Bisher seien diese Soldaten nicht in Kämpfe gegen ukrainische Einheiten verwickelt, sagte Blinken am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Washington. „Aber wir gehen davon aus, dass das in den nächsten Tagen geschehen wird“, so der Minister. Zugleich warnte er davor, dass die Soldaten aus Nordkorea zu legitimen militärischen Zielen würden, wenn sie gegen Kiew in den Kampf ziehen. Es sei das erste Mal seit 100 Jahren, dass Russland ausländische Truppen in sein Land eingeladen habe.
Die Pressekonferenz fand im Anschluss an ein Treffen von Blinken und US-Verteidigungsminister Lloyd Austin mit deren jeweiligen südkoreanischen Amtskollegen statt. Der US-Außenminister sagte zudem, dass Russland die nordkoreanischen Soldaten für Gefechte mit Artillerie, im Umgang mit Drohnen sowie in grundlegenden Bodenoperationen ausbilde. Das deute darauf hin, dass Russland die Absicht habe, die Truppen an der Front einzusetzen, so Blinken.
Kiew: Nordkoreanische Generäle in Russland
Das erste Mal erwähnt hatte die 8.000 nordkoreanischen Soldaten in Kursk der stellvertretende US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, Robert Wood, im UNO-Sicherheitsrat am Donnerstag – kurz vor der Pressekonferenz Blinkens. Bereits am Mittwoch hatte die Ukraine vor dem UNO-Sicherheitsrat erklärt, Nordkorea habe mindestens 500 Offiziere, darunter drei namentlich bekannte Generäle, nach Russland geschickt. Unter ihnen sei der Kommandant der nordkoreanischen Sturmtruppen, Generaloberst Kim Yong Bok.
Dieser war jüngst wiederholt mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un aufgetreten. US-Fachleuten zufolge dürfte Kim Yong Bok eine zentrale Rolle bei einem möglichen Einsatz nordkoreanischer Truppen im Ukraine-Krieg spielen. In der ukrainischen Erklärung hieß es zudem weiter, es sei geplant, mindestens fünf Formationen aus jeweils 2.000 bis 3.000 nordkoreanischen Soldaten zu bilden. Diese sollten in russische Einheiten integriert werden, um ihre Präsenz zu verschleiern.
Russland verteidigt militärische Kooperation
Bei der Sitzung des Gremiums am Mittwoch verteidigte der russische Botschafter Wassili Nebensja zudem die militärische Kooperation seines Landes mit Nordkorea. Sie verstoße nicht gegen internationales Recht, und schließlich bekomme die Ukraine ihrerseits Unterstützung von Verbündeten aus dem Westen, so Nebensja.
Dabei kam es auch zu einem verbalen Schlagabtausch mit westlichen Vertretern, unter anderem aus Großbritannien, den USA, Südkorea und der Ukraine. Diese warfen Russland vor, mit der Stationierung von Truppen aus dem mit Sanktionen der Vereinten Nationen belegten Land gegen UNO-Resolutionen und die UNO-Charta zu verstoßen.
Pjöngjang dementierte zwar die Entsendung von Truppen nach Russland bisher, die nordkoreanische Außenministerin Choe Son Hui teilte jedoch mit, dass eine solche Stationierung im Einklang mit internationalem Recht stehen würde. Am Mittwoch hielt sie sich zudem zu „strategischen“ Gesprächen bei ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow in Moskau auf.
Borrell: „Feindlicher Akt Nordkoreas“
EU-Chefdiplomat Josep Borrell forderte von Nordkorea einen Stopp der Unterstützung. „Eine fortgesetzte militärische Unterstützung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine durch Nordkorea wird mit einer angemessenen Reaktion beantwortet werden“, teilte Borrell mit. Es sei ein einseitiger, feindlicher Akt Nordkoreas mit schwerwiegenden Folgen für den Frieden und die Sicherheit in Europa und weltweit, so der EU-Außenbeauftragte.
Auch das US-Verteidigungsministerium zeigte sich „zunehmend besorgt“. Insgesamt 10.000 nordkoreanische Soldaten sollen laut US-Angaben nach Russland entsandt worden sein. Auch die NATO hatte solche Angaben zuletzt bestätigt. Laut dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj könnte diese Zahl sogar „gegen 12.000 steigen“, wie er nach einem Austausch mit seinem südkoreanischen Amtskollegen mitteilte.
Selenskyj zeigte sich zugleich über die Reaktion seiner Verbündeten auf die Berichte über nordkoreanische Soldaten in Russland enttäuscht. Die Reaktion im Westen sei „gleich null“, sagte er am Donnerstag – noch bevor Blinken seine Pressekonferenz abhielt. Er sei auch überrascht über das Schweigen Chinas. Russland teste die Reaktion der westlichen Verbündeten und werde bei einer schwachen Antwort noch mehr nordkoreanische Soldaten im Krieg gegen die Ukraine einsetzen.
Russische Uniformen und Falschidentitäten
Laut der „Financial Times“ („FT“) von Mittwoch hielten sich 3.000 der kolportierten 10.000 bis 12.000 Soldaten bereits in Baracken rund 50 Kilometer von der ukrainischen Grenze in der Kursk-Region auf. Ob es nun, wie von den USA am Donnerstag behauptet, bereits 8.000 seien, war bis dato unklar. Es wäre jedoch eine enorme Zunahme zu den vorherigen Zahlen. Die russische Grenzregion ist derzeit besonders stark umkämpft. Die Ukraine hatte dort im August eine Gegenoffensive gegen die russische Armee gestartet.
„Wir sehen auch, dass sie russische Uniformen tragen und mit russischer Ausrüstung ausgestattet sind“, sagte US-Verteidigungsminister Austin bezüglich der nordkoreanischen Soldaten in der russischen Grenzregion Kursk. Am Mittwoch traf er im Pentagon in Washington mit seinem südkoreanischen Amtskollegen Kim Yong Hyun zusammen. Auch der südkoreanische Geheimdienst sprach von russischen Uniformen und Falschidentitäten für nordkoreanische Soldaten.
Auf eine Frage von CNN, ob Südkorea der Ukraine militärische Hilfe gegen Nordkorea leisten würde – was im Widerspruch zur langjährigen südkoreanischen Politik stünde, keine Länder im Krieg zu bewaffnen –, antwortete Kim nicht direkt. Er sagte jedoch, dass südkoreanische Militäranalysten die nordkoreanischen Soldaten bei potenziellen Kämpfen beobachten könnten, um mehr Erkenntnisse über die militärische Bereitschaft Nordkoreas zu gewinnen. Laut UNO-Diplomatenangaben könnten die Nordkoreaner jedoch auch hinter der Front eingesetzt werden und dort logistische Aufgaben übernehmen.
Soldaten als „Kanonenfutter“
Beobachterinnen und Beobachter stellen jedoch vor allem die „Qualität“ und „Kampffähigkeit“ der nordkoreanischen Soldaten infrage. Viele von ihnen seien unerfahrene Fußsoldaten mit niedrigem Rang. Viele hätten zudem „niemals zuvor ihr Land verlassen“ oder in einem „tatsächlichen Krieg gekämpft“, zitierte die „FT“ Geheimdienstmitarbeiter der Ukraine. Diese glaubten zudem, Russland würde sie als „Kanonenfutter“ einsetzen, um seine brutale, aber effektive Angriffstaktik, haufenweise Truppen über das Niemandsland zu schicken, anwenden zu können.
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