Verfassungsschutzbericht: Wachsende Gefahr durch Extremisten

Die Gefahren durch Extremisten sind in Deutschland im vergangenen Jahr weiter gewachsen. Das geht aus dem neuen Verfassungsschutzbericht hervor, den Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, am Dienstag in Berlin vorstellten. Demnach sind sowohl Links- als auch Rechtsextremisten ebenso wie Islamisten, aber auch ausländische Akteure auf dem Vormarsch. Man habe „alle Schutzmaßnahmen massiv hochgefahren“, sagte Faeser. „Wir müssen die Demokratie aktiv verteidigen.“ 

Eine „neue Dimension“ habe die Bedrohung durch Spionage, Sabotage, Desinformation und Cyberangriffe erreicht. Vor allem Russland, China und Iran setzten ihre Nachrichtendienste umfassend zur Spionage in und gegen Deutschland ein. Durch das russische Regime gebe es eine hohe hybdride Bedrohung. Als Beispiel nannte die Ministerin die Cyberangriffe auf CDU und SPD; letzterer konnte klar dem russischem Geheimdienst zugeordnet werden.

Bilderflut in den sozialen Medien

Negativtrends der Vorjahre setzten sich im vergangenen Jahr dem Bericht zufolge fort. Neu hinzu kam eine besondere Bedrohungslage durch antisemitische und antiisraelische Straftaten seit dem Angriff der Hamas auf Israel und dem Krieg in Gaza. Den Folgen für Deutschland widmet der Verfassungsschutz ein Sonderkapitel in seinem neuen Bericht. Darin heißt es, die Terroranschläge der Hamas gegen Israel würden von unterschiedlichen extremistischen Akteure in Deutschland zum Anlass genommen, zu Hass und Gewalt gegen Juden oder den Staat Israel aufzurufen oder sein Existenzrecht zu verneinen.

Die Gefahr wachse, dass das gesellschaftliche Klima dadurch „vergiftet“ werde. „Islamisten, säkular-palästinensische Extremisten, türkische Rechtsextremisten sowie deutsche und türkische Linksextremisten treten aus ganz unterschiedlicher Motivation als Mobilisierungstreiber in Erscheinung. Deutsche Rechtsextremisten nutzen die aktuelle Situation, um gegen Muslime und Migranten zu agitieren.“

Die Bilderflut in den sozialen Medien, oft gepaart mit Falschinformationen, trage zur Emotionalisierung bei und könne Radikalisierung beschleunigen. Als Netzwerke, die – nicht nur in diesem Phänomenbereich – besonders intensiv genutzt würden, nannte Haldenwang am Dienstag in Berlin Telegram und Tiktok

Der Aktivismus im Netz bleibt nicht folgenlos in der echten Welt, wie der Verfassungsschutzbericht betont: In den Wochen nach dem Angriff der Hamas auf Israel seien vor allem in deutschen Großstädten vermehrt antisemitische und antiisraelische Straftaten begangen worden. Die linksextreme Szene sei bei dem Thema gespalten; es habe proisraelische wie auch propalästinensche Äußerungen und Aktionen gegeben.

Bedeutung der Neuen Rechten

Der Rechtsextremismus ist nach Darstellung von Faeser „nach wie vor die größte Gefahr für unsere freiheitliche Demokratie“. Dem Bericht zufolge stieg im Jahr 2023 die Zahl der Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund um fast ein Viertel auf rund 29.000. Die Zahl gewaltorientierter Rechtsextremisten blieb mit 14.500 Personen auf hohem Niveau. Haldenwang betonte, die Anzahl rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten sei um 13 Prozent gestiegen, die Zahl rechtsextremer Demonstrationen um 153 Prozent.

Die AfD wird weiter als Verdachtsfall geführt. Haldenwang sagte, es gebe noch keine fertige Folgeüberprüfung zur AfD, eine solche Überprüfung stehe allerdings bald an. Dafür warte man noch auf die schriftlichen Urteilsgründe des Oberverwaltungsgerichts Münster, das kürzlich festgestellt hatte, dass der Verfassungsschutz die AfD zu Recht als rechtsextremen Verdachtsfall führt. Außerdem werde man das Geschehen auf dem Bundesparteitag der AfD Ende Juni einbeziehen. Danach werde man sich „nicht allzu viel Zeit lassen“, sagte Haldenwang. Ob bis zu den Wahlen im Osten eine aktualisierte Einschätzung öffentlich würde, wollte er nicht prognostizieren. Dies hänge davon ab, wann die Urteilsbegründung aus Münster vorliege. 

Haldenwang wies auch auf die Bedeutung der Neuen Rechten für den Rechtsextremismus in Deutschland hin. Die Akteure vernetzten sich weiter, knüpften Kontakte ins bürgerliche Spektrum; das Treffen in Potsdam im November vergangenen Jahres sei ein Beispiel dafür. Haldenwang sprach von „Entgrenzungstendenzen“. In diesem Zusammenhang informierte er auch darüber, dass der Antaois-Verlag nun als gesichert rechtsextremes Beobachtungsobjekt geführt werde. 

Sorgen macht den Behörden aber auch der Islamismus. Das islamistische Personenpotenzial bewegt sich mit 27.200 Personen „weiter auf hohem Niveau“, wie es im Bericht heißt. Was diesen Bereich betrifft, gehe die größte Gefahr in Deutschland und Europa weiterhin von dschihadistisch inspirierten oder angeleiteten Einzeltätern sowie Kleinstgruppen aus. Sie im Griff zu behalten sei besonders herausfordernd, da sie ihre Taten kurzfristig planen und wenig Organisations-, Netzwerk- und Kommunikationsaufwand betreiben müssten, um sie zu begehen.

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