Deutsche Ampel am Ende: Neuwahlen Ende März wahrscheinlich

„Ich hätte Ihnen diese schwierige Entscheidung gerne erspart“, mit diesen Worten wandte sich Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwochabend an die deutsche Bevölkerung. Und fand klare Worte zum Ende der Ampel-Regierung: „Wir brauchen eine handlungsfähige Regierung, die die nötigen Entscheidungen treffen kann. Darum ging es mir in den letzten drei Jahren, darum geht es mir jetzt.“

Deswegen wird Scholz Bundespräsidenten Walter Steinmeier bitten, Lindner als Finanzminister zu entlassen. 

Nach Tagen der Debatten und Treffen im kleinen Kreis kam es am Mittwochabend zu einem Ende der deutschen Ampelkoalition aus SPD, Grüne und FDP. Zu tief waren die Gräben in wirtschaftspolitischen Fragen zwischen dem Liberalen Lindner und den Rot-Grünen Koalitionspartnern Scholz (SPD) und Robert Habeck (Grüne). 

German Chancellor Scholz dismisses Finance Minister Christian Lindner

Kanzler Olaf Scholz (SPD) will am 15. Jänner im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Spätestens Ende März könnte es Neuwahlen geben. 

Scholz rechnete in einer Pressekonferenz überraschend hart mit Finanzminister Christian Lindner ab: Man habe einen letzten Wirtschaftsplan „zur Stärkung Deutschlands in schwieriger Zeit“ der FDP angeboten, doch die habe sich „verweigert“. „Immer wieder“ habe man in den vergangenen Jahren Vorschläge gemacht, „auf pragmatische Lösungen gedrängt. Doch „zu oft“ habe es öffentlich inszenierten Streit gegeben (Stichwort Wärmepumpe-Gesetz oder Budget-Stopfung), habe FDP-Chef Lindner blockiert und „parteipolitisch taktiert“, „mein Vertrauen gebrochen“, so Scholz. „Verantwortungslos“ sei die FDP.

Scholz will am 15. Jänner am Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Je nachdem, wie der Bundestag entscheidet, könnte es spätestens Ende März Neuwahlen geben. Der eigentliche Wahltermin für die nächste Bundestagswahl war für Herbst 2025 vorgesehen.

GERMANY-POLITICS-COALITION

Finanzminister Christian Lindner trat am Mittwochabend vor die Presse.

Lindner kontert: „Kalkulierter Bruch“

Das volle Ausmaß der ewigen Streitigkeiten der Regierung wurde am Mittwochabend ersichtlich. FDP-Chef Lindner antwortete ebenfalls mit einer Pressekonferenz auf Scholz‘ Vorwürfe: Scholz habe gezeigt, „dass er nicht die Kraft hat, dem Land einen neuen Aufbruch zu geben“, seine Pläne seien „matt, unambitioniert und leisten keinen Beitrag, um die grundlegende Wachstumsschwäche Deutschlands zu überwinden“, so Lindner. 

Vergangenen Freitag hatte Lindner einen 18-Punkte-Plan vorgelegt, der in Berlin als „Scheidungspapier“ gehandelt worden war: 18 marktliberale Positionen, die die FDP im neuen Budget für 2025 zum Stopfen der Milliardenlöcher einfordert – und bei denen klar war, dass Koalitionspartner SPD und Grüne wohl nicht mitziehen würden.

Knackpunkt Schuldenbremse

Scholz habe von ihm „ultimativ“ verlangt, die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse auszusetzen: „Damit hätte ich meinen Amtseid verletzt.“ Die Schuldenbremse hatte in den letzten Jahren immer wieder für Streit gesorgt. Während SPD und Grüne im Grunde für mehr Staatslenkung waren und sich immer wieder gegen die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form ausgesprochen hatten, gilt der marktliberale Lindner als Verfechter dieser. 

Lindner warf Scholz einen „kalkulierten Bruch der Koalition“, den dieser lange geplant hätte, vor. Das sei etwa an seiner gut vorbereiteten Rede ersichtlich gewesen. Zudem habe man ihm den „gemeinsamen Weg zu Neuwahlen vorgeschlagen, den er brüsk zurückgewiesen hatte“, so Lindner in seinem wesentlich kürzeren Statement.

Kurz zuvor hatte eine vor dem deutschen Kanzleramt in Berlin noch eine Gruppe von Anhängern der deutschen Regierungskoalition ein paar Rosenkränze gebetet – doch die Gebete verhallten ungehört. Schon seit der Früh hatten die drei Politiker dort im kleinen Kreis beraten. Lindner soll bei einem Treffen des Koalitionsausschusses im Kanzleramt am Abend Neuwahlen vorgeschlagen, Scholz diese aber noch abgelehnt haben. 

Seit Amtsantritt hatte die Koalition grundlegend über die Wirtschaftspolitik gestritten. In den vergangenen Wochen hatten unabgestimmte Gipfeltreffen und unterschiedliche Papiere den Konflikt zuletzt befeuert. Zuletzt lief der Ampel-Regierung aber die Zeit für eine Streitschlichtung davon: Am 14. November musste eigentlich der Etat für das Jahr 2025 beschlossen, davor noch Milliardenlücken geschlossen werden.

German Chancellor Scholz dismisses Finance Minister Christian Lindner

Vize-Kanzler Robert Habeck und Außenministerin Annalena Barrbock meldeten sich ebenfalls zu Wort.

Habeck verspricht „Haltung des Optimismus“

„Wir werden die Zeit nutzen, um mit der verbliebenen Regierung eine Geschlossenheit an den Tag zu legen, die all das, was wir im Land brauchen, repräsentiert“, reagierte Vize-Kanzler Habeck in einer Stellungnahme am späten Mittwochabend. Er sprach von einer „Haltung des Optimismus und des Gestalten Wollen“, die man in den nächsten Wochen einnehmen wolle. Er schloss sein Statement mit: „Ab morgen geht die Arbeit weiter.“

Rot-Grün will sich in den kommenden Wochen bis Weihnachten versuchen, noch offene Gesetzesvorhaben im Bundestag ohne Mehrheit durchzubringen.

Miserable Umfragewerte

Welche Optionen hätte Kanzler Scholz noch? SPD und Grüne könnten auch versuchen, in einer Minderheitsregierung weiter zu regieren, wären aber bei jeder Entscheidung im Bundestag auf Unterstützung aus der Opposition angewiesen. Die Union unter Friedrich Merz aber drängt seit Langem auf vorgezogene Bundestagswahlen und führt in den Umfragen mit 33 Prozent. Merz dürfte sich deshalb kaum kooperativ zeigen. 

Deswegen war bereits spekuliert worden, dass Scholz dem Bundestag die Vertrauensfrage stellen werde, und daraufhin Neuwahlen vorgezogen werden. Allerdings müssen wohl alle drei Ampel-Parteien mit einer Abstrafung rechnen: In den aktuellen Umfragen liegt die SPD bei 16 Prozent, die Grünen bei zehn, die FDP bei drei. Die Liberalen würden aktuell aus dem Bundestag fallen, auch wenn Lindner am Mittwochabend sagte, man wolle in einer anderen Konstellation weiter regieren. Die rechtspopulistische AfD liegt je nach Umfrageinstitut derzeit zwischen 16 und 18 Prozent.

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