Die neue Wachstumsblockade der Koalition

Die Ampelkoalitionäre bremsen sich gegenseitig aus. Nachdem es zunächst so aussah, als ob es gelingen könnte, die anstehenden Steuergesetze am kommenden Freitag geschlossen durch den Bundestag zu bringen, brachte dieser Dienstag die ernüchternde Nachricht: FDP und Grüne haben sich verhakt. Die einen blockieren die steuerpolitischen Maßnahmen aus der Wachstumsinitiative, die anderen die Erhöhung der Sozialabgaben für Gutverdiener in der Renten- und der Krankenversicherung. Koalitionskreise bestätigten diese Lage. Die Blockade überlagert Einigungserfolge beim Jahressteuergesetz und bei dem Gesetz zur Modernisierung und Entbürokratisierung im Strom- und Energiesteuerrecht.

Im Bündnis wies man sich gegenseitig die Schuld an der Verzögerung zu. In der FDP hieß es, das liege an den Grünen. Dort zeigte man auf das liberal geführte Finanzministerium: Christian Lindner (FDP) wolle nicht abgestimmte Steuerentlastungen durchsetzen. Mit den Berichten zur kalten Progression und zum Existenzminimum lägen erst seit Kürzestem neue Daten vor, die für den Einkommensteuertarif, den Kinderfreibetrag und das Kindergeld wichtig seien, erläuterte die Grünen-Finanzpolitikerin Katharina Beck.

„Es geht um dreistellige Millionen- bis zu Milliardenbeträgen, die sich nun verändern könnten, und es geht darum, dass Kinder von Eltern mit unteren und mittleren Einkommen nicht zukünftig vom Staat finanziell schlechtergestellt werden als Kinder von Eltern mit hohen Einkommen“, sagte die Abgeordnete der F.A.Z. Misslich sei, dass Teile der Wachstumsinitiative dadurch nicht diese Woche beschlossen werden könnten, da sie an das Steuerfortentwicklungsgesetz gekoppelt seien.

Änderungen beim Grundsteuerwert

Zu den Maßnahmen zugunsten der Wirtschaft gehören: eine Ausweitung der steuerlichen Forschungszulage, die vereinfachte Abschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter, eine Ausweitung der degressiven AfA über mehrere Jahre. Mit der degressiven Abschreibung können Unternehmen die mit teuren Investitionen verbundenen Kosten schneller beim Fiskus geltend machen, in den ersten Jahren drückt das den Gewinn, später fällt er höher aus – auch wenn die Steuerlast über die Jahre gleich bleibt, ist die Sache aus Sicht der Betriebe attraktiv.

Was beim Steuerfortentwicklungsgesetz nicht gelang, schafften die Unterhändler bei dem Jahressteuergesetz 2024, mit dem vieles geregelt wird, was angepackt werden muss. Häufig geht es um EU-Recht oder Entscheidungen des Bundesfinanzhofs. Auf Interesse stoßen dürfte die Übernahme des BFH-Beschlusses zur Grundsteuer. Die höchsten Steuerrichter entschieden in zwei Fällen, dass Steuerpflichtige unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit haben müssen, einen niedrigeren Wert ihres Grundstücks nachzuweisen. Darauf reagiert nun der Gesetzgeber. „Der niedrigere gemeine Wert ist als Grundsteuerwert anzusetzen, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der nach den Vorschriften dieses Abschnitts ermittelte Grundsteuerwert erheblich von dem gemeinen Wert der wirtschaftlichen Einheit im Feststellungszeitpunkt abweicht.

Davon ist auszugehen, wenn der Grundsteuerwert den nachgewiesenen gemeinen Wert um mindestens 40 Prozent übersteigt“, heißt es in dem Änderungsantrag von SPD, Grünen und FDP. Unter den insgesamt 56 Vorlagen findet sich auch die Neufassung der Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen. Hier waren viele Anbieter in Sorge, künftig mehrwertsteuerpflichtig zu werden. Der Umfang der Begünstigung wird ausgedehnt. Bildungsleistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts sollen unter diese Steuerbefreiung fallen. Begünstigt werden „Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen“. Gestoppt wurde das von Lindner betriebene Mobilitätsbudget.

Mit der geeinten Änderung des Stromsteuergesetzes soll der EU-Mindeststeuersatz von 0,50 Euro je Megawattstunde für Unternehmen des produzierenden Gewerbes sowie der Land- und Forstwirtschaft dauerhaft festgeschrieben werden. Bisher war die Entlastung bis Ende 2025 befristet. Die Entlastungswirkung für die Wirtschaft wird auf 3,25 Milliarden Euro im Jahr beziffert.

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