Ukraine-Krieg – Stimmen und Entwicklungen – Fokus auf Verteidigung? Selenskyj will Befestigungen an gesamter Front ausbauen

Fokus auf Verteidigung? Selenskyj will Befestigungen an gesamter Front ausbauen

21.28 Uhr: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den forcierten Bau von Schutzräumen und Festungsanlagen entlang aller Frontabschnitte angekündigt. „Die Priorität ist offensichtlich“, sagte er am Donnerstagabend in seiner täglichen Videoansprache. Mit dem Verteidigungsminister und führenden Militärs sei über den Bau solcher Anlagen diskutiert worden. Zuletzt hatte eine Reihe von Beobachtern die ukrainische Gegenoffensive für gescheitert erklärt. Die Betonung des Festungsbaus ist ein Indiz dafür, dass die Führung in Kiew sich nun auf die Verteidigung konzentriert.

Neben den umkämpften Gebieten an der Front forderte Selenskyj auch mehr Sicherheit an Schulen. Dort müssten Schutzräume gebaut werden. Er berichtete in dem Zusammenhang vom Besuch in einer Schule in der ostukrainischen Millionenstadt Charkiw, die in den Räumlichkeiten der U-Bahn untergebracht sei. Selenskyj sprach von einem gelungenen Projekt, weil die U-Bahn sicher sei vor russischen Angriffen.

Seit Beginn seines Angriffskriegs attackiert Russland auch immer wieder mit Drohnen, Marschflugkörpern und Raketen zivile Ziele im Hinterland der Ukraine. Vor allem Objekte der Energieversorgung sind im Visier, um den Ukrainern in der kalten Jahreszeit die Strom-, Wasser- und Wärmeversorgung zu nehmen und sie kriegsmüde zu machen.

Selenskyj besucht ukrainische Frontregion Charkiw

Donnerstag, 30. November, 13.16 Uhr: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Front in der nordostukrainischen Region Charkiw besucht. „Es ist eine Ehre, die Soldaten zu besuchen und auszuzeichnen“, erklärte Selenskyj am Donnerstag in Online-Diensten. An die Soldaten gewandt schrieb er: „Ich wünsche Euch den Sieg, seid stark und verliert nicht die Initiative.“

In einem von Selenskyj veröffentlichten Video ist er zu sehen, wie er Soldaten auszeichnet. Die Kämpfer an dem von ihm besuchten Kommandoposten in der Nähe von Kupjansk würden das „friedliche Leben der Ukrainer“ und die Menschen der Region Charkiw beschützen, erklärte der ukrainische Präsident.

Estland bereit zur Schließung der Grenze zu Russland

21.32 Uhr: Einen Tag, nachdem Finnland seinen letzten offenen Grenzübergang zu Russland geschlossen hat, hat sich auch Estland zu einer Schließung bereiterklärt. Estland sei „bereit, seine Grenze zu Russland zu schließen und sich gegen jeden hybriden Angriff zu verteidigen“, sagte der estnische Außenminister Margus Tsahkna am Mittwoch. Die Situation an der finnisch-russischen Grenze, an die zuletzt vermehrt Migranten gelangt waren, sei ein „offensichtlicher hybrider Angriff Russlands“.

Dieses Vorgehen Russlands belege, dass das Land eine Gefahr „nicht nur für die Ukraine, sondern auch für andere Staaten“ darstelle. Die ehemalige Sowjetrepublik Estland ist Mitglied von EU und Nato – und einer der engsten Verbündeten der von Russland angegriffenen Ukraine.

Finnland hatte am Dienstag angekündigt, seinen letzten noch geöffneten Grenzübergang zu Russland zu schließen. Die Regierung in Helsinki reagiert damit auf eine zunehmende Zahl von Migranten, die in den vergangenen Monaten aus Russland nach Finnland gekommen sind. Helsinki wirft Moskau vor, mit der Schleusung von Menschen Finnland destabilisieren zu wollen. Russland und Finnland teilen eine rund 1300 Kilometer lange Landgrenze.

Selenskyj besucht kriegs- und sturmgeplagte Regionen der Südukraine

20.41 Uhr: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach eigenen Angaben die schwer von Krieg und dem jüngsten Unwetter getroffenen Regionen Odessa, Mykolajiw und Cherson im Süden des Landes besucht. Bei dem Treffen seien viele Fragen, vor allem zur Sicherheit des Landes und der Bevölkerung besprochen worden, sagte Selenskyj am Mittwoch in seiner täglichen Videobotschaft. So sei es in Odessa um die Stärkung der Luftabwehr und die Sicherung des von Kiew eingerichteten Korridors zur Ausfuhr von Getreide über das Schwarze Meer gegangen. Die Hafenstadt ist seit Monaten ein Ziel russischer Drohnen- und Raketenangriffe.

Zugleich habe er sich aber auch mit Vertretern der Stadt und Region über die Lösung der durch das jüngste Unwetter verstärkten Energieprobleme beraten. Dort war durch den Schneesturm unter anderem ein Heizkraftwerk beschädigt worden.

Während es im benachbarten Mykolajiw um den Wiederaufbau der Stadt ging, an dem sich Selenskyjs Angaben nach Dänemark sehr stark beteiligt, sei es bei seiner Reise ins frontnahe Cherson vor allem um Fragen der Sicherheit für die Zivilbevölkerung und der Unterstützung für das Militär gegangen, die im Dnipro-Delta gegen die russischen Besatzungstruppen in der Region kämpft.

Militärexperte: In drei Monaten kommt für Russland „der große Moment der Wahrheit“

14.55 Uhr: Die Fronten im Ukraine-Krieg sind seit Wochen verhärtet, Militärexperten und Geheimdienste sehen derzeit eine Art militärischen Patt. Der Militärexperte Marcus Keupp hat in einem Interview nun aber betont, dass das nicht bedeute, dass die Ukraine keine Erfolge mehr verzeichne.

„Nach wie vor zwingt die Ukraine die russische Armee in eine sehr starke Abnutzung. Die können sie im Moment noch durchhalten“, sagte Keupp gegenüber „Bayern 2“. Sehr lange könne das aber nicht mehr gelingen, glaubt Keupp – und nennt einen konkreten Zeitrahmen. Bei der „derzeitigen Abnutzungsrate“, so der Militärökonom, sei die „einsatzfähige Reserve“ in rund drei Monaten aufgebraucht. Und dann? „Dann kommt für die russische Armee der große Moment der Wahrheit.“

Heißt: Die Russen setzen derzeit massiv auf ihre Reserve. Wenn diese aufgebraucht ist, kann es an der Front an verschiedenen Stellen zu Truppenmangel kommen. Das könnte für die Ukraine ein großer Vorteil sein. Spätestens im Frühjahr wird sich zudem die derzeit schwierige Wetterlage mit matschigem oder eingefrorenem Boden wieder regulieren. Wenn Russland dann die personelle Stärke an der Front nicht mehr gewährleisten kann, ist das ebenfalls ein strategischer Vorteil für die Ukraine.

In dem Interview geht Keupp auch auf den aus seiner Sicht größten Erfolg der Gegenoffensive ein. „Dass die Ukraine den Schwarzmeer-Korridor für die Getreideexporte wieder befreit hat und die russische Schwarzmeerflotte doch ziemlich stark an ihren Platz verwiesen hat“, sei eine Errungenschaft, deren Bedeutung nicht zu unterschätzen sei.

Keupp gesteht aber auch: „Natürlich hat man sich in der Ukraine mehr erhofft von der Gegenoffensive. Durch zögerliche Waffenlieferungen des Westens sei es den Russen allerdings überhaupt erst gelungen, sich “im Gelände einzugraben“.

Surftipp: Russlands Angriffskrieg – Wie schlecht es um die Ukraine steht und was der Westen endlich tun sollte

Ukraine und Russland melden Drohnenabschüsse

09.49 Uhr: Die Ukraine hat in ihrem Kampf gegen den russischen Angriffskrieg nach eigenen Angaben erneut zahlreiche Drohnenattacken abgewehrt. Die Flugabwehr habe 21 von 21 Drohnen in der Nacht zum Mittwoch abgeschossen, teilten die Luftstreitkräfte in Kiew mit. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau griff Kiew selbst auch russische Regionen mit Drohnen an. So habe die Flugabwehr im Gebiet Moskau eine Drohne beim Anflug auf die russische Hauptstadt vernichtet. Im russischen Gebiet Belgorod an der Grenze zur Ukraine seien zwei Kämpfer der örtlichen Selbstverteidigung verletzt worden bei einem Drohnenangriff, teilten die Behörden mit.

Überprüfbar waren die Angaben zunächst nicht. Die ukrainischen Angriffe als Teil der Verteidigung gegen den russischen Krieg sind meist weniger folgenreich als Moskaus massive Attacken gegen das Nachbarland. Russland informierte selbst auch über Raketenbeschuss von einem Kriegsschiff seiner Schwarzmeerflotte auf ukrainische Militärstellungen.

Die ukrainischen Luftstreitkräfte teilten mit, dass die Flugabwehr in der Nacht zum Mittwoch auch zwei von drei Raketen aus Russland abgeschossen habe. Zu Schäden gab es zunächst keine Angaben. 

Putin nach fast zwei Jahren Krieg: „Wir sind stärker geworden“

Mittwoch, 29. November, 00.10 Uhr: Kremlchef Wladimir Putin sieht Russland nach fast zwei Jahren seines Angriffskrieges gegen die Ukraine nach eigenen Worten wieder als „Großmacht“ auf der Weltbühne. „Wir sind stärker geworden“, sagte Putin am Dienstag in einer Videobotschaft zur Tagung des sogenannten Weltkonzils des Russischen Volkes, einer Organisation unter Schirmherrschaft der russisch-orthodoxen Kirche. Er hob dabei auch die international als Bruch des Völkerrechts verurteilte Annexion ukrainischer Gebiete durch Russland als Erfolg hervor. Das moderne Russland habe „seine Souveränität als Weltmacht“ zurückerlangt und gefestigt, sagte Putin.

Dagegen sieht der Westen, der Russland im Zuge des Krieges mit Sanktionen belegt hat, als wirtschaftlich geschwächt und auf internationaler Bühne isoliert. Putin warf dem Westen einmal mehr vor, durch ein Vormachtstreben Elend und Chaos in Russland säen zu wollen, um das flächenmäßig größte Land der Erde zum Zerfall zu bringen. Solche Versuche seien zum Scheitern verurteilt.

„Dafür haben sie auch mit der alten Leier begonnen, dass Russland angeblich „Gefängnis für die Völker“ sei und die „Russen selbst Sklaven“ seien“, sagte der 71-Jährige wenige Monate vor der Präsidentenwahl. Bei dem Urnengang im März wird eine neue Kandidatur Putins für eine fünfte Amtszeit erwartet. Offiziell erklärt hat er das aber bisher nicht.

Putin nutzte die Versammlung, an der in Moskau auch Vertreter von Politik, Wirtschaft und Kultur sowie von anderen Religionen teilnahmen, als eine Art Wahlkampfrede und stellte Russland als „Vorkämpfer einer gerechteren Weltordnung“ dar. „Ohne ein souveränes und starkes Russland ist keine dauerhaft stabile Weltordnung möglich“, sagte er – zugeschaltet aus Sotschi am Schwarzen Meer. Dabei ließ Putin in einer Schweigeminute auch der Toten seines Krieges gedenken.

Die von Russland angegriffene Ukraine sieht das Land hingegen als einen „Terrorstaat“, der anderen nach Freiheit strebenden Völkern eine Diktatur aufdrücken will. Putin hat mit seinem Krieg, den er am 24. Februar 2022 begonnen hatte, Tod und Zerstörung über das Nachbarland gebracht.

Für die „größten Gewinne“ seit fast einem Jahr zahlt Russland einen hohen Preis

16.00 Uhr: Russische Truppen sind bei ihrem Angriffskrieg gegen die Ukraine nach britischer Einschätzung weiter auf die umkämpfte Stadt Awdijiwka im Osten des Landes vorgerückt. Russische Einheiten hätten in den vergangenen Tagen weitere kleinere Vorstöße gemacht bei ihrem Versuch, die Stadt mit einer Zangenbewegung zu umzingeln, teilte das britische Verteidigungsministerium am Dienstag unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. Seit Anfang Oktober seien die Russen hier bis zu zwei Kilometer weit vorgerückt.

„Obwohl bescheiden, bedeuten diese Fortschritte die größten russischen Geländegewinne seit Frühling 2023“, hieß es in London weiter. „Sie haben die beteiligten Einheiten Tausende Opfer gekostet.“ Die Russen nähern sich demnach beständig einem Industriekomplex, in dem der Brennstoff Koks und verschiedene Chemikalien hergestellt werden und der eine der Hauptverteidigungspositionen der Ukrainer ist. Die Ukraine habe aber weiterhin die Kontrolle über einen etwa sieben Kilometer breiten Korridor, über den sie die Stadt versorge.

Frau von ukrainischem Geheimdienst-Chef soll vergiftet worden sein

11.44 Uhr: In der Ukraine wurde offiziellen Angaben zufolge die Ehefrau des Leiters des Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, vergiftet. Sie habe nach mehreren Tagen Übelkeit ins Krankenhaus eingewiesen werden müssen, meldeten zunächst mehrere ukrainische Medien übereinstimmend am Dienstag. Demnach wurde Marianna Budanowa mit Schwermetallen vergiftet, die im Alltag unüblich sind. Ermittlungen wegen versuchten Mordes seien aufgenommen worden, hieß es in den Berichten. Später bestätigte der Sprecher des Militärgeheimdienstes, Andrij Jussow, die Angaben.

Budanow zufolge leben die beiden seit dem russischen Einmarsch vor über 21 Monaten aus Sicherheitsgründen rund um die Uhr zusammen. Der Budanow unterstehende Militärgeheimdienst ist für eine Reihe von erfolgreichen Sabotageakten und Attentaten in den russisch besetzten Gebieten und Russland selbst verantwortlich.

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