Libanon bezichtigt Israel nach Pager-Explosionen des „Terrorismus“

Stand: 21.09.2024 02:11 Uhr

Libanons Außenminister Bou Habib hat vor einer weiteren Eskalation in Nahost gewarnt. Israel bezichtigte er des Terrorismus. Das Land müsse seine Angriffe beenden, oder die Welt werde Zeuge einer „großen Explosion“ werden.

Der Libanon hat Israel nach der massenhaften Explosion von Pagern und Walkie-Talkies im Besitz der Hisbollah-Miliz vor dem UN-Sicherheitsrat „Terrorismus“ vorgeworfen.

Außenminister Abdallah Bou Habib sagte bei einer Dringlichkeitssitzung des Gremiums, die Explosionen, bei denen am Dienstag und Mittwoch in zwei Wellen 37 Menschen getötet und fast 3.000 verletzt worden waren, seien „eine nie dagewesene Methode der Kriegsführung, die durch ihre Brutalität und ihren Terror besticht“. Unter den Opfern seien nicht nur Hisbollah-Mitglieder, sondern auch Zivilisten wie Kinder gewesen.

Explosion, die „uns ins dunkle Zeitalter zurückwerfen wird.“

Er bezeichnete Israel als „Schurkenstaat“. Die Explosionen seien ausgelöst worden, „ohne Rücksicht darauf, wer sie trägt oder wer sich um sie herum befindet“. Zwischendurch hielt er ein Bild im Rat hoch, dass eine blutige Hand mit abgesprengten Fingern zu zeigen schien. 

Bou Habib warnte vor Gefahr eines großen Krieges. „Entweder zwingt dieser Rat Israel, seine Aggression einzustellen“, sagte Bou Habib vor dem UN-Sicherheitsrat in New York, „oder wir werden stumme Zeugen der großen Explosion sein, die sich heute am Horizont abzeichnet.“ Bevor es zu spät sei, „müssen Sie verstehen, dass diese Explosion weder den Osten noch den Westen verschonen und uns ins dunkle Zeitalter zurückwerfen wird.“

Israel will „Terroristen ins Visier nehmen“

Israel hat sich bislang nicht öffentlich zu den Angriffen bekannt. Es sei klar, dass Israel sich nicht an das Völkerrecht und das humanitäre Recht halte, so Bou Habib weiter. „Wenn Israel solche Taten begeht, erleben wir nur schüchterne Bekundungen des Bedauerns, die Israel ermutigen, die internationalen Resolutionen zu missachten, von denen seit 1948 keine einzige gegen Israel umgesetzt wurde“. Israel sei zu einem Schurkenstaat geworden.

Israels UN-Botschafter Danny Danon lehnte eine Stellungnahme zu den Explosionen von Kommunikationsgeräten im Libanon ab. „Aber ich kann Ihnen sagen, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun werden, um diese Terroristen ins Visier zu nehmen“, sagte er. Israel habe „nicht die Absicht, einen Krieg mit der Hisbollah im Libanon zu beginnen, aber wir können so nicht weitermachen“, sagte Danon. Sein Land bevorzuge eine diplomatische Lösung und wolle eine weitere Eskalation „verhindern“.

Türk: Pager-Explosionen völkerrechtswidrig

Danon betonte, dass die Hisbollah seit dem Terrorangriff der islamistischen Hamas vor gut einem Jahr mehr als 8.000 Raketen auf Israel abgefeuert habe. Dabei seien Dutzende Menschen getötet und Zehntausende vertrieben worden. 

Dem libanesischen Außenminister Abdullah Bou Habib warf Danon vor, in seiner Rede vor dem Sicherheitsrat den Namen der Hisbollah nicht einmal genannt zu haben. „Sie haben einer Terrororganisation erlaubt, einen Staat zu gründen, einen Staat innerhalb Ihres Staates, der Ihr eigenes Volk ins Verderben bringt. Anstatt uns, Ihren friedlichen Nachbarn, die Schuld zu geben, sollten Sie jetzt Maßnahmen ergreifen, um die Hisbollah einzudämmen“, so der Diplomat. Danon betonte, dass der Libanon und seine Regierung nicht das Problem in dem Konflikt seien. Zusammen könne man eine Lösung finden. Das Problem sei aber die Hisbollah.

UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk bezeichnete die Explosionen der Kommunikationsgeräte vor dem Sicherheitsrat als Verletzung des humanitären Völkerrechts. Dieses verbiete „den Einsatz von Sprengfallen in Form scheinbar harmloser tragbarer Gegenstände“, fügte Türk an. Es sei „ein Kriegsverbrechen, Gewalt anzuwenden, um Angst und Schrecken unter der Zivilbevölkerung zu verbreiten“. Er sei „entsetzt von Ausmaß und Auswirkungen der Angriffe“.

Zehntausende Menschen auf der Flucht

Der fast tägliche gegenseitige Beschuss zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast einem Jahr hat sich zu einem niedrigschwelligen Krieg entwickelt. Hunderte Menschen, die meisten von ihnen Hisbollah-Kämpfer, wurden seither im Libanon getötet. Auch in Israel gab es dutzende Todesopfer, unter ihnen Soldaten und Zivilisten. Zehntausende Menschen auf beiden Seiten der Grenze mussten fliehen.

Die Hisbollah ist eine vom Iran finanzierte und ausgebildete Miliz und gilt als starke politische Macht im kurz vor dem Kollaps stehenden Libanon. Sie handelt nach eigener Darstellung aus Solidarität mit der islamistischen Hamas im Gazastreifen.

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