Haushaltskrise der Ampel: Schrumpft Deutschland auch im nächsten Jahr?

Das Milliardenloch im Bundeshaushalt wird das Wachstum im kommenden Jahr stark belasten und könnte zu einem weiteren Rezessionsjahr in Deutschland führen. Das zeigen erste Berechnungen von Ökonomen zu den potentiellen Folgen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom November.

Die Deutsche Bank etwa erwartet einen negativen Wachstumsimpuls von rund 0,5 Prozentpunkten und prognostiziert Deutschland nun eine Schrumpfung der Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent im kommenden Jahr. Schon in diesem Jahr wird die Wirtschaftsleistung nach allgemeiner Einschätzung schrumpfen.

Die Deutsche Bank unterstellt in ihrer Prognose ein Haushaltsloch für 2024 von etwa 50 Milliarden Euro, das etwa zur Hälfte mit einem neuen kreditfinanzierten Transformationsfonds gestopft werde. Müsste die Regierung allein auf Ausgabenkürzungen und höhere Steuereinnahmen zurückgreifen, gingen rund 1 Prozent der Wirtschaftsleistung verloren, heißt es.

Prognosen sind noch unsicherer

Ähnlich hoch schätzen die Ökonomen des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (VFA) die Wachstumsverluste und kürzen in einer Simulation das Wirtschaftswachstum 2024 von 1,2 auf 0,3 Prozent. Unterstellt ist dabei, dass die im Klima- und Transformationsfonds und im Wirtschaftsstabilisierungsfonds geplanten Maßnahmen weitgehend entfallen. Besonders betroffen wären nach dieser Analyse die Anlageinvestitionen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat die negativen Wachstumswirkungen des Karlsruher Urteils, als Folge dessen mindestens 60 Milliarden Euro fehlen, vorläufig mit minus 0,5 Prozentpunkten beziffert. Bliebe es dabei, dürfte die Wachstumsprojektion seines Ministeriums für 2024 von 1,3 auf 0,8 Prozent sinken.

Habecks Schätzung eines negativen Impulses von 0,5 Prozentpunkten sei gar nicht so schlecht, sagte Geraldine Dany-Knedlik, die Ko-Konjunkturchefin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW). Der Effekt könne auch noch darunter liegen. Das DIW hatte zuletzt mit einem Wachstum von 1,2 Prozent für 2024 gerechnet. „Diese Prognose wird deutlich gesenkt werden“, sagte Dany-Knedlik. Eine abermals tiefe Rezession aber sei nicht zu erwarten.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) prognostizierte am Dienstag für Deutschland Wachstumsraten von 0,6 und 1,2 Prozent für die kommenden zwei Jahre. Die OECD mahnte, die Budgetkrise schnell zu lösen, um Unternehmen und Verbrauchern Planungssicherheit zu geben. Falls mehr fiskalische Straffung notwendig sei, werde dies das Wachstum zusätzlich drücken.

Ein genaue Analyse der Wachstumsfolgen des Karlsruher Urteils ist derzeit nicht möglich, weil die Bundesregierung selbst noch nicht weiß, ob und wie sie das Milliardenloch füllen soll. Alle derzeit genannten Prognosen sind deshalb noch unsicherer als zuvor. Klar ist nur, dass nicht nur ein gesamtwirtschaftlicher Nachfrageausfall, sondern auch eine erhöhte Verunsicherung von Unternehmen und Verbrauchern das Wachstum belasten wird. „Es besteht ein substanzielles Konjunkturrisiko“, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank, die ein mageres Wachstum von 0,1 Prozent für möglich hält.

Gelassener sieht Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, die Lage. Er erwartet, dass die Regierung mit einigen Kniffen die notwendige fiskalische Anpassung auf weniger als 20 Milliarden Euro drücken könne. So könnte für Investitionen das Eigenkapital der Deutschen Bahn erhöht werden, was nicht gegen die Schuldengrenze verstieße. Für die Wirtschaftsleistung wäre das nur ein „moderater Schlag“, sagt Schmieding. Er hält an seiner Prognose eines Wachstums von 0,6 Prozent im kommenden Jahr fest, weil die Regierung unter großem Druck stehe, nun Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Als Nebeneffekt des Karlsruher Urteils könnten so die privaten Investitionen stärker zulegen. Auch würden die gesunkenen Energiepreise negativen fiskalischen Wachstumswirkungen entgegenwirken.

Entscheidend für diese gelassenere Einschätzung sei aber, dass die Bundesregierung schnell für Sicherheit sorge. Sollte die Deckungslücke beispielsweise 40 Milliarden Euro betragen und die fiskalpolitische Verunsicherung von Investoren sich bis Ostern hinziehen, dann kann auch Schmieding sich ein zweites Rezessionsjahr nach 2023 vorstellen.

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