Noch in der Wahlnacht rief Giorgia Meloni ihren spanischen Verbündeten Santiago Abascal an. Der Vorsitzende der rechtspopulistischen Vox-Partei konnte den Trost aus Rom gut gebrauchen. Vox hatte darauf gehofft, demnächst an der Seite der konservativen Volkspartei (PP) unter Alberto Núñez Feijóo die Regierung zu bilden. Wenigstens Königsmacher wollten die Rechtspopulisten in Madrid werden. Jetzt könnten sie in der politischen Bedeutungslosigkeit versinken.
Die Rechtspopulisten büßten 2,7 Prozentpunkte ein und konnten sich knapp als drittstärkste politische Kraft behaupten. Aber Vox wird im neuen Parlament nur noch 33 Abgeordnete stellen, bisher waren es 52. Auch für die PP war die Wahl enttäuschend, obwohl sie sie gewann. Sie legte 47 Abgeordnete zu und überholte die regierende sozialistische PSOE-Partei von Ministerpräsident Pedro Sánchez. Die PP ist stärkste Partei im neuen Parlament. Aber auch zusammen mit Vox reicht es nicht für die absolute Mehrheit. Eine rechte Regierung wird der PP-Vorsitzende Feijóo wohl nicht bilden können.
Das Telefonat zwischen Meloni und Abascal sei „freundlich“ verlaufen, hieß es in beiden Hauptstädten. Am Dienstag äußerte sich Meloni in Rom erstmals öffentlich zu den Wahlen in Spanien. Man habe mit Mandatsverlusten für Vox rechnen müssen, sagte sie und hob hervor, das Wichtigste am Ergebnis der Wahlen vom Sonntag sei der Umstand, „dass die Mitte-rechts-Parteien in Spanien stark zugelegt haben“. Und schließlich: „Ich hoffe, dass in Spanien so bald wie möglich eine Regierung gebildet werden kann. Denn wir sind Freunde, gleichviel, wer das Land führt.“
Meloni ist auch in Europa eine wichtige Figur
Das war klassisch Meloni: Sie scheut sich einerseits kein bisschen, klar rechte Positionen zu vertreten, und kämpft entschlossen für ein starkes Lager der geeinten Rechten, zeigt sich andererseits in der politischen Praxis pragmatisch. Im spanischen Wahlkampf hatte sich Meloni mit Eifer für Vox und Abascal eingesetzt. Bei einer Wahlkampfveranstaltung am Strand von Valencia wurde sie auf einem Großbildschirm neben Abascal zugeschaltet. Im vergangenen Jahr war sie zum Vox-Regionalwahlkampf nach Andalusien gereist.
Live und in fließendem Spanisch rief sie in Valencia die „Stunde der Patrioten“ in Spanien aus. Sie forderte die Wähler dazu auf, auch in Spanien den „ultra-ökologischen Fanatismus“ der Linken zu stoppen, der „unser produktives Wirtschaftsmodell“ untergrabe. Ihre eigene Koalition in Rom sowie die Regierungen in anderen EU-Staaten – von Schweden über Finnland bis Tschechien – seien der Beweis dafür, „dass wir Patrioten regieren und den Wohlstand unserer Bürger mehren können“. Auch aus Ungarn und Polen erhielt Vox per Videoschalte Unterstützung im Wahlkampf.
Meloni führt seit Oktober in Rom eine Koalition ihrer rechtskonservativen Partei Brüder Italiens mit der rechtsnationalen Lega von Verkehrsminister Matteo Salvini und der christdemokratischen Forza Italia, die nach dem Tod ihres Gründervaters Silvio Berlusconi am 12. Juni nun von Außenminister Antonio Tajani geführt wird. Meloni ist zudem seit 2020 Vorsitzende der Parteienfamilie Europäische Konservative und Reformer (EKR), zu der neben Melonis Brüder Italiens und Vox aus Spanien die polnische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) sowie die Demokratische Bürgerpartei (ODS) des tschechischen Ministerpräsidenten Petr Fiala gehören.
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