Trump spricht von einem „großen Gefühl der Liebe“. Er sagt, es sei Zeit, die Uneinigkeiten der vergangenen vier Jahr hinter sich zu lassen.
Trump dankt Vance und auch Elon Musk, dem Tech-Milliardär, der sein wichtigster Wahlhelfer war. Die Republikaner hätten die Kontrolle über den Senat zurückgewonnen, sagt Trump. Und es sehe so aus, dass man auch die Mehrheit im Repräsentantenhaus verteidigen werde. Trump ist ganz bei sich.
Als er 2016 nach seinem Wahlsieg in New York auf seiner Wahlparty erschien, sah man ihm seine Überraschung an. Er war sichtlich beeindruckt. Nun ist er so wie immer – und gerät an diesem historischen Abend ins Schwadronieren. Keine Notwendigkeit, eine vorbereitete Rede vorzutragen. Trump ist Trump. Er ist die Marke.
Der Sender „Fox News“ hatte Trump soeben zum Wahlsieger erklärt. Als zweiter Präsident – nach Grover Cleveland, dem 22. und 24. Präsidenten am Ende des 19. Jahrhunderts – sei er für zwei nicht aufeinander folgende Amtszeiten gewählt worden. Der Sender schlug Pennsylvania und Wisconsin dem Republikaner zu. Damit hat er die ausreichende Zahl an Wahlleuten, um der 47. Präsident zu werden. Kamala Harris muss damit am 6. Januar den Wahlsieg ihres Rivalen in der Kongresssitzung beglaubigen.
Harris tritt in der Wahlnacht nicht auf
Kurz zuvor war Cedric Richmond, der Ko-Vorsitzende von Harris‘ Wahlkampfteam, vor die Anhänger der Demokratin an der Howard University in Washington getreten: Es müssten immer noch Stimmen ausgezählt werden, sagte er. Man wolle sicherstellen, dass jede Stimme gezählt werde. Sodann: „Ihr werdet heute nichts von der Vizepräsidentin hören.“ Harris werde sich erst am nächsten Tag an die Nation wenden.
Das erinnerte an 2016, als Hillary Clintons Wahlkampfleiter John Podesta mit der gleichen Botschaft im New Yorker Javits Center auftrat. Clinton rief noch in der Nacht Trump an und gestand ihre Niederlage ein.
Harris‘ Leute hatten vorher schon verbreitet, man sehe noch einen Pfad zum Wahlsieg – über die „blaue Wand“, also die Rostgürtelstaaten Pennsylvania, Michigan und Wisconsin. North Carolina war zu diesem Zeitpunkt für die Demokratin so gut wie verloren. Und in Georgia sah es auch nicht gut aus. In beiden Bundesstaaten wurde Trump einige Zeit später zum Sieger erklärt. Je später der Abend wurde, desto mehr glich die Wahlkarte jener des Jahres 2016. Gegen Mitternacht lag Trump dann auch im Rostgürtel vorne. Und zwar in allen drei Staaten, die seinerzeit Clinton verlor. Noch aber musste weiter gezählt werden.
Trump gewinnt mehr Wähler
Anders als 2016 sind diesmal die wenigsten überrascht. Vor acht Jahren hielten einige den Sieg des Rechtspopulisten für einen Betriebsunfall beziehungsweise für eine reine Protestwahl gegen das Establishment, das Clinton verkörperte. Die Wahlbeteiligung war gering; Clinton hatte schlecht mobilisiert. Vor vier Jahren verlor er zwar gegen Biden, steigerte aber trotzdem die Zahl seiner Wähler. Die Demokraten mobilisierten aber noch stärker.
Diesmal mobilisierte Trump nicht nur seine Bewegung aus. Er gewann auch neue Wähler hinzu: Erste Zahlen zeigen, dass Harris bei afroamerikanischen Männern und auch der männlichen Latino-Bevölkerung, auf die sich die Demokraten lange verlassen konnten, eingebrochen ist.
Trump konnte punkten, trotz seiner aggressiven Rhetorik gegen Einwanderer. Und in Michigan deutet sich an, dass die arabischstämmige Bevölkerung, die wegen Unterstützung Israels im Nahostkrieg aufgebracht war, mehrheitlich Harris die Stimme verweigert hat. Damit zerbröckelte die Wählerallianz, die Biden vor vier Jahren zum Sieg getragen hatte.
Trump selbst schien am Wahltag zunächst noch mit einem knapperen Ergebnis gerechnet zu haben. Jedenfalls baute er vor: Bei seiner Stimmabgabe am Dienstag in Florida sagte er zunächst: „Wenn ich eine Wahl verliere, wenn es eine faire Wahl ist, wäre ich der Erste, der das anerkennt“. Bislang denke er, dass sie fair gewesen sei.
Im Übrigen müsse er seine Anhänger nicht auffordern, auf Gewalt zu verzichten. Es seien keine gewalttätigen Leute. Dann erwähnte Trump noch, dass beide Seiten sich für Anfechtungen gerüstet hätten. „Tausende von Anwälten“ stünden bereit.
Wenige Stunden nach seiner Stimmabgabe, setzte er dann einen Tweet ab: Es werde über „massiven Betrug“ in Philadelphia gesprochen. Die Strafverfolgungsbehörden seien im Anmarsch. Damit wiederholte er seine Strategie von vor vier Jahren. Damals begann Trump am Wahlabend eine zweimonatige „Stop-the-Steal“-Kampagne, die am 6. Januar 2021 in der Erstürmung des Kapitols mündete.
Es gab früh Anzeichen für Harris‘ Niederlage
Anzeichen für eine Niederlage der Demokratin gab es frühzeitig. Und die Nervosität war Harris und ihren Leuten in der Schlussphase des Wahlkampfs anzusehen. Zwar sagten die Umfragen ein knappes Rennen in den Swing States voraus, doch anders als Clinton 2016 und Biden 2020 führte Harris nicht in den nationalen Erhebungen. Das war ein bedenkliches Signal.
Weitere Indikatoren kamen hinzu: Den Republikanern gelang es, die Zahl ihrer registrierten Wähler zu erhöhen. Und sie setzten – anders als vor vier Jahren – verstärkt auch auf die Briefwahl, obwohl Trump weiterhin behauptete, die Demokraten nutzten die Option, um zu betrügen.
Vor allem aber war da die Unzufriedenheit mit dem Amtsinhaber, die auf Harris lastete. Trumps Team fragte immer wieder: Geht es euch besser als vor vier Jahren? Ist das Land auf dem richtigen Weg? Das zeigte offensichtlich Wirkung bei Wechselwählern, die bereit waren, seine aggressive Rhetorik zu ignorieren.
Trump setzte auf Rache
Eine andere grundsätzliche Botschaft kam hinzu: 2016 hatte Trump seiner Wählerschaft zu verstehen gegeben: Ich bin eure Wut (auf das Establishment). 2024 wurde daraus: Ich bin eure Rache (gegen das Establishment). Mit Blick auf die Strafprozesse gegen ihn hieß das: Der „tiefe Staat“ sei eigentlich gar nicht hinter ihm her, sondern hinter seinen Anhängern. Nur er, Trump, stehe diesem im Weg. Vergeltung wurde zum Leitmotiv seiner Kampagne.
Kamala Harris konnte im Sommer, als sie ohne Vorbereitung die Kandidatur Joe Bidens übernahm, die bestehenden Zweifel an ihrer Eignung für das Amt für einige Zeit vergessen machen. Aber in der Wahlnacht stellen sich Fragen: War die kurzzeitige Begeisterung für sie letztlich nur ein Hype? Angetrieben von der Erleichterung in ihrer Partei, dass man den greisen Amtsinhaber erfolgreich zum Verzicht gedrängt hatte? Befeuert von den Mainstream-Medien, die beide Augen zudrückten im Bestreben, um eine zweite Trump-Amtszeit zu verhindern?
Am Anfang machte Harris Trump nervös
Trump jedenfalls war im Sommer selbst nervös, als er es plötzlich mit einer 18 Jahre jüngeren Frau zu tun bekam. Er klagte darüber, dass er viel Geld in eine Kampagne gegen Biden investierte habe, die nun wertlos geworden sei. Und er scheute sich, in ein zweites Fernsehduell mit Harris zu gehen, nachdem diese ihn im ersten vorgeführt hatte. Auch er nahm sie ernst. Wie immer, wenn er es mit starken Frauen zu tun hatte, griff er zum Leidwesen vieler Republikaner zu Verunglimpfungen. Wie früher Hillary Clinton und Nancy Pelosi beschimpfte er Harris als „verrückt“ und „dumm“. Und zeigte Nerven.
Harris holte in den Umfragen Bidens Rückstand auf und zog sogar zwischenzeitlich an Trump vorbei. Danach begann ihr Wahlkampf aber zu stagnieren. Es zeigte sich, dass Trumps alte Anti-Biden-Kampagne sich doch noch nutzen ließ: Er machte die Vizepräsidentin für alles verantwortlich, was in den vergangenen vier Jahren schiefgelaufen war: zuvörderst für die Inflation und die Migrationskrise, aber auch für den chaotischen Abzug aus Afghanistan. Letzterer ist nicht nur vielen Amerikanern als Zeit der Schande in Erinnerung.
Auch Trumps Lesart, die sichtbare Schwäche Amerikas habe den russischen Präsidenten Wladimir Putin erst veranlasst, nach der Ukraine zu greifen, teilen viele. Es verfestigte sich der Eindruck, Harris sei nicht stark genug, Amerika in dieser gefährlichen Weltlage zu führen. Auch konnte Trump – das zeigen Umfragen – mit dem Versprechen punkten, er werde die Wirtschaft des Landes wieder in Ordnung bringen. Das überzeugte selbst Wähler, die sich an seinem Auftreten stoßen.
Ein Satz von Harris als Geschenk für Trump
Anfangs versuchte Harris den Vorwurf, ihre Präsidentschaft wäre einfach eine Fortsetzung der vergangenen vier Jahre, noch mit dem Hinweis zu kontern, sie sei nicht Joe Biden. Doch als sie wenige Wochen vor der Wahl gefragt wurde, was sie anders machen würde als der Amtsinhaber, erwiderte sie hilflos, da falle ihr nichts ein. Den Satz schlachteten Trump und sein „running mate“ J.D. Vance dankend aus.
Die Worte offenbarten Harris‘ zentrales Dilemma: Sie übernahm die Kandidatur nicht nur unvorbereitet. Sie konnte sich auch vom Amtsinhaber, den sie und die Partei würdevoll behandeln wollten, nicht distanzieren.
Jede programmatische Festlegung hätte die fragile Wählerallianz gefährdet: Hätte sie etwa angekündigt, die Schuldenpolitik zu beenden, hätte sie eingestanden, dass Bidens Konjunkturprogramme die Inflation befeuert haben, womit sie die Parteilinke und die Gewerkschaften verprellt hätte.
Hätte sie Pläne für eine konkrete Steuerreform vorgelegt, um einen größeren Beitrag der Besserverdienenden zu verlangen, wäre sie Gefahr gelaufen, unabhängige Wähler und moderate Republikaner zu verlieren. So blieb sie vage und nährte den Vorwurf, kaum Profil zu haben.
Die Demokraten diskutieren: Wäre Biden doch der bessere gewesen?
War der Kandidatenwechsel also ein Fehler? Diese Debatte hat unter Demokraten schon begonnen. Nach Bidens Verzicht hatte dessen Beraterin Anita Dunn bereits im Sommer geäußert, dass sein Wahlkampfteam schon im Begriff gewesen sei, die Krise nach Bidens fahrigem Auftritt im Fernsehduell mit Trump zu überwinden, als die Querschüsse von Nancy Pelosi und anderen nicht aufhören wollten.
Hätte Biden, der so lange behauptete, er sei der Einzige, der Trump schlagen könne, es wieder gelingen können? Hätte er die weiße männliche Arbeiterschaft mobilisiert? Andererseits ist Biden der Mann, der Harris‘ Wahlkampf auf der Schlussgeraden in die Bredouille brachte, als er Trumps Anhänger als „Müll“ beschimpfte? Kaum vorstellbar, dass sich diese Lesart durchsetzt.
Vielmehr sind schon Stimmen zu vernehmen, wonach Biden frühzeitig seinen Verzicht hätte erklären müssen, um der Partei Zeit für echte Vorwahlen zu geben. In denen hätte sich womöglich ein stärkerer und weniger belasteter Kandidat als die Vizepräsidentin durchgesetzt. Auch eine Debatte über Harris‘ „running mate“ Tim Walz dürfte folgen: Wäre Josh Shapiro, der populäre Gouverneur von Pennsylvania, doch die bessere Wahl gewesen?
Das alles scheint nun aber verschüttete Milch zu sein. Die Wahlen offenbarten ein „Gender gap“, eine deutliche Geschlechterdifferenz: Zwar gelang es Harris insbesondere mit der Abtreibungsdebatte Frauen in ihr Lager zu ziehen. Viele Männer aber hegten Zweifel an ihr: Weil sie zu links, zu unerfahren sei und auch – Barack Obama sprach es frühzeitig mit Blick auf junge schwarze Männer aus: Weil sie eine Frau ist.
Dieses Mal ist Trump vorbereitet
2016 war Trump selbst von seinem Sieg überrascht. Vollkommen unvorbereitet musste er wenige Wochen später ins Weiße Haus einziehen. Das ist dieses Mal anders. Auch wenn er sich aus taktischen Gründen vom „Project 2025“ distanzierte, das federführend die erzkonservative Heritage Foundation für ihn erstellt hatte – diesmal liegt ein Regierungsprogramm vor. Seine Leute verfügen auch über Personallisten. Nicht nur für Kabinetts- und Beraterposten, sondern auch für entscheidende Stellen in der Bundesverwaltung, die man säubern möchte. In der eigenen Sprache heißt das: der „tiefe Staat“ soll eliminiert werden.
Trump will nun durchregieren. Es gibt da noch den Kongress. Wie erwartet, ist es den Republikanern gelungen, die Kontrolle über den Senat zu gewinnen. Das hatten die Demokraten gleichsam eingepreist. Im Repräsentantenhaus ist noch nicht klar, in welche Richtung das Pendel schwingt. In mehreren Kongressbezirken zieht sich die Auszählung hin. Mike Johnson, der republikanische Sprecher der ersten Kongresskammer, machte sich noch am Dienstag nach Florida auf. Er zeigte sich zuversichtlich, am Ende seine Mehrheit ausbauen zu können.
Sollte es den Republikanern gelingen, ihre knappe Mehrheit zu verteidigen, kann Johnson sich trotz seines Ärgers mit dem Rechts-außen-Flügel seiner Fraktion Hoffnung machen, im Amt bestätigt zu werden. Er hat nämlich die Unterstützung Trumps. Eine vereinte Regierungsverantwortung, bei der Republikaner das Weiße Haus und beide Kongresskammern kontrollieren, würde die internen Lagerkämpfe beenden, sagte Johnson kürzlich. Er kündigte zudem eine kämpferische Agenda für die ersten 100 Tage nach der Amtseinführung an.
Trumps Intimfeind McConnell tritt ab
Im Senat endet die Ära Mitch McConnells. Der republikanische Senator aus Kentucky hat seine Fraktion so lange geführt hat wie kein anderer Politiker in der Geschichte der zweiten Kammer. Seit dem Sturm auf das Kapitol und dem Versuch, die Wahlen 2020 zu kippen, dem er sich entgegenstellte, war er Trumps Intimfeind.
In der Nachfolgefrage läuft es mutmaßlich entweder auf John Thune aus South Dakota oder John Cornyn aus Texas hinaus. Beide sind keine eingefleischten Trumpisten. Sie müssten sich aber mit Trump arrangieren, weil er die Wahl als Mandat versteht, endlich seinen Willen durchzusetzen, ohne von alten Kräften gezähmt zu werden.
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