Marktbericht: Die Zuversicht steigt an der Börse

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Stand: 30.11.2023 18:17 Uhr

Sinkende Inflationsdaten haben die Anleger heute zum Aktienkauf motiviert. Der DAX legte erneut zu. Die Anleger setzen auf einen baldigen Zinsabstieg und sind bereit, mehr Risiken einzugehen.

Der Aktienmarkt bekam auch heute wieder Rückenwind von sinkenden Inflationsraten und bleibt damit auf hohem Niveau. Nachdem bereits gestern eine sinkende Rate in Deutschland bekannt wurde, ging es nun auch in der ganzen Eurozone mit der Inflation bergab. Die Anleger wittern bei dieser Entwicklung Morgenluft, scheinen doch Zinssenkungen durch die EZB in Anbetracht der stetig fallenden Raten immer konkreter zu werden.

Bereits gestern hatten Hoffnungen auf baldige Zinssenkungen den DAX auf den höchsten Stand seit Anfang August getrieben. Der Leitindex passierte erstmals seit fast vier Monaten die Marke von 16.200 Punkten, schloss aber noch etwas tiefer mit einem Aufschlag von 1,1 Prozent bei 16.166 Zählern.

Der DAX gewann heute weitere 0,3 Prozent auf 16.215 Punkte hinzu, das Tageshoch lag bei 16.262 Zählern. Damit hat er im November mit 9,5 Prozent mehr gewonnen als in allen anderen Monaten des laufenden Jahres. Gebremst wurde der Anstieg am Nachmittag etwas von der uneinheitlichen Wall-Street-Tendenz. Trotzdem rückt das Allzeithoch im Leitindex bei 16.529 Punkten nun immer näher.

„Es ist davon auszugehen, dass die Inflationsrate zur Jahresmitte 2024 auf oder zumindest in der Nähe des EZB-Ziels von zwei Prozent liegen wird – auch im Bereich der Kernteuerung“, meint der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. „Damit eröffnet sich für die EZB erheblicher Zinssenkungsspielraum.“

Aber obwohl die fallenden Inflationsraten in die richtige Richtung weisen, heißt das nicht, dass sich die Notenbanken zurücklehnen könne. Im Gegenteil, denn das absolute Niveau bleibt zunächst weiter über den anvisierten zwei Prozent, sowohl in Europa als auch in den USA.

„Dass die Inflation so deutlich nach unten überrascht hat, liegt vor allem an der rückläufigen Teuerungsrate bei Dienstleistungen“, merkte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer an. Aber dieser Abwärtstrend werde sich auf Dauer nicht fortsetzen, weil sich der Lohnanstieg im Euroraum massiv beschleunigt habe. „Es ist verfrüht, einen Sieg über die Inflation zu verkünden.“

„Kontinuierlich sinkende Zahlen auf beiden Seiten des Atlantiks wecken zumindest die Hoffnung, dass die Notenbanken mit ihren Straffungsmaßnahmen Erfolg haben, ohne die Konjunktur zu stark zu bremsen. Ob das Idealszenario einer sanften Landung der Wirtschaft realistisch bleibt, werden allerdings erst die kommenden Monate zeigen“, schreiben die Marktbeobachter.

Fundamentale Unterstützung erhielt der Aktienmarkt heute auch vom deutschen Einzelhandel: Der Umsatz hat nach mehreren Monaten im Minus im Oktober wieder zugelegt. Im Vergleich zu September machten die Einzelhändler preisbereinigt 1,1 Prozent mehr Umsatz, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Wirtschaftsexperte Sebastian Dullien sprach von einer guten Nachricht, die „aber noch nicht als Trendwende interpretiert werden“ sollte.

Unter den Einzelwerten hierzulande standen die Aktien der Fresenius-Familie im Fokus. Der Bad Homburger Gesundheitskonzern und der Dialyseanbieter Fresenius Medical Care (FMC) gehen getrennte Wege: Der DAX-Konzern hat die Dekonsolidierung des Blutwäschespezialisten abgeschlossen. Fresenius hatte die Entflechtung von der bisherigen Tochter im Frühjahr angestoßen, nachdem diese mehrmals mit Gewinnrückgängen auch die Mutter in Mitleidenschaft gezogen hatte.

Unter der alten Rechtsform der Kommanditgesellschaft auf Aktien war der Beitrag von FMC bisher komplett in die Fresenius-Bilanz eingeflossen. Mit der Dekonsolidierung wird Fresenius den Blutwäschespezialisten nun entsprechend seines unveränderten Anteils von 32 Prozent nur noch im Finanzergebnis berücksichtigen. Fresenius bleibt größter Aktionär bei FMC.

Die US-Börsen finden bisher keine gemeinsame Richtung. Wie schon zur Eröffnung, geht es nur mit dem Leitindex Dow Jones stärker bergauf. Zuletzt lag das Plus bei rund 0,9 Prozent. Der Dow-Jones-Index steigt damit auf den höchsten Stand seit knapp zwei Jahren und legte legt in der Spitze 0,9 Prozent auf 35.776 Punkte zu. Zuletzt lag das Börsenbarometer Mitte Februar 2022 so hoch. Die Technologiebörse Nasdaq und der S&P-500-Index haben hingegen ihre Verluste ausgeweitet. An der Nasdaq geht es um 0,8 Prozent deutlicher bergab.

Hauptthema an der Street sind derzeit ebenfalls die weiteren Zinsaussichten. Die US-Verbraucherpreise waren im Oktober mit 3,2 Prozent nicht mehr so stark gestiegen wie im September mit damals 3,7 Prozent. Die Notenbank beließ den Leitzins zuletzt in der Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent und dürfte nach Einschätzung vieler Experten im Dezember erneut pausieren.

Über den weiteren Kurs scheinen sich die Notenbanker jedoch uneins zu sein. So hatte US-Währungshüter Christopher Waller in dieser Woche mit Spekulationen über Zinssenkungen in einigen Monaten eine Debatte entfacht, andere Fed-Mitgliedern äußerten sich aber deutlich vorsichtiger.

US-Währungshüterin Mary Daly sieht derzeit keinen Bedarf für eine Diskussion über eine Lockerung der Geldpolitik. „Ich denke im Moment überhaupt nicht über Zinssenkungen nach“, sagte die Präsidentin des US-Notenbankbezirks San Francisco der „Börsen-Zeitung“ in einem heute veröffentlichten Interview. Sie fügte hinzu: „Ich denke darüber nach, ob wir genug Straffung im System haben und ausreichend restriktiv sind, um die Preisstabilität wiederherzustellen.“ Jüngste Inflationsdaten seien zwar „ermutigend“ gewesen. Die Teuerung sei aber noch nicht unbedingt besiegt.

Unter den heutigen Konjunkturdaten zeigen die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe weiter ein sehr robustes Bild vom Arbeitsmarkt. In der vorigen Woche stellten 218.000 Amerikaner einen Antrag auf staatliche Stütze, wie das US-Arbeitsministerium heute mitteilte. Experten hatten mit 220.000 gerechnet, nach aufwärts revidiert 211.000 in der vorangegangenen Woche. Damit ist die kritische Marke von 270.000 noch weit entfernt, mit der sich eine negative Trendwende am Arbeitsmarkt abzeichnet. Aktuelle Daten vom Hausmarkt fielen derweil etwas schwächer aus.

Gute Nachrichten kamen auch von der Preisseite. Denn der PCE-Kernindex, ein Inflationsmaß, das die US-Währungshüter besonders im Auge halten, fiel im Oktober auf eine Jahresteuerungsrate von 3,5 Prozent, nach 3,7 Prozent im September. Dabei werden die schwankungsanfälligen Nahrungsmittel- und Energiekosten ausgeklammert. Experten hatten exakt diesen Rückgang erwartet. Der Markt reagiert daher kaum auf die Zahlen.

Die Gemeinschaftswährung, die gestern in der Spitze über 1,10 Dollar gekostet hatte, wird aktuell bei 1,0907 gut einen US-Cent tiefer gehandelt. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0931 (Mittwoch: 1,0985) Dollar fest.

Belastet wurde der Euro von den Inflationsdaten aus der Eurozone. Damit kommt das mittelfristige Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent zumindest wieder in Reichweite, wodurch Zinssenkungsfantasie für den Euroraum entsteht. Fachleute rechnen allerdings überwiegend mit einem längeren Weg, bis das EZB-Ziel wieder nachhaltig erreicht wird. Bundesbankpräsident Joachim Nagel spricht regelmäßig von einer schwierigen „letzten Meile“.

Das Wechselspiel zwischen Euro und Dollar wird derzeit primär durch die Zinserwartungen der Marktteilnehmer bestimmt. Da diese Erwartungshaltung zuletzt in den USA stärker ausgeprägt war, litt der Dollar. Mit den heutigen Inflationszahlen aus der Eurozone baut sich dieser Trend nunmehr ab und der Euro gibt wieder nach.

Nach Beendigung des Treffens der OPEC+, drehen die Ölpreise deutlich ins Minus. Brent verbilligt sich um 2,8 Prozent auf 80,29 Dollar je Fass, das US-Leichtöl WTI fällt um 3,1 Prozent auf 75,26 Dollar.

Die Ölproduzenten haben sich nach Angaben von Delegierten auf Förderkürzungen von nahezu zwei Millionen Barrel pro Tag (bpd) für Anfang nächsten Jahres geeinigt, angeführt von Saudi-Arabien, das seine derzeitige freiwillige Kürzung fortsetze. Mögliche zusätzliche Drosselungen für das erste Quartal erfolgten auf freiwilliger Basis, jedes Förderland werde seine eigenen Entscheidungen dazu selbst mitteilen, hieß es aus dem Umfeld des Treffens.

Der Verbund hält sein Angebot schon seit einiger Zeit knapp, was allerdings vor allem auf Produktionskürzungen durch den Ölriesen Saudi-Arabien zurückgeht. Am Ölmarkt wurde bereits in den vergangenen Tagen spekuliert, dass bestehende Förderkürzungen möglicherweise ins kommende Jahr ausgeweitet werden. Wichtige OPEC-Länder aus Afrika halten sich allerdings mit Kürzungen weitgehend zurück, was im Verbund für Diskussionen sorgt.

Der Industriekonzern Thyssenkrupp hat einen Nachfolger für seinen scheidenden Finanzvorstand Klaus Keysberg gefunden. Der Aufsichtsrat habe Jens Schulte zum neuen Finanzchef bestellt, teilte das Unternehmen mit. Schulte hat das Amt zurzeit bei der Schott AG inne. Der Wechsel soll voraussichtlich in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres erfolgen, hieß es. Keysberg hatte bereits im September angekündigt, seinen Vertrag nicht verlängern zu wollen. Zudem erweitert Thyssenkrupp seinen bislang aus drei Mitgliedern bestehenden Vorstand.

Volkmar Dinstuhl, zuletzt Chef des inzwischen aufgelösten Segments Multi Tracks und zuständig für Zu- und Verkaufsprojekte, werde ebenso zum 1. Januar in den Vorstand berufen wie Ilse Henne. Die Managerin ist derzeit im Vorstand der Handelssparte. Alle neuen Verträge liefen über drei Jahre.

Die Arbeitnehmervertreter kritisierten die Erweiterung des Vorstands scharf. Zum ersten Mal in der Geschichte des Unternehmens seien Vorstände trotz der geschlossenen Ablehnung der Arbeitnehmerseite bestellt worden, hieß es in einer Mitteilung der IG Metall.

Der Wafer-Hersteller Siltronic erwartet in den kommenden Jahren infolge der zunehmenden Bedeutung von Künstlicher Intelligenz (KI), Digitalisierung und Elektromobilität rasantes Wachstum. Bis 2028 solle der Umsatz auf über 2,2 Milliarden Euro und die operative Umsatzrendite (Ebitda-Marge) auf einen hohen 30-Prozent-Wert steigen. Dies entspreche ausgehend von den Zielen für 2023 ein Umsatzplus von mehr als 40 Prozent.

Der IT-Dienstleister Bechtle verschafft sich durch eine Wandelanleihe frische finanzielle Mittel. Es sollen unbesicherte und nicht nachrangige Wandelschuldverschreibungen im Gesamtnennbetrag von bis zu 300 Millionen Euro angeboten werden, teilte das Unternehmen am Abend nach Börsenschluss mit.

Bechtle plant dafür eine Verzinsung von 1,75 bis 2,25 Prozent. Die Laufzeit der Anleihe wurde mit sieben Jahren angegeben. Das Geld will Bechtle unter anderem für Zukäufe im In- und Ausland nutzen. Dabei soll der anfängliche Wandlungspreis mit einem Aufschlag von 30 bis zu 35 Prozent über dem Referenzkurs festgelegt werden. Dieser soll anhand einer durchgeführten Platzierung existierender Aktien festgestellt werden. Das Angebot richtet sich ausschließlich an institutionelle Investoren außerhalb der Vereinigten Staaten im Wege eines beschleunigten Verfahrens. Die Bezugsrechte der bestehenden Anteilseigner des Unternehmens werden ausgeschlossen.

Die beiden Branchengrößen Cigna und Humana befänden sich in Verhandlungen über einen Zusammenschluss, berichtete das „Wall Street Journal“. Ein Zusammenschluss hätte eine gewaltige Dimension und würde die beiden in die obere Liga der integrierten Gesundheitsdienstleister katapultieren. Cigna kommt derzeit auf eine Marktkapitalisierung von rund 83 Milliarden US-Dollar, Humana auf gut 62 Milliarden Dollar.

Der SAP-Rivale Salesforce hat im vergangenen Quartal die Markterwartungen übertroffen. Der Umsatz des Spezialisten für Unternehmenssoftware aus der Cloud stieg im Jahresvergleich um elf Prozent auf 8,72 Milliarden Dollar. Unter dem Strich sprang der Gewinn von 210 Millionen Dollar vor einem Jahr auf 1,22 Milliarden Dollar hoch. Salesforce ist spezialisiert auf Software zum Kundenmanagement und bietet unter anderem auch den übernommenen Büro-Kommunikationsdienst Slack an. An der Börse in New York legt die Aktie deutlich über sechs Prozent zu und steht an der Spitze des Leitindex Dow Jones.

Die Lufthansa will ihre Wartungstochter Lufthansa Technik mit einem Wachstumsprogramm stärken und doch keinen Minderheitseigner an Bord nehmen. Lufthansa Technik lege das Programm „Ambition 2030“ angesichts der neuen Perspektiven mit dauerhaft höherer Nachfrage nach Triebwerkswartung auf. Das Programm könne aus eigener Kraft umgesetzt werden. „Pläne, einen weiteren Gesellschafter an Lufthansa Technik zu beteiligen, werden deswegen nicht weiter verfolgt.“

Nach monatelangen Vorgesprächen hat die Lufthansa zudem den geplanten Einstieg bei der italienischen Staatsairline ITA Airways zur Genehmigung bei der EU-Kommission angemeldet. Die Lufthansa habe den Antrag für den Erwerb einer kontrollierenden Minderheitsbeteiligung an ITA eingereicht, erklärte heute ein Lufthansa-Sprecher auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters. Die Lufthansa hatte sich mit dem italienischen Wirtschafts- und Finanzministerium auf den Kauf von 41 Prozent an ITA für 325 Millionen Euro geeinigt. Es folgte ein monatelanger Austausch mit der EU-Wettbewerbshüterin, die dem Zusammenschluss zustimmen muss. Die Lufthansa erklärte, sie rechne mit der Freigabe frühestens Ende Januar.

Der Softwareriese Microsoft erhält einen Sitz im Verwaltungsrat des ChatGPT-Entwicklers OpenAI – allerdings ohne Stimmrecht. Drei Mitglieder des Verwaltungsrats stehen bereits fest. Es sind der Silicon-Valley-Veteran Bret Taylor als Vorsitzender, der frühere US-Finanzminister Larry Summers und der Chef der Frage-und-Antwort-Website Quora, Adam D’Angelo.

Microsoft und OpenAI sind eng verbunden: Der Softwaregigant war 2019 mit einer Investition von zunächst einer Milliarde Dollar (910 Millionen Euro) in das 2015 gegründete Startup-Unternehmen eingestiegen. Inzwischen sind die Investitionszusagen Medienberichten zufolge auf rund 13 Milliarden Dollar angewachsen. Microsoft hat ChatGPT schon in seine Produkte integriert, etwa in die Suchmaschine Bing.

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