Wahl in Österreich: Die Anderen machten es der FPÖ leicht

Als 2019 das Ibiza-Video bekannt wurde, mit allerlei skandalösen Aussagen, aber auch peinlichen Szenen des damaligen österreichischen Vizekanzlers und FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache, da sagte Bundespräsident Alexander van der Bellen in einer seiner wohlgesetzten Ansprachen: „So sind wir nicht.“ Damals gab es als Folge der Affäre Kladderadatsch: Rücktritte, Ministerentlassung, Misstrauensvotum, Beamtenregierung, Neuwahlen. Die Freiheitlichen stürzten kräftig ab. Aber nur fünfeinhalb Jahre später ist dieselbe FPÖ, nur ohne Strache, wieder in voller Pracht da. Ja, stärker denn je ist die rechte Partei unter Herbert Kickl ins Parlament in Wien gewählt worden. Die FPÖ ist stärkste Kraft. Sind die Österreicher also doch „so“?

Nun muss man zunächst sagen, dass Kickl ein ganz anderer Typ ist als Strache. Der Kärntner diente seiner Partei lange Jahre als Mann hinter den Kulissen. Er war es, der die Reime schmiedete und Sprüche klopfte, die dann andere in die Schlagzeilen brachten, zumeist unrühmliche, die aber Aufmerksamkeit bescherten. Kickl ist intellektueller als Strache, nicht jovial, sondern misstrauisch. Unvorstellbar, dass er auf die Oligarchennichte hereingefallen wäre. Auf der anderen Seite dürften die Bande, die er zu seinen Gefolgsleuten knüpft, schwächer sein. Sie folgen ihm, weil er Erfolg hat – aber auch nur so lange. Vom schillernden Charisma eines Jörg Haider kann bei ihm keine Rede sein.

Das Migrationsproblem ist nicht herbeigeredet

Warum hat Kickl trotzdem geschafft, was von seinen Vorgängern keinem gelungen war, und die FPÖ auf Platz eins gezogen? Er hat in erster Linie von einer Themenkonjunktur profitiert, die nicht von ungefähr auch anderswo rechte Parteien begünstigt. Seit einem Jahrzehnt findet eine unkontrollierte Massenmigration nach Europa über ein defektes Asylsystem statt. Der Ansatz, bloß nicht darüber zu reden, weil das den Extremen nütze, sondern lieber Zuversicht zu verbreiten, ist gescheitert. Es gibt ein Problem. Es ist nicht herbeigeredet. Es lässt sich auch nicht wegschweigen. Es muss grundsätzlich angepackt werden. Wundermittel hat auch die politische Rechte nicht, siehe Italien, siehe Österreich unter Türkis-Blau. Aber das heißt ja nicht, dass man stattdessen alles weiterlaufen lassen soll.

Zur Konjunktur gehört auch die gewaltige Verunsicherung aus den Krisen der vergangenen Jahre und der Gegenwart – Pandemie, Krieg in Europa, Teuerung, Rezession. Dass Regierungen in dieser Lage abgestraft werden, ist normal. Auch wenn sie all das nicht unbedingt verschuldet und vielleicht sogar manches bei der Krisenbewältigung richtig gemacht haben. Aber es sind eben auch Fehler gemacht worden. In Österreich war das beispielsweise die Impfpflicht, im Herbst 2021 übers Knie gebrochen und dann doch nicht in die Tat umgesetzt. Dass das Unsinn war, ist keine wohlfeile Erkenntnis in der Rückschau, sondern wurde schon damals kritisiert.

Es sind auch die vermeintlich weichen Themen

Kickl hat mit Fundamentalkritik das Wasser auf die eigenen Mühlen geleitet. Das ist für eine Opposition zwar grundsätzlich legitim. Aber die Maßlosigkeit, mit der er da teils zu Werke geht, ist nicht nur ungerecht. Sie führt auch dazu, dass die anderen politischen Kräfte zu Recht davor warnen, diesem Mann (wieder) Macht zu geben. Radikale Worte muss man beim Wort nehmen. Zumal Kickl schon als Innenminister gezeigt hat, dass er weniger Reformer denn Revolutionär ist, wenn er kann.

Es sind auch die vermeintlich weichen gesellschaftlichen Themen, die viele Wähler in die Arme von extremen Parteien treiben. Die Ideologisierung der Alltagssprache durch das Gendern, das einem in manchen Bereichen – in der akademischen Welt, in öffentlich-rechtlichen Sendern – geradezu aufgezwungen wird, ist so eines. Oder auch die Art, wie Lobbyisten von Minderheiten die Ansicht durchzusetzen versuchen, die heterosexuelle Orientierung sei nur eine zufällige von vielen, die gleichermaßen verbreitet seien und die über die gebotene Toleranz hinaus offensiv zu fördern seien. Wenn Kinder in oder sogar vor der Pubertät genötigt werden, ihre geschlechtliche Identität in Frage zu stellen, muss darüber gestritten werden. Wenn Vertreter gemäßigter Parteien niedergeschrien oder verächtlich gemacht werden, die so etwas ansprechen, und das dann nur mehr die Extremisten tun, denen eh schon alles wurscht ist, dann muss man sich am Wahltag nicht mehr wundern.

Bei alldem ist der Erfolg Kickls so gewaltig auch wieder nicht. 26 und 27 Prozent haben auch schon Strache und Haider erreicht. Es ist die Schwäche der anderen, die die FPÖ auf Platz eins gebracht hat: Der ÖVP, die noch am Verlust ihres Strahlemanns Sebastian Kurz und an dessen Affären leidet, und der SPÖ, die sich selbst zerfleischt. Dass eine Mehrheit in Österreich Mitte-Rechts wählt, ist seit 40 Jahren so, seit der Charismatiker Bruno Kreisky abgetreten ist.

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