Der EU drohen weitere Zölle bei einer Wiederwahl Trumps

Stand: 31.10.2024 22:07 Uhr

Eine weitere Amtszeit Trumps als US-Präsident ist möglich – und verursacht Sorge in der EU. Es laufen bereits Vorbereitungen, um der harten Wirtschaftspolitik des selbsternannten Deal-Königs entgegen zu wirken.

Es waren denkwürdige Stunden im Weißen Haus. Sie endeten mit enger Umarmung und Wangenkuss. Die beteiligten Herren: der damalige US-Präsident Donald Trump und Jean-Claude Juncker, seinerzeit EU-Kommissionspräsident. Es ist ein unerwarteter Moment von transatlantischer Nähe. Die Initiative zum Kuss, sagt Juncker später im ARD-Interview, sei „im Gegensatz zu meinem üblichen Benehmen“ nicht von ihm ausgegangen. War es doch sonst oft der Luxemburger Juncker, der Frauen durch die Haare wuschelte oder Männer auf die Glatze küsste.

Die noch größere und wichtigere Überraschung dieses 26. Juli 2018: Juncker gelingt es, einen Handelskonflikt zu entschärfen, indem er Trump von einem Deal überzeugt. Der hatte vorher lange unter anderem mit zusätzlichen Zöllen auf europäische Autos gedroht. Der Gast aus Brüssel bot an, dass die EU mehr Flüssiggas und Sojabohnen kaufen werde. Es war ein eher unverbindliches Versprechen, das Trump aber überzeugte. Von einer „Eingebung des Momentes“ spricht Juncker im Rückblick. Das klingt spontan und ungeplant. Es ist jedoch davon auszugehen, dass er und sein Team sich sehr akribisch vorbereitet hatten.

Der Deal-König, der nicht nach Regeln spielt

Verhandlungen wie diese könnten schon bald wieder auf die Europäische Union zukommen. Erinnerungen – meist schlechte – werden wach an den selbsternannten Deal-König, der mit voller Härte die Interessen der USA in den Mittelpunkt stellte. Gabriel Felbermayr vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) sagt über ihn: „Trumps bleibendes Erbe ist, dass er den regelbasierten Welthandel und das Vertrauen von Unternehmen darauf, dass Regeln eingehalten werden, ruiniert hat.“

In jeder Wahlkampfrede präsentiert der Ex-Präsident, wie er sich Wirtschaftspolitik vorstellt. Deutsche Autohersteller beispielsweise sind ihm willkommen – wenn sie denn in den USA produzieren. Für Einfuhren aus dem Ausland könnten dagegen schnell die Schotten hochgehen: auf alle Importe ein Basiszoll von zehn Prozent. „Für mich ist das schönste Wort im Wörterbuch: Zölle“, schwärmte er kürzlich bei einer Veranstaltung in Chicago.

Vorbereitungen auf Trump

Die Europäische Union sollte sich auf eine mögliche zweite Trump-Amtszeit einstellen. Und sie tut es. Die Financial Times berichtet von täglichen Sitzungen hochrangiger EU-Vertreter und von einem zweistufigen Plan. Das Drehbuch könnte nach dem Prinzip Zuckerbrot und Peitsche ablaufen: Zunächst bietet die EU Trump einen „schnellen Deal“ an. Bestimmte Waren aus den USA könnten verstärkt gekauft werden. Junckers Sojabohnen lassen grüßen.

Beeindruckt das Trump nicht, könnte die EU eine Liste mit Zusatzzöllen – 50 Prozent Plus oder mehr – herausziehen. EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis will Zusammenarbeit, platziert aber auch öffentlich ein Stoppschild: „Wir haben unsere Interessen mit Zöllen verteidigt, und wir sind bereit, unsere Interessen wieder zu verteidigen, wenn es nötig ist.“

Handelskrieg zu hohen Kosten

Ein gegenseitiges Hochschaukeln auf beiden Seiten des Atlantiks, am Ende gar ein Handelskrieg, könnte für Deutschland aber teuer werden: am Ende einer vierjährigen Trump-Amtszeit droht ein Verlust von bis zu 180 Milliarden Euro. Eine solche Berechnung präsentiert jedenfalls das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Im ersten Halbjahr 2024 waren die USA für Deutschland der wichtigste Handelspartner. Hart dagegen zu halten, sei dennoch richtig. Das schade den USA mehr als der EU. „Bestenfalls reicht daher die angedrohte Vergeltung aus, um Trump in seine Schranken zu weisen“, sagt IW-Ökonomin Samina Sultan.

Seit 2020 ist mit Joe Biden wieder ein Demokrat im Amt. Der Wirtschaftsforscher Felbermayr kommt jedoch zum Schluss: „Biden hat im Prinzip bei vielen Dingen weitergemacht, die Donald Trump schon begonnen hat. Amerika zuerst“ gelte noch immer. Der Ton sei freundlicher, der Dialog regelmäßiger geworden, sagt Bernd Lange, der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament. Dann folgt das Aber: „Die von Herrn Trump illegalerweise etablierten Importzölle auf europäischen Stahl sind nach wie vor da.“ Es herrsche nur eine „gewisse Form von Waffenstillstand“.

Das Hunderte Milliarden schwere Investitionspaket Inflation Reduction Act (IRA) soll zwar einen klimafreundlichen Wandel einleiten. Europäische Unternehmen würden jedoch teilweise benachteiligt, lautet die Kritik in der EU. Der Chef des niederländischen Unternehmens ASML, das modernste Maschinen zur Chip-Produktion baut, beklagt sich: Die USA würden Druck auf die Verbündeten ausüben, um Exportbeschränkungen nach China durchzusetzen.

Kein Kurswechsel mit Harris

Mit einem deutlichen Kurswechsel nach einem Wahlsieg von Kamala Harris ist wohl nicht zu rechnen. Sie könnte den Gewerkschaften noch näher sein als Biden, was für noch weniger Appetit auf Freihandel spricht. „Nach dem, was sie im Wahlkampf gesagt hat, können wir davon ausgehen, dass Harris sich die Handelsagenda von Biden zu eigen machen würde,“ sagt der US-Handelsexperte Gary Hufbauer dem ARD-Studio Brüssel.

Was genau auf die EU in Handelsfragen zukommt, wird sich erst nach der Wahl entscheiden. Kräftemessen oder Kooperation? Feindschaft oder Partnerschaft? Sollte es unter Trump ganz schlimm kommen, dann hat vielleicht Jean-Claude Juncker noch den einen oder anderen Tipp für Ursula von der Leyen – für einen neuen Sojabohnen-Deal.

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