Wenn radikale Palästina-Unterstützer einen Grünen beschimpfen

An der Berliner TU konnte der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck nur unter Polizeischutz einen Vortrag halten. Am Inhalt lag das nicht. Sondern daran, dass Beck sich weigert, Israels Krieg im Gaza-Streifen als „Völkermord“ zu bezeichnen.

Drinnen sei es „ganz friedlich und freundlich“ zugegangen, erzählte Volker Beck, als er wieder draußen auf der Straße war. „Zusammen mit Fachkollegen habe ich ruhig und sachlich über das Berliner Feiertagsrecht gesprochen“, sagte der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete und heutige Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.

Eine knappe Stunde lang hatte er zuvor am Montagnachmittag in der Bibliothek der Technischen Universität (TU) und der Universität der Künste in Berlin eine juristische Frage erörtert: Sollen in Berlin an nichtchristlichen Feiertagen, etwa jüdischen, die Anhänger der jeweiligen Religionen die Möglichkeit zur Freistellung am Arbeitsplatz oder in Schulen beziehungsweise Hochschulen erhalten?

Doch dieses nicht-öffentliche und auch für Journalisten nicht zugängliche Fachgespräch im Rahmen einer zweitägigen Sommerakademie des Forschungsnetzwerks Antisemitismus an der TU musste draußen von der Polizei geschützt werden. Denn radikal israelfeindliche Gruppen mit Namen wie „Not in Our Name“, „Students for Palestine“ und „Student Coalition Berlin“ hatten zu Aktionen gegen den Auftritt des Grünen aufgerufen. „No place for racists on campus!“, hieß es auf einem Aufruf, „No place for Volker Beck at TU Berlin!“

Begründet hatten jene Gruppen die Forderung nach dem Ausschluss des religionsrechtlich versierten Juristen Beck vom juristischen Gespräch damit, dass Beck sich weigert, Israels Krieg im Gaza-Streifen als „Völkermord“ zu bezeichnen. Das genügte einer Frau, Beck nach seinem Auftritt in der Bibliothek draußen auf der Straße entgegenzurufen, er sei ein „Völkermord-Unterstützer“.

Zu größeren Übergriffen kam es bis zum frühen Abend nicht

Rund 150 Gleichgesinnte skandierten derweil auf der anderen Straßenseite „Intifada, Revolution“, „Viva, viva Palästina“ und „From the river to the sea, palestine will be free“. Von ihnen schirmte die Polizei Beck sowie eine kleine Gruppe pro-israelischer Demonstranten auf der anderen Straßenseite ab.

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Drei Personen aus dem pro-palästinensischen Block wurden abgeführt, nachdem sie entgegen wiederholter Aufforderung nicht davon abgelassen hatten, sich den Israel-Unterstützern laut schreiend („Shame on you“) und mit erhobenen Stinkefingern zu nähern. Zu größeren Übergriffen kam es bis zum frühen Abend jedoch nicht. Beck konnte unbedrängt den Schauplatz verlassen.

Es ging also anders aus als am vergangenen Donnerstag. Da musste der Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU) unter Polizeitschutz vorzeitig eine Veranstaltung in Moabit verlassen. Zuvor hatten ihn sogenannte Aktivisten bedrängt, aus deren Reihen Pyrotehnik gezündet und ein Mikrofonständer in Chialos Richtung geworfen worden waren.

Dass am Montag weniger passierte, lag möglicherweise auch daran, dass Beck der TU im Vorfeld Druck gemacht und gefordert hatte, dass „die Universitätsleitung klar und öffentlich Position beziehen“ müsse, wie Beck am Sonntag auf der Webseite des von ihm geleiteten Tikvah-Instituts zur Eindämmung des Antisemitismus schrieb.

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Die TU-Präsidentin Geraldine Rauch hatte schon vorher in der Kritik gestanden, unter anderem wegen des Likens von antisemitischen Social-Media-Posts nach dem Hamas-Massaker in Israel vom 7. Oktober 2023. Im Fall Beck indes verurteilte die Universitätsleitung die Forderung nach dessen Ausschluss und erklärte, der Schutz der Sommerakademie habe „höchste Priorität“. Persönliche Angriffe würden von den Organisatoren und der Präsidentin entschieden zurückgewiesen.

Entsprechend groß war am Montag das Aufgebot der Polizei, die dafür sorgen musste, dass ein geladener Teilnehmer eines von der Uni ausdrücklich unterstützten Seminars in ihrer Bibliothek unbehelligt hinaus und wieder hinaus gelangen konnte. Beck sagte vor der Veranstaltung, bei der Demonstration gegen seinen Auftritt gehe es um eine „anti-israelische Agitation“, die sich letztlich immer gegen jüdisches Leben richte. Zugleich verteidigte er das Demonstrationsrecht, das „auch für Narren“ gelte.

Unterstützung bekamen die radikal israelfeindlichen Demonstranten am Montag aus vorüberfahrenden Autos. Aus den Fenstern mehrerer stark motorisierter Pkw wurden ihnen unter lautem Hupen Siegeszeichen und auch ein „Wolfsgruß“ entgegengestreckt. Die Demonstranten hinter ihren „Stop-the-Genocide“-Plakaten quittierten es mit Jubel.

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