Deutscher Erfolgsweg? – Diese neue Studie wirft ein ganz anderes Licht auf ukrainische Bürgergeldempfänger

Deutscher Erfolgsweg?: Diese neue Studie wirft ein ganz anderes Licht auf ukrainische Bürgergeldempfänger

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Deutschland steht aktuell bei der Integration von Ukrainern in den Arbeitsmarkt nur mittelmäßig da. Doch gerade weil wir so langsam sind, wird die Integration nachhaltiger sein. Das IAB-Institut prognostiziert: Deutschland könnte sogar langfristig an anderen Ländern vorbeiziehen.

Geht es darum, geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer in Jobs zu bekommen, blickt man hierzulande oft neidisch auf Dänemark . Die Beschäftigungsquote sei dort viel höher als in Deutschland, heißt es dann. Das habe auch mit den hohen Bürgergeld-Zahlungen zu tun, dadurch fehle den Geflüchteten ein Anreiz zum Arbeiten.

Eine neue Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wirbelt dieses Bild nun durcheinander. Das überraschende Ergebnis: Mit dem deutschen Ansatz könnte es möglicherweise sogar gelingen, angebliche Vorzeige-Länder wie Dänemark langfristig bei der Beschäftigungsquote zu überholen.

Sozialleistungen haben keinen Effekt auf Beschäftigungsquote

Zunächst einmal räumt die Studie mit dem Vorurteil fauler Ukrainer auf, die sich auf Bürgergeld ausruhen würden. Die IAB-Autorinnen und -Autoren untersuchen dafür das Verhältnis der staatlichen Aufwendungen für Geflüchtete zum Bruttoinlandsprodukt in verschiedenen europäischen Ländern mit unterschiedlich hohen Beschäftigungsquoten. Davon versprechen sie sich ein aussagekräftigeres Ergebnis.

Denn bisher werde oft nur die absolute Höhe der Sozialleistungen verglichen, so Arbeitsmarktforscherin Yuliya Kosyakova vom IAB. Das ist aus zwei Gründen problematisch: „Zum einen gibt es in den jeweiligen Ländern nicht einen festen Satz für alle Geflüchteten. In jedem Land erhalten verschiedene Familienkonstellationen unterschiedlich hohe Leistungen. Zum anderen sind in manchen Ländern die Zahlungen höher, dafür aber auch das allgemeine Preisniveau. Das muss man in Bezug setzen.“

„Nicht alle Effekte auf das Bürgergeld schieben“

Berücksichtigt man das, lässt sich international kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Höhe der Sozialleistungen und der Beschäftigungsquote der Geflüchteten erkennen. „Wir sollten aufpassen, nicht immer alle Effekte auf dem Arbeitsmarkt auf das Bürgergeld zu schieben. So einfach ist es nicht“, betont Studienautorin Kosyakova.

Die Kritik richtet sich damit unter anderem an die Union: Erst am Mittwoch forderten Politikerinnen und Politiker aus CDU und CSU, Flüchtlingen weniger Geld zu zahlen als Deutschen. Beispielsweise die Bundestagsabgeordnete Jana Schimke sagte der „Bild“, das Bürgergeld sei „leider ein starker Anreiz zur Migration nach Deutschland“, die Arbeitsmarktintegration gelinge immer noch deutlich schwerer als bei Menschen ohne Migrationshintergrund.

Gute Kinderbetreuung und Netzwerke haben positiven Effekt

Warum das so ist, haben Kosyakova und ihre Kollegen ebenfalls untersucht. Eine wichtige Rolle spielen folgende Faktoren:

  • Es gibt zahlreiche soziale und demografische Einflüsse. Beispielsweise die durchschnittliche Zahl der Kinder der Geflüchteten oder die Zahl der Rentner unter den Geflüchteten drückt die Beschäftigungsquote.
  • Die Gegebenheiten im Land können die Quote beeinflussen. Beispielsweise kann eine gute Infrastruktur bei der Kinderbetreuung helfen. Wenn der Arbeitsmarkt wenig reguliert und offen für Englisch sprechende Menschen ist, hilft das ebenfalls. Mehr Geflüchtete finden außerdem dann eine Arbeit, wenn es vor allem eine Nachfrage nach eher niedrig qualifizierten Arbeitskräften gibt.
  • Wenn es bereits ein Netzwerk von Ukrainerinnen und Ukrainern in dem Zielland der Geflüchteten gibt, hilft das, die neu ankommenden in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Deutschland landet im Mittelfeld

Bei vielen dieser Punkte schneidet Deutschland schlechter ab als andere Länder. Beispielsweise ist der Arbeitsmarkt weniger reguliert als in Dänemark, dort ist auch die Kinderbetreuung besser. Unter anderem das führt dazu, dass Deutschland bei der Beschäftigungsquote lediglich im europäischen Mittelfeld landet.

 

 
 

Allerdings ist die Platzierung in der IAB-Studie weniger schlecht als in anderen Vergleichen. Oft werden nämlich nicht vergleichbare Zahlen zusammengewürfelt. Kosyakova und ihre Mitstreiter haben für ihre Untersuchung versucht, die Daten mithilfe von Statistikbehörden und eigenen Umfragen vergleichbarer zu machen.

Neben den oben genannten Faktoren gibt es für das mittelmäßige Abschneiden Deutschlands aber noch einen weiteren zentralen Grund: Deutschland verfolgt nämlich die Strategie, die Geflüchteten zuerst die Sprache lernen zu lassen, dann erst folgt der Job.

Deutscher Integrationsansatz zahlt sich langfristig aus

„Wir wissen, dass sich das langfristig auszahlt“, erklärt Kosyakova. Das lässt sich zum Beispiel an einem Vergleich festmachen: Norwegen verfolgt einen ähnlichen Ansatz wie Deutschland. Dänemark hingegen bringt die Geflüchteten schnell in den Job, die Sprache sollen sie dann nebenher lernen. „In Dänemark sieht man deswegen kurzfristig eine schnellere Beschäftigung von männlichen Geflüchteten. Aber Norwegen übertrifft das dänische Beschäftigungsniveau mit zunehmender Aufenthaltsdauer und weist auch deutlich geringere Geschlechterunterschiede auf als Dänemark.“

Ein weiterer positiver Effekt: Die Jobs in Norwegen sind oft weniger prekär. „Die Menschen werden dort erst einmal unterstützt und können die Sprache lernen. Dann finden sie einen für sie und ihre Bildung passenden Job. In Dänemark sind es oft Jobs als Reinigungskraft oder auf dem Bau. Nach einiger Zeit steigt bei den Menschen mit dieser Arbeit das Risiko, in die Sozialleistungen zu fallen.“

Kosyakova weist darauf hin, dass die Strategie Norwegens und Deutschlands deshalb langfristig möglicherweise günstiger ist, auch wenn die Investitionen in die Geflüchteten zunächst hoch erscheinen.

Nicht nur im Vergleich der skandinavischen Länder zeigt sich der Erfolg des Ansatzes, auch in Deutschland hat er sich schon bewährt. Die IAB-Studie verweist darauf, dass bei früher nach Deutschland geflüchteten Gruppen die Beschäftigungsquote nach acht Jahren bei 68 Prozent liegt. Bei den Männern ist sie noch höher und fast auf dem Niveau deutscher Männer.

Politik muss Job-Strategie besser erklären

Die Aussichten sind also auch bei den Ukraine-Flüchtlingen weniger schlecht als oft vermittelt. Arbeitsmarktforscherin Kosyakova hat deshalb zwei Ratschläge an die Politik: „Vergleicht nicht Äpfel mit Birnen!“ Zu oft würden Zahlen ohne tiefergehende Analyse verglichen, was ein negatives Bild zeichne.

Außerdem fordert sie: „Die Politik muss der Bevölkerung den deutschen Ansatz besser erklären, damit kein Unmut aufkommt, wenn es scheinbar nur langsam vorangeht.“ Man sollte ehrlich sagen, dass man zwar einen langen Atem brauche, sich das aber später auszahlen werde.

sebs/

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