Konferenz in Wien: Demokratie in Afghanistan – mit den Taliban?

Der Veranstaltungssaal im Wiener Hotel Regina ist vollgestopft mit einst hochrangigen afghanischen Ministern, Diplomaten, Widerstandskämpfern und Aktivistinnen. Doch wenn Fausia Kufi spricht, ist es fast mucksmäuschenstill. „Nicht die Bevölkerung hat an dem Aufbau eines demokratischen Afghanistans versagt, sondern die internationale Gemeinschaft. Sie hat mit den Taliban den Friedensprozess in Doha verhandelt, hat ihnen das Land überlassen – ohne Opposition, Zivilisten oder Frauen mit einzubeziehen.“

Die Folge: Frauen und Mädchen wurden aus dem öffentlichen Leben so gut wie verbannt, Oppositionelle vertrieben und alles, was gegen die Scharia spricht, mit drakonischen Strafen belegt. Für ihre Worte erntet die Aktivistin und ehemalige Parlamentsabgeordnete Applaus.

Zum vierten Mal fanden sich in Wien, unter Polizeischutz und ohne dass die Öffentlichkeit davon viel mitbekam, an die 70 afghanischen Oppositionelle, Ex-Regierende und Aktivisten unterschiedlicher ethnischer und politischer Angehörigkeit ein, um drei Tage lang über ein demokratisches Afghanistan zu beraten.

Opposition verlangt mehr Gehör

Völlig unumstritten sind die Gäste nicht; einigen wird Machthunger und Selbstbereicherung vorgeworfen, nicht wenige sind in der Bevölkerung ähnlich verhasst wie die Taliban, erzählt ein Teilnehmer des Treffens. Und doch stehe das gemeinsame Ziel, nämlich die Bildung einer von der Bevölkerung legitimierten Regierung Afghanistans jetzt im Vordergrund, so der populärste Oppositionspolitiker Ahmad Massoud, Sohn des „Löwen von Pandschschir“, des bekannten Widerstandskämpfers Ahmad Shah Massoud. Die internationale Presse hat sich dicht um ihn gescharrt.

Dem Organisator und Diplomaten Wolfang Petritsch zufolge ist dieser „Wiener Prozess“ „die einzige Plattform für afghanische Oppositionelle weltweit, die regelmäßig zusammenkommt“. Ziel sei keine Exil-Regierung, „sondern einen innerafghanischen Dialog zu unterstützen, der auf demokratischen Grundprinzipien basiert“.

Kritik an UN-Treffen mit Taliban

Die Frauenrechtsaktivistin Kufi verlangt genau das von der internationalen Gemeinschaft: den Oppositionellen im Exil zuzuhören. Denn auch die afghanische Bevölkerung weiß von der Konferenz in Wien. Internationale Medien können zu einem gewissen Grad in Afghanistan nach wie vor empfangen werden. Die Hoffnung auf Zusammenkünfte wie diese sei groß, so eine Teilnehmerin, und warnt gleichzeitig, es brauche auch Ergebnisse: „Sonst verliert die Bevölkerung den Glauben.“

Denn auf diplomatischer Ebene würde die radikalislamischen Taliban immer „salonfähiger“ werden, zuletzt war eine Delegation der Taliban beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg. Der ehemalige afghanische Außenminister Rangin Dadfar Spanta spricht von einer „schleichenden Anerkennung“. Am Wochenende sitzen bei einer UN-Konferenz in Doha erstmals die Taliban mit am Tisch – auf deren Wunsch findet diese unter Ausschluss von afghanischen Aktivistinnen statt. Heftige Kritik daran findet sich auch in dem offenen Brief, der zum Abschluss der Konferenz an UN-Generalsekretär António Guterres geschickt wurde.

Taliban als Teil einer demokratischen Regierung?

Allerdings, und das ist vielleicht der erste Schritt eines realistischen Plans der Oppositionellen: Eine Integration des politischen Taliban-Flügels in eine demokratisch legitimierte, plurale Regierung Afghanistans schließt auf lange Sicht so gut wie kein Teilnehmer aus, weder Frauenrechtsaktivistin Kufi noch Ex-Außenminister Spanta oder Oppositionspolitiker Massoud. „Doch das liegt nicht an uns, zu entscheiden. Das entscheidet die afghanische Bevölkerung“, betont Letzterer.

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