Schüsse auf Robert Fico: Innenminister spricht von „politischem Motiv“

Der Anschlag auf den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico, der durch mehrere Schüsse am Mittwoch schwer verletzt worden ist, hat nach Ansicht der Regierung in Pressburg (Bratislava) ein politisches Motiv. Das sagte Innenminister Matúš Šutaj Eštok am Abend auf einer Pressekonferenz, die er zusammen mit Verteidigungsminister Robert Kaliňák hielt. Fico wird den Angriff nach Einschätzung seines Stellvertreters Tomas Taraba überleben. „Soweit ich weiß, ist die Operation gut verlaufen – und ich denke, dass er am Ende überleben wird“, sagte Taraba am späten Abend der BBC. Derzeit sei Fico nicht in einer lebensbedrohenden Situation. Zuvor hatte es geheißen, Fico befinde sich nach einer drei Stunden dauernden Operation in einem „sehr ernsten“ Zustand.

Die Tat wurde laut Berichten slowakischer Medien durch einen 71 Jahre alten Schriftsteller verübt, der zeitweise seinen Lebensunterhalt bei einem Sicherheitsdienst verdiente. Er gab am Mittwochnachmittag in der Provinzstadt Handlová mehrere Schüsse auf Fico ab. Nach Angaben des Innenministers wurde der Ministerpräsident von fünf Schüssen getroffen. Zuvor hatte die Regierung eine Kabinettsitzung in dem Städtchen abgehalten, das rund 15.000 Einwohner hat und im Zentrum des Landes liegt, etwa 150 Kilometer nordöstlich von Pressburg.

Fico ging nach der Regierungssitzung auf den Platz vor dem Volkshaus, um dort versammelten Bürgern die Hände zu schütteln. Gegen 14:40 Uhr fielen die Schüsse auf ihn. Schnell wurde er, wie Videobilder zeigen, von seinen Sicherheitsleuten in ein Auto getragen und ins Krankenhaus der Stadt gefahren. Von dort brachte ihn ein Rettungshubschrauber in die Klinik von Banska Bystrica, der nahegelegenen Bezirksstadt. Für einen Flug bis Pressburg sei die erforderliche Operation zu dringlich, hieß es in einer Regierungsmitteilung. Fico befinde sich in einem lebensbedrohlichen Zustand.

Schriftstellerverband kündigt Ausschluss an

Der festgenommene Tatverdächtige komme aus dem Südwesten des Landes, berichteten slowakische Medien. Es handle sich um einen Schriftsteller aus der Stadt Levice, der mit seinem Auto zum Tatort gefahren sei. Demzufolge sei die Waffe, aus der mehrmals auf den Ministerpräsidenten geschossen wurde, rechtmäßig im Besitz des Angreifers gewesen. Der Mann habe in der Vergangenheit mehrere Gedichtbände veröffentlicht und 2016 für einen privaten Sicherheitsdienst gearbeitet. Damals sei er selbst Opfer eines Angriffs auf ein Einkaufszentrum geworden und habe seither einen Waffenschein.

Auf Telegram wurde ein Video verbreitet, das angeblich den Angreifer kurz nach seiner Festnahme zeigt. Zu sehen ist ein in Handschellen gefesselten älterer Mann, der in einem Korridor sitzt und dem Mann ähnelt, der am Tatort festgenommen wurde. Zu hören sei, so wurde berichtet, dass er äußere, er sei mit der Politik der Regierung nicht einverstanden. Dabei soll er auf die von der Opposition heftig kritisierten Bemühungen Bezug genommen haben, Änderungen am öffentlich-rechtlichen Sender RTVS vorzunehmen. Aus der etwa 20 Sekunden dauernden Aufnahme geht nicht hervor, wer sie gemacht hat und wie sie an die Öffentlichkeit gelangt ist.

Der slowakische Schriftstellerverband bestätigte, dass der Verdächtige seit 2015 registriertes Mitglied sei. Wenn sich das bestätige, „wird die Mitgliedschaft dieser verabscheuungswürdigen Person sofort widerrufen“, schrieb der Vorsitzende Gustav Murín. Er drückte seine Empörung aus und wünschte dem Ministerpräsidenten eine schnelle Genesung.

Biden wünscht Fico schnelle Genesung

Das Attentat auf Fico wurde von führenden Politikern in aller Welt scharf verurteilt. Unter ihnen waren Bundeskanzler Olaf Scholz, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der amerikanische Präsident Joe Biden und der russische Präsident Wladimir Putin sowie UN-Generalsekretär António Guterres und die Regierungschefs der übrigen EU-Staaten.

„Ich verurteile den abscheulichen Angriff auf Premierminister Robert Fico aufs Schärfste. Solche Gewalttaten haben keinen Platz in unserer Gesellschaft und untergraben die Demokratie, unseren wertvollsten gemeinsamen Wert“, schrieb von der Leyen. Scholz, der sagte, er sei schockiert über den „feigen Angriff“, wählte ähnliche Worte. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán sprach von einem „abscheulichen Angriff auf seinen Freund“.

Biden verurteilte die Gewalttat und wünschte Fico eine schnelle Genesung. Die amerikanische Botschaft stehe in Kontakt mit den Behörden des NATO-Partnerlandes und sei bereit, Hilfe zu leisten. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete den Angriff als schreckliche Tat. „Es sollten alle Anstrengungen unternommen werden, um zu verhindern, dass Gewalt in irgendeinem Land, in jeder Form oder in jedem Bereich zur Norm wird“, schrieb Selenskyj. Putin äußerte: „Nichts kann dieses schändliche Verbrechen rechtfertigen. Ich kenne Robert Fico als einen mutigen und entschlossenen Mann.“

Schutz von Politikern soll verstärkt werden

In der Tschechischen Republik, die aufgrund der gemeinsamen Geschichte beider Länder der Slowakei besonders verbunden ist, verurteilten Politiker von Regierung wie Opposition das Attentat auf Fico. Ministerpräsident Petr Fiala zeigte sich schockiert. Gewalt dürfe nicht toleriert werden und dürfe keinen Platz in der Gesellschaft haben, schrieb Fiala. Präsident Petr Pavel bezeichnete die Tat als verwerflich, unabhängig von ihrer Motivation. Der Vorfall sollte eine Warnung sein, wohin die zunehmende Aggression in der Gesellschaft führen kann, mahnte das Staatsoberhaupt. Außenminister Jan Lipavský bekundete, er wünsche Fico viel Kraft und eine schnelle Genesung. Der Oppositionsführer Andrej Babiš, ein gebürtiger Slowake, schrieb, er „bete für Robert Fico“.

Der langjährige Ministerpräsident Fico, der im vergangenen Herbst nach einem Wahlsieg zum dritten Mal an die Regierungsspitze gelangt war, ist als Politiker eine stark polarisierende Persönlichkeit. Schon bald nach seinem Regierungsantritt kam es in der Slowakei zu Demonstrationen, die sich gegen seine Eingriffe in die Justiz und die öffentlich-rechtlichen Medien richteten. Im Parlament stützt er sich auf eine Mehrheit aus seiner linksnationalen Partei Smer, der sozialdemokratischen Hlas und der rechtsnationalen SNS.

In Pressburg unterbrach das slowakische Parlament seine Debatte über Eingriffe in die öffentlich-rechtlichen Medien, die nach Ansicht der Opposition mit der Gesetzesnovelle Ficos verbunden sind. Politiker von Ficos Partei Smer machten die Opposition und die „liberalen Medien“ für den Anschlag verantwortlich. Oppositionspolitiker äußerten sich hingegen bestürzt und verurteilten die Tat. Der liberale Oppositionsführer Michal Šimečka sagte alle politischen Aktionen ab, darunter auch eine für Mittwochabend geplante Demonstration gegen das neue Mediengesetz.

Verteidigungsminister Robert Kaliňák und Innenminister Matúš Šutaj Eštok am Dienstagabend in Banska Bystrica
Verteidigungsminister Robert Kaliňák und Innenminister Matúš Šutaj Eštok am Dienstagabend in Banska BystricaAP

Innenminister Šutaj Eštok kündigte an, dass der Schutz von Politikern, einschließlich Oppositionspolitikern, sowie der Medien verstärkt wird. Der in der Slowakei entfesselte Hass sei zu einem Sturm geworden und das Land stehe am Rande eines Bürgerkriegs. Präsidentin Zuzana Čaputová warnte hingegen vor vorschnellen Urteilen. Zugleich zeigte sie sich schockiert über den böswilligen Angriff. Jegliche Gewalt sei inakzeptabel, sagte die Präsidentin, die innenpolitisch als Gegenspielerin Ficos gilt. Sie wünschte dem Ministerpräsidenten eine schnelle Genesung.

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