Miller lehnte es ab, weitere Angaben zu den Gesprächen mit Israel zu machen. Er sagte, es bleibe Israel überlassen, „über seine militärischen Operationen“ zu informieren. Da Miller das Wort „derzeit“ verwendete, wurde klar, dass die Bodeneinsätze bereits begonnen haben.
Fast zeitgleich mit den Angaben des US-Außenamtssprechers veröffentlichte die israelische Armee eine Mitteilung, wonach sie in drei Grenzorten im Norden Israels eine „militärische Sperrzone“ errichtet hat. Betroffen seien die Gebiete um Metula, Misgav Am und Kfar Giladi. „Das Betreten dieser Zone ist verboten“, hieß es in der Mitteilung der Armee.
„Die nächste Phase beginnt bald“
Zuvor hatte der israelische Verteidigungsminister Joav Galant erklärt, der Kampf gegen die vom Iran unterstützte Miliz werde fortgesetzt. Es kämen alle „notwendigen Mittel“ zum Einsatz – neben den Luftstreitkräften bei Bedarf auch die Marine und Bodentruppen. „Die nächste Phase im Krieg gegen die Hisbollah beginnt bald“, hieß es am Montag in einer Mitteilung seines Büros. Galant sprach zudem vor Soldaten von dem Kriegsziel, den aus dem Grenzgebiet geflohenen Israelis die Rückkehr zu ermöglichen. „Wir werden alle Mittel einsetzen, die erforderlich sein sollten“, sagte der Minister. „Viel Glück.“
Warnung für Zivilisten in Vororten Beiruts
Das israelische Militär forderte am Abend die Bewohner einiger Vororte von Beirut zur Evakuierung auf. Die Warnung gelte für die südlichen Vororte der libanesischen Hauptstadt, teilte Israels Militär mit. Grund seien geplante Angriffe auf Ziele der Hisbollah-Miliz. Am späten Abend berichtete Reuters von mehreren schweren Explosionen in Beirut. Rauchwolken seien über den betroffenen Gebieten zu sehen.
Nach Angaben aus libanesischen Sicherheitskreisen am späten Montagabend befanden sich zumindest vorerst keine israelischen Panzer nahe der gemeinsamen Grenze. Zugleich hieß es, es gebe schwere Angriffe des israelischen Militärs in Nähe des Litani-Flusses, der etwa 30 Kilometer nördlich der Grenze liegt. Israelische Kampfflugzeuge seien im Südlibanon zu hören gewesen. Aus Militärkreisen hieß es, die libanesische Armee habe Soldaten von der Grenze zurückgezogen.
Berichte über bevorstehende Offensive
Der „Washington Post“ zufolge informierte Israel die Regierung in Washington über den Plan für eine Bodenoffensive im Nachbarland. Diese solle begrenzt sein und könne jeden Moment beginnen, berichtete die Zeitung unter Berufung auf einen nicht namentlich genannten US-Vertreter. Der Einsatz solle vom Umfang her kleiner sein als der Krieg 2006 gegen die radikalislamische Hisbollah-Miliz. US-Präsident Joe Biden ließ wenig Begeisterung für den Schritt erkennen. Auf die Berichte angesprochen sprach er sich für einen Waffenstillstand aus: „Ich habe kein Problem damit, wenn sie aufhören.“
Warnungen der UNO
Die Vereinten Nationen warnten Israel vor einer möglichen Bodenoffensive. „Wir wollen keine Bodeninvasion sehen“, sagte der Sprecher von UNO-Generalsekretär Antonio Guterres, Stephane Dujarric, in New York. „Wir alle wissen, welche Verwüstung ein totaler Krieg, ein Bodenkrieg im Libanon, für das Volk Israels und die Bevölkerung des Libanon bedeuten würde.“
An der Grenze zwischen den beiden Ländern und im Süden des Libanon seien knapp 10.000 UNO-Kräfte der Blauhelm-Mission UNIFIL stationiert. Diese bleiben Dujarric zufolge in Stellung, seien aber wegen des anhaltenden Beschusses von beiden Seiten in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und könnten ihre Arbeit der Überwachung des eigentlich geltenden Waffenstillstandes nicht nachkommen. An der UNIFIL-Mission ist auch das österreichische Bundesheer beteiligt.
Besorgnis in der EU
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell berief für Montagabend eine Sondersitzung der EU-Außenminister ein, um die Reaktion der Europäischen Union auf die jüngste Eskalation zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz zu erörtern. Die informellen Beratungen sollten per Videokonferenz abgehalten werden.
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) sagte im Vorfeld der Gespräche in einem Interview mit dem ORF, dass eine gemeinsame Haltung gefunden werden müsse. Es handle sich um eine „brandgefährliche Eskalation“, die „unmittelbar vor unserer Haustüre“ stattfinde.
Hisbollah-Chef am Freitag getötet
Israel führt seit etwa zwei Wochen schwere Luftangriffe gegen Ziele im Libanon aus. Sie gelten nach Darstellung der Regierung in Jerusalem der Hisbollah, die vom Iran unterstützt wird. Am Freitag wurde bei einem israelischen Angriff Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah getötet, seit mehr als drei Jahrzehnten eine Schlüsselfigur im Nahost-Konflikt.
Die Kämpfe gegen die Miliz waren im Zuge des Gaza-Krieges aufgeflammt. Sie hatte ihre Solidarität mit der radikalislamischen Hamas bekundet und nach dem Überraschungsangriff der Palästinensergruppe auf Israel Anfang Oktober ihren Raketenbeschuss auf Israel verstärkt.
Netanjahu mit Botschaft an Iran
Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu betonte am Montag in einer Videobotschaft an die iranische Bevölkerung, es gebe im Nahen Osten keinen Ort, den sein Land nicht erreichen könne. „Fragt Mohammed Deif. Fragt Nasrallah“, sagte er in Bezug auf die gezielt getöteten Führer von Hamas und Hisbollah. Es gebe keinen Ort, an den Israel nicht gehen würde, „um unser Volk und unser Land zu beschützen“. Die Regierung in Teheran bringe die iranische Bevölkerung täglich „näher an den Abgrund“.
Zugleich fand Netanjahu versöhnliche Worte an die Iraner, verbunden mit der Hoffnung auf einen Machtwechsel in Teheran: „Wenn der Iran endlich frei ist – und der Moment ist näher, als die Leute glauben –, wird alles anders sein“, versicherte er. „Zwei alte Völker, das jüdische und das persische, werden endlich im Frieden sein.“
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