DFB-Team bezwingt Dänemark: Glückliches Ende eines Abends der Extreme

Es war ein Abend, in den sich die Naturgewalten einmischten, aber auch die kühle, rationale Technik. Ein Abend der Extreme jedenfalls, aus dem die deutsche Nationalmannschaft als bessere, aber in entscheidenden Momenten auch als glücklichere Mannschaft hervorging.

Dank eines Elfmetertores von Kai Havertz (53. Minute) und eines weiteren Treffers von Jamal Musiala (68.) setzte sich das Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann in ihrem Europameisterschafts-Achtelfinale in der Dortmunder Fußball-Druckkammer am Samstag 2:0 gegen Dänemark durch.

Es war, auch wenn das an diesem Abend keine Rolle spielte, das erste gewonnene K.-o.-Spiel einer deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei einem großen Turnier seit dem EM-Viertelfinale 2016. In der Gegenwart aber zählte allein, dass es weitergeht bei dieser Heim-EM, am Freitag in Stuttgart gegen den Sieger des Spiels zwischen Spanien und Georgien (18.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Fußball-EM, in der ARD oder im ZDF und bei MagentaTV).

Gehörige Widerstände

Aber auch wenn am Ende Partystimmung in Dortmund herrschte wie bislang noch nicht bei der EM: Die Deutschen mussten dafür gehörige Widerstände überwinden. Während in der ersten Hälfte mächtige Gewitter und Regenfälle das Geschehen auf dem Rasen ganz klein erscheinen ließen und für eine gut 20-minütige Unterbrechung sorgten, waren es in der zweiten Hälfte feine Details, die für große Momente und Gefühle bei den Deutschen und tief enttäuschte Dänen sorgten.

Alles kulminierte kurz nach der Pause, als zuerst ein dänischer Treffer wegen Fußspitzenabseits durch den Videoschiedsrichter aberkannt wurde, und dann auf der anderen Seite dem gerade noch verhinderten Torschützen, Joachim Andersen, der Ball bei einem Flankenversuch David Raums an die Hand sprang, was wiederum per Videobeweis zu einem Elfmeter führte, den Havertz mit Präzision verwandelte.

Havertz feierte im Becherregen vor der dänischen Kurve, die ganze deutsche Mannschaft später mit ihren Fans zu den dröhnenden Klängen von Peter Schilling: völlig losgelöst. Aber in der Analyse wird Nagelsmann noch einmal ein Spiel Revue passieren lassen, das sich für seine Mannschaft nach starkem Beginn zu einer komplizierten Aufgabe entwickelte, in der sich ein Problem von Neuem zeigte: Die Schwierigkeit, den Angriffsdruck zu echter Torgefahr zu kanalisieren, was nicht an der Qualität der Chancen lag, sondern eher an der Frage, ob Nagelsmann auf die richtige Angriffsqualität setzt; für Niclas Füllkrug war abermals die Jokerrolle geblieben.

Er habe einen „klaren Plan“, sagte Nagelsmann vor dem Anpfiff in dieser Sache, aber auch wenn Havertz mit seinem Elfmeter die Tür öffnete und gut im Spiel war: Den Eindruck der von ihm vergebenen Möglichkeiten konnte auch der Dortmunder Regen nicht wegwischen.

Nagelsmann überrascht mit Sané

Spannend wird es in jedem Fall, wie es weitergeht, weil Nagelsmann schon diesmal für weit mehr Bewegung als bei allen Spielen zuvor bei dieser EM gesorgt hatte. Antonio Rüdiger hatte den Test am Vortag bestanden, er übernahm wie nun zu erwarten seinen Platz in der Innenverteidigung, diesmal an der Seite von Nico Schlotterbeck, der den gelbgesperrten Jonathan Tah ersetzte.

Doch bei dieser einen – erzwungenen – Veränderung beließ Nagelsmann es nicht. Es war aber nicht, wie von vielen erwartet, Füllkrug, der in die Startelf rückte, dafür zum einen sein schneidiger Zuarbeiter aus dem Ungarn-Spiel, Raum, der den Vorzug vor Maximilian Mittelstädt erhielt. Und, ziemlich überraschend, Leroy Sané, der den Platz von Florian Wirtz einnahm.

Es waren zwei Wechsel, die mehr vertikale Beschleunigung und damit letztlich mehr Tiefgang verhießen, und gewiss auch das Signal, dass bei allen Rollengedanken das Leistungsprinzip nicht auf der Strecke bleibt. Und die Richtung zu Beginn stimmte. Es dauerte nicht lange, ehe Sané, Havertz und Raum erste Spuren in den dänischen Strafraum gesetzt hatten, und nach kaum mehr als drei Minuten lag der Ball im Tor.

Schlotterbeck war nach einem Eckball von Kroos hochgestiegen, doch im allgemeinen Jubel drang erst mit Verzögerung durch, dass der englische Schiedsrichter Michael Oliver ein Foul erkannt hatte. Nicht Schlotterbecks Einsatz war es, sondern der von Kimmich, der seinem Kollegen den Weg freigeblockt hatte – eine enge Entscheidung.

Dänen überstehen Druckphase

Danach häuften die deutschen mit flottem und variablem Angriffsspiel Chancen an, ein Distanzschuss des sehr präsenten Kimmich, ein weiterer Kopfball von Schlotterbeck nach einem Eckball, eine Direktabnahme von Havertz, und einmal wollte (und musste) Sané es beinahe mit allen aufnehmen und konnte erst kurz vor dem Strafraum und per Foul gebremst werden.

Es sah gut aus in dieser Phase, die Neuen waren gut integriert, der Rückzug ließ keine Wünsche offen, aber nach 20 Minuten war es mit der Schwerelosigkeit erst einmal vorbei. Während der Himmel über dem Stadion immer düsterer wurden und Blitze über das Stadiondach zuckten, setzten sich die Dänen in Richtung deutsches Tor in Bewegung. Bei einem langen Ball auf Eriksen stand Rüdiger nicht gut, brachte dann aber noch seine linke Fußspitze in die Schussbahn, und wenig später kam Maehle aus spitzem Winkel zum Schuss, setzte diesen aber zu hoch an.

Nach einer guten halben Stunde kam das Signal von oben, dass hier etwas Größeres dräute. Ein mächtiger Blitz, ein Donner, der in Mark und Bein fuhr – ein paar Minuten lief das Spiel noch weiter, doch dann ergossen sich heftige Schauer über Feld und Tribünen, nach einer Weile war klar, eine Pause war unvermeidlich. „Oh wie ist das schön“, wurde gesungen, zwei Dänen tanzten oben ohne unter dem Wasserfall, der vom Dach hinabstürzte.

Immerhin, die Lage beruhigte sich, und nach knapp 20 Minuten kamen die Teams zurück und starteten erst einmal ein zweites Aufwärmprogramm. Als der Ball wieder rollte, wähnten sich die Deutschen wieder in ihrem Wunschfilm, Raum schnitt eine Flanke in den Strafraum, Havertz köpfte, doch zu unplatziert, um Schmeichel zu überwinden. Wenig später köpfte Schlotterbeck ans Außennetz.

Singing in the rain: Dänischer Optimismus im Regen von Dortmund
Singing in the rain: Dänischer Optimismus im Regen von DortmundReuters

Eigentlich schienen sie auf bestem Weg, den Schwung des Beginns wiederaufzunehmen, doch die Schlussminuten zeigten noch einmal das andere Gesicht, eine verletzliche deutsche Mannschaft. Erst war es der bis dahin überzeugende Schlotterbeck, der mit einer fahrlässigen Tändelei Hojlund eine Großchance eröffnete, wenig später lief der Stürmer nach einer feinen Kombination über Eriksen und Delaney auf Neuer zu, der Torwart warf sich entschlossen und entscheidend entgegen.

Nagelsmann verzichtete auf Wechsel, er wollte es erst einmal weiter mit dem bisherigen Plan versuchen. Erst später, als seine Mannschaft schon führte, nahm er mit Füllkrug und Can für Gündogan und Andrich seine ersten Wechsel vor. Beim 2:0 profitierte Musiala nicht nur von einem langen Pass Schlotterbecks, sondern auch vom Zaudern Schmeichels im dänischen Tor, der beim Herauslaufen plötzlich den Rückwärts- statt den Vorwärtsgang einlegte.

Danach boten sich noch Chancen, das Ergebnis zu erhöhen. Dass alles am Ende so gut aufging, hatte aber zuallererst mit jener kleinen Fußspitze zu tun, die an diesem Abend eine große Wirkung entfaltete.

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