrauen zerstört – sowohl unter den Koalitionspartnern als auch in der Bevölkerung.

Dabei hatten sich SPD, Grüne und FDP schon mit Unterschrift des Koalitionsvertrages im September 2021 auf das Vorhaben geeinigt. Ausreichend Zeit für Diskussion und Veränderungen hätte es also gegeben.

Im Eiltempo durchs Parlament

Am Ende wird das Vorhaben aber fast durch den Bundestag gepeitscht. Antreiber ist vor allem Wirtschaftsminister Robert Habeck. Er will eine Abstimmung noch unbedingt vor dem Start der Sommerpause Ende nächster Woche, damit das Gesetz zum 1. Januar in Kraft treten kann. Nicht nur der Vorsitzende des Klima-Ausschusses, Klaus Ernst, hält das für einen schlechten Umgang mit dem Parlament. So bleibt etwa den Sachverständigen in den Ausschüssen jetzt nur noch das Wochenende, damit sie am Montag zu allen Details Stellung nehmen können.

Eine Sondersitzung eine Woche später könnte viel Druck aus dem Verfahren nehmen. Eine Diskussion darüber gibt es aber wohl auch mit Blick auf die Urlaubsplanung der Parlamentarier und weiteren Unmut in den eigenen Reihen nicht. Schließlich fühlten sich einige Ampel-Abgeordnete schon nicht ernst genommen, als das Parlament in erster Lesung nur über auf zwei DIN-A4-Seiten niedergeschriebene „Leitplanken“ und einen Entwurf diskutieren konnte, der da schon längst keinen Bestand mehr hatte.

Dann lieber jetzt Augen zu und durch, scheint die Devise zu sein. Und vielleicht legt sich so die Aufregung ja auch etwas schneller.

Habeck verrennt sich mehrfach

Auf dem Weg zu einem mehrheitsfähigen Gesetz verrannte sich Habeck mehrfach. In der ARD-Talkshow „Anne Will“ gestand er Fehler beim Timing ein. Handwerkliche Fehler am Gesetz schloss er zwar aus. Mit Blick auf die nun vorliegenden Änderungen ist das aber wohl eher als Schutzbehauptung einzuordnen.

So ist nun klar, dass erst eine kommunale Wärmeplanung vorliegen muss, bevor die Regeln des Heizungsgesetzes greifen. Das verhindert Fehlinvestitionen. Ein Ziel, das auch Habeck von Anfang an verfolgt – allerdings nur mit Blick auf Gas- und Ölheizungen und steigende CO2-Preise.

Zudem setzte der Minister mit Blick auf skandinavische Vorbilder vor allem auf Wärmepumpen als Allheilmittel. Das führte zu heftigen Diskussionen bis hin zu Enteignungsvorwürfen. Die damit verbundenen Sorgen ignorierte Habeck aber zu lange, was ihn und den Grünen schadete. Nun gibt es deutlich mehr Optionen, um fürs Haus die passende Heizung zu finden. Und auch die umstrittene Altersgrenze von 80 Jahren ist aus dem Gesetz verschwunden.

Lindner spielt über Bande

Im Streit mit Habeck versucht FDP-Chef Christian Lindner über Bande zu spielen und büßt dabei Autorität in der Partei ein. Zwar hatte er bereits im Kabinett per Protokollnotiz seine Bedenken erklärt und „notwendige Änderungen“ im parlamentarischen Verfahren eingefordert. Dennoch gab auch er dem Vorhaben seinen Segen. Kurze Zeit später kocht die Stimmung auf dem Bundesparteitag der Liberalen über. Lindner überlässt dort anderen die Bühnen. Die kommen vor allem eher aus der zweiten Reihe und könnten das als Blaupause für ein Aufbegehren in vergleichbaren Situationen sehen.

Insgesamt könnte sich die FDP aber als Sieger im Heizungsstreit sehen. Denn das Gesetz ist nun, wie von den Liberalen gefordert, deutlich technologieoffener. Neben auf Wasserstoff umrüstbaren Gasheizungen sind nun selbst Ölheizungen unter bestimmten Umständen weiter erlaubt. Zudem ist die Nutzung von Biomasse auch im Neubau möglich. Doch Politik ist eben anders als Fußball kein Ergebnissport. Die Rolle der FDP als Opposition in der Regierung und die teils auch persönlichen Angriffen auf die Person von Habeck haben der Ampel insgesamt geschadet.

Das verlorene Vertrauen geht aber nicht nur auf Grüne und Liberale zurück. Während beide Seiten wie zwei Züge immer wieder aufeinander zurasten, schienen sich der Kanzler und die SPD lange Zeit auf eine Beobachterrolle fernab der Gleise zurückzuziehen. Umfragen bescheinigten Olaf Scholz fehlende Führung. Politische Beobachter vermuteten dahinter gar politisches Kalkül, um vor allem die Grünen und den zuvor sehr beliebten Habeck zu schwächen.

Verlierer auch aufseiten der Opposition

Auffällig ist, dass von all den Fehlern der Ampel nur eine von drei Oppositionsparteien im Bundestag profitieren konnte. Während sich die AfD von einem zum nächsten Umfragehoch aufschwingt, haben CDU und Linke sogar an Zustimmung verloren. Letztere ist weiterhin vor allem mit sich selbst und der drohenden Spaltung durch die Gründung einer Wagenknecht-Partei beschäftigt.

Die Union hingegen hat sich zwar in der rhetorischen Schärfe der AfD angenähert, scheint dadurch aber eher Vertrauen zu verlieren. Als die Debatte im Frühjahr begann, kam die CDU bei der Sonntagsfrage noch auf 31 Prozent. Aktuell sind es zwei Prozentpunkte weniger.

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