Das bedeutet der Teilerfolg von Trump für den Wahlkampf

In seinem von vielen Strafprozessen belasteten Wahlkampf hat Donald Trump einen Teilerfolg vor dem Obersten Gerichtshof der USA erzielt. Mit einer konservativen Mehrheit von 6 zu 3 Richtern entschied der Supreme Court, dass Trump zumindest in Teilen strafrechtliche Immunität genießt für Amtshandlungen im Weißen Haus. „Ein großer Sieg für unsere Verfassung und Demokratie. Ich bin stolz ein Amerikaner zu sein“, kommentierte Trump die Entscheidung auf Truth Social.

Tatsächlich räumt das Gericht einem Präsidenten mit dem Urteil großen Spielraum ein, gegen geltendes Recht zu verstoßen. „Unsere verfassungsmäßige Ordnung der Gewaltenteilung berechtigt einen ehemaligen Präsidenten Kraft seines Amtes zu absoluter Immunität für kriminelle Verfolgung für Aktionen, die gänzlich und ausschließlich innerhalb seiner verfassungsmäßigen Verfügungsmacht stehen“, schreiben die Richter. „Und er ist berechtigt zumindest mutmaßliche Immunität vor Strafverfolgung für all seine offiziellen Akte zu genießen“.

Gänzlich ohne juristische Checks soll das Amt dann aber doch nicht sein. „Es gibt jedoch keine Immunität für inoffizielle Handlungen“, so die Richter. Der Prozess gegen Trump wegen seines Versuches, die demokratische Wahl von Joe Biden umzustürzen, wird damit erheblich komplizierter. So muss das Bundesgericht in Washington nun jeden Anklagepunkt einer Art Test unterziehen, ob Trump in offizieller Funktion handelte oder nicht und ob die Vorwürfe in diesem Licht weiter einer strafrechtlichen Verfolgung unterliegen.

„Eine Entscheidung für Generationen“

Die Entscheidung war mit Spannung erwartet worden. Nicht allein wegen ihres Einflusses auf den aktuellen Wahlkampf, in dem Trump erneut als Präsidentschaftskandidat der Republikaner antritt. Sondern auch, weil es sich hier um eine verfassungsrechtliche Grundsatzentscheidung handelte, die über Jahrzehnte hinweg den Charakter präsidialer Macht in den USA definieren würde. Der von Trump ernannte Richter Neil Gorsuch hatte vor dem Urteil schon verkündet, dass das Gericht „eine Entscheidung für Generationen“ fällen werde. „Dieser Fall ist die erste strafrechtliche Verfolgung eines ehemaligen Präsidenten in der Geschichte unserer Nation für Aktionen, die er während seiner Präsidentschaft getätigt hat“, heißt es in dem Urteil. Die Richter sind sich also im Klaren, dass sie hier einen Präzedenzfall entscheiden.

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Tatsächlich fällt das Ergebnis jedoch nicht so eindeutig aus, wie es auf den ersten Blick erscheint. Und das liegt an den widerstreitenden Prinzipien, die hier verhandelt werden, und die auch die Richter nicht aufheben konnten. Denn einerseits räumt auch die Mehrheit der konservativen Richter ein, dass es ein berechtigtes öffentliches Interesse an fairer und effektiver Rechtsdurchsetzung gebe, also sicherzustellen, dass präsidiale Entscheidungen, die klar gegen das Recht verstoßen, geahndet werden können.

Gleichzeitig hätten die Verfassungsväter jedoch auch eine „durchsetzungsfähige“ und „energische“ Exekutive gewollt. Und deren Entscheidungsfreude wäre klar beeinträchtigt, wenn jede politische Handlung unter der Drohung möglicher späterer Strafverfolgung stehe. Deshalb sei es notwendig, dass der Präsident selbst dort, wo er am Rande seiner Kompetenzen handele, davon ausgehen könne, zumindest mutmaßlich Immunität zu genießen. Die Richter entscheiden sich im Zweifel also für eine starke Exekutive – und gegen eine strafrechtliche Einhegung der Machtbefugnisse des Präsidenten.

Kritik aus den Reihen der Demokraten

Die linksliberale Minderheit der Richter empört sich in ihrer abweichenden Meinung denn auch darüber, dass die konservative Mehrheit mit diesem Urteil Trump noch mehr Immunität gewähre als das, wonach er verlangt habe. Zudem würde es der Institution des Präsidenten neue Form geben. „Das Urteil verspottet das Gründungsprinzip unserer Verfassung und unserer Regierungsform, wonach niemand über dem Gesetz stehen sollte“ schreibt Richterin Sotomayor. „Das ist genau so schlecht, wie es klingt, und es entbehrt jeglicher Grundlage“, schreibt die Richterin. „Argument für Argument erfindet die Mehrheit eine Immunität, die allein aus dem Prinzip schierer Macht erwächst.“

Entsprechend scharf fällt die Kritik dann auch in den Reihen der Demokraten aus.

„Dieses schändliche Urteil des MAGA-Supreme Court – der sich zusammensetzt aus drei Richtern, die von Trump selbst ernannt wurden – ermöglicht es dem ehemaligen Präsidenten, unsere Demokratie zu schwächen, indem er das Gesetz bricht“, kommentiert der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, auf X. „Es unterwandert die Glaubwürdigkeit des Obersten Gerichtes und deutet darauf hin, dass politischer Einfluss in unseren Gerichten heute schwerer wiegt als alles andere.“

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WELT-Chefredakteur Ulf Poschardt

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Tatsächlich hatten Kritiker schon vor dem Urteil gefordert, dass mindestens zwei konservative Richter sich wegen Voreingenommenheit aus dem Verfahren zurückziehen sollten. Denn die Frau von Richter Clarence Thomas war selbst in die Vorbereitungen zum Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 involviert und am Haus des Richters Samuel Alito wurde kurz nach dem 6. Januar eine auf den Kopf gestellte US-Flagge gehisst, was gemeinhin als Unterstützung für die Trumpsche Wahlbetrugslüge gilt.

Dass der Supreme Court die Frage der Immunität überhaupt angenommen und die Entscheidung dann sehr lange hinauszögerte, galt vielen Experten schon im Vorfeld als Versuch, Trump in Sachen Wahlbetrugslüge und Sturm aufs Kapitol vor Strafverfolgung zu schützen und den am Bundesgericht in Washington anhängigen Prozess mindestens bis nach dem Wahltag zu verzögern. Das Bundesgericht, an dem Trumps Fall verhandelt wird, muss nun die einzelnen Anklagepunkte im Blick auf das Urteil des Supreme Court neu bewerten. Und diese Neubewertung dürfte dann voraussichtlich erneut vor dem Supreme Court landen.

Auswirkungen auf den Wahlkampf

Wie unklar die Lage jedoch weiterhin ist, zeigt sich etwa an den Richterüberlegungen zu einem der Anklagepunkte, die Trumps Einflussnahme auf Vizepräsident Mike Pence betreffen. Der hatte ausgesagt, dass Trump ihn dazu gedrängt habe, den Wahlsieg Joe Bidens nicht zeremoniell vor beiden Häusern des Kongresses zu bestätigen. Das falle aber zumindest unter die mutmaßliche Immunität des Präsidenten, heißt es im Urteil, weil der Präsident und sein Vize offizielle Amtshandlungen vollziehen würden, wann immer sie offizielle Verantwortlichkeiten diskutierten.

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Dennoch, so der vorsitzende Richter, könne die Anklage durchaus argumentieren, dass Trumps Druck auf Pence außerhalb seiner offiziellen Pflichten erfolgte, weil die Rolle des Vizepräsidenten bei der Bestätigung des Wahlergebnisses nur eine zeremonielle sei und der Präsident bei diesem Vorgang über gar keine Kompetenzen verfüge. Mit einem Wort: Mit dem obersten Richterspruch ist alles noch unklarer geworden. „Die konservative Mehrheit nimmt sich eine eindeutige Frage vor und verwandelt sie in eine, die zur Debatte steht“, ereifert sich Sotomayor denn auch in ihrer abweichenden Meinung.

Was bedeutet das nun für den Wahlkampf? Der Spruch der Obersten Richter dürfte es schwerer machen, Trump wegen seiner versuchten Manipulationen des Wahlergebnisses strafrechtlich zu belangen. Und selbst wenn bei diesem Prozess am Ende immer noch genug Anklagepunkte übrig bleiben sollten, bei denen Trump nicht der Immunität unterliegt, so ist es nun noch wahrscheinlicher, dass mit einem Urteil nicht bis zum Wahltag gerechnet werden kann. Und sollte Trump dann im November tatsächlich erneut gewählt werden, würde er ab Amtsantritt Ende Januar erneut durch das Amt vor Strafverfolgung geschützt sein.

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Gravierender dürften jedoch die Auswirkungen des Urteils auf die Machtarchitektur in Washington sein. Der US-Präsident verfügte vorher schon über eine fast absolutistische, wenn auch zeitlich begrenzte Machtfülle. Diese wird in Zukunft noch weniger Beschränkungen unterliegen als es vorher der Fall war. Was die Tür öffnen könnte für autoritäre Experimente.

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