In einer einstigen Waffenfabrik berieten die EU-Außenminister am Donnerstag über ihre weitere Unterstützung der Ukraine. Die spanische Ratspräsidentschaft hatte als Gastgeberin des informellen Treffens den Ort mit Bedacht gewählt. In den Industriegebäuden, am Fuße der Festungsanlage von Toledo, waren seit 1761 Schwerter hergestellt worden, später auch Patronen für Gewehre und Artilleriegeschütze. 1996 wurde die Fabrik geschlossen, das Gelände verkauft. Heute residiert dort die Universität von Kastilien-La Mancha mit ihren technischen Studiengängen.
„Das ist doch eine großartige Metapher für das, was wir mit unserer Unterstützung der Ukraine erreichen wollen“, sagte der amtierende spanische Außenminister José Manuel Albares zur Begrüßung, nämlich: Frieden und Wohlstand. Beim ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba, der persönlich an dem Treffen teilnahm, weckte der Ort freilich andere Erwartungen. „Wo sonst könnte ich um mehr Waffen bitten als in einer Waffenfabrik?“, entgegnete er.
Da war jene Ungleichzeitigkeit zu spüren, in der die Sitzung stattfand: Kuleba kam aus dem Krieg, die meisten Minister kamen aus den Sommerferien. Daran lässt sich nichts ändern, aber es hat auch eine politische Dimension. In den vergangenen Wochen wurden, vor allem von amerikanischen Medien mit Quellen in der Regierung, Berichte darüber verbreitet, wie langsam die ukrainische Gegenoffensive vorankomme.
„An der Seite der Ukraine bis zum ukrainischen Sieg“
Von taktischen Schwächen war darin die Rede, von einer fehlenden Konzentration der Kräfte für einen Vorstoß. In den vergangenen Tagen beruhigte sich das zwar etwas, nachdem es den Ukrainern gelang, einen hart umkämpften Ort im Süden einzunehmen. Und doch erinnerte die Kritik Kiew daran, dass die Geduld ihrer Partner im Westen endlich ist, auch wenn sie noch so oft sagen, dass ihre Unterstützung der Ukraine „so lange wie nötig“ währen werde.
Der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis war der Einzige, der das offen thematisierte. „Ich spüre, dass es eine Ermüdung gibt, dass einige Länder erschöpft sind“, sagte er, und das sei ja auch verständlich. Deshalb sei politische Führung nun besonders gefragt. Für den eloquenten Minister beginnt das mit der Rhetorik. Unterstützung so lange wie nötig, dieses Versprechen reiche nicht mehr aus. „Wir müssen es klar sagen: Wir werden an der Seite der Ukraine stehen bis zum ukrainischen Sieg“, sagte er. Wenn man das nicht aussprechen könne, dann nur, weil man andere Optionen im Kopf habe, nämlich „Putins Sieg“.
Einen ukrainischen Sieg definierte der Litauer pragmatisch als erfolgreichen Durchbruch der Streitkräfte im Süden bis zum Asowschen Meer. Dafür solle man dem Land liefern, worum es bitte, vor allem mehr Panzer und Raketen mit größerer Reichweite. „Wir sollten aufhören, uns über das zu beklagen, was sie auf dem Schlachtfeld erreichen, und uns zu dem verpflichten, was nötig ist“, sagte Landsbergis.
Borrell will Einigung zur Waffenhilfe vor Jahresende
Josep Borrell, der EU-Außenbeauftragte, denkt ähnlich. Er kann es aber nicht so offen aussprechen. Auch ihn treibt die Sorge vor einer Ermüdung der Öffentlichkeit um. Auch er registriert, wie der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf seine Schatten vorauswirft. Deshalb hatte Borrell schon vor der Sommerpause einen weitreichenden Vorschlag gemacht, um die Unterstützung der Ukraine mit Waffen zu verstetigen und langfristig zu sichern. Um 20 Milliarden Euro soll die sogenannte Europäische Friedensfazilität aufgestockt werden, aus der die Mitgliedstaaten ihre Lieferungen an die Ukraine zum Teil erstattet bekommen. Fünf Milliarden pro Jahr von 2024 bis 2027, das entspräche in etwa der bisherigen Hilfe. Aber es müsste nicht mehr alle paar Monate um frisches Geld gerungen werden, weil der Topf leer ist. Außerdem würde es auch nach einem Ende der Kämpfe noch fließen, womit die EU ihr bisher abstraktes Versprechen von Sicherheitszusagen für Kiew konkretisieren würde.
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