Nach Ampel-Aus: Diese Projekte will Scholz noch durchbringen

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Stand: 07.11.2024 09:46 Uhr

Die Ampel ist zwar zerbrochen, doch wichtige politische Vorhaben befinden sich noch in der Pipeline. Bevor er die Vertrauensfrage stellt, will Kanzler Scholz den Bundestag darüber abstimmen lassen. Welche sind das?

Auch nach dem Ende der Ampel müssen in Deutschland weiter politische Entscheidungen getroffen werden – das machte Kanzler Olaf Scholz in seiner Rede nach dem Bruch der Koalition deutlich. Und er führte sogleich aus, welche Vorhaben, die aus seiner Sicht „keinerlei Aufschub dulden“, er noch bis Jahresende im Bundestag zur Abstimmung stellen will. Dazu zählen der Ausgleich der kalten Progression, die Stabilisierung der gesetzlichen Rente, die Umsetzung der Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems sowie Sofortmaßnahmen für die deutsche Industrie.

Am 20. Dezember soll das Parlament planmäßig zum letzten Mal in diesem Jahr zusammenkommen. Im März könnte es dann Neuwahlen geben. Die Vorhaben im Überblick:

Steuerliche Entlastungen

Scholz will, dass der Effekt der Inflation bei der Einkommensteuer ausgeglichen wird – ein Projekt, das eigentlich der nun Ex-Finanzminister Christian Lindner maßgeblich vorangetrieben hat. „Damit alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab dem 1. Januar mehr Netto vom Brutto haben“, begründete der Kanzler seine Entscheidung, an den Plänen zum Ausgleich der Kalten Progression festzuhalten. 

Kalte Progression

Die kalte Progression entsteht, wenn moderate Gehaltserhöhungen nur die Inflation ausgleichen, der Arbeitnehmer durch sie aber in einen höheren Einkommensteuertarif rutscht. So muss er mehr Steuern zahlen (Progressionseffekt). Weil die Inflation die Erhöhung einerseits auffrisst, und wegen der höheren Steuern andererseits sinkt seine Kaufkraft also.

Weil die Finanzbehörden von diesem Modell überproportional profitieren, sprechen Politiker, die die kalte Progression abschaffen wollen, auch von „heimlichen Steuererhöhungen“. Bekämpft werden kann der Effekt, indem der Verlauf der Steuertarife geändert wird – auch „Steuerbremse“ genannt.

Lindner wollte dafür den Grundfreibetrag und die anderen Eckwerte des Steuertarifs so verschieben, dass höhere Steuersätze erst später greifen. Nur die Grenze für die Reichensteuer, die noch über dem Spitzensteuersatz liegt, sollte gleich bleiben – damit die Allerreichsten weniger stark entlastet werden. Der FDP-Chef hatte den Grünen vorgeworfen, die Pläne zu blockieren.

Rente

Das dürfte der für die SPD wohl wichtigste Punkt sein: Die Stabilisierung der gesetzlichen Rente. Der Bundestag hat sich Ende September in erster Lesung mit dem seit langem vorbereiteten Rentenpaket befasst. Im Kern soll ein stabiles Rentenniveau garantiert werden, die Rentenbezüge sollen Schritt halten mit der Lohnentwicklung.

Wegen der alternden Bevölkerung wird dies aber immer teurer – was dann zu höheren Beiträgen für jüngere Leute führt. Die Koalition will diese prognostizierte Beitragserhöhung dadurch abfedern, dass sie Geld am Aktienmarkt anlegt und die Rendite in die Rente steckt. 

Insbesondere der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, pochte allerdings auf Änderungen, da das Paket aus seiner Sicht die Jüngeren über Gebühr belastet. Denn der Aktienplan kann voraussichtlich nicht die gesamten Mehrkosten auffangen.

Allerdings ist das Rentenpaket auch in der Union umstritten. Fraktionsvize Hermann Gröhe nannte es Ende September eine verpasste Chance für mehr Generationengerechtigkeit. Es sei ein Neustart in der Rentenpolitik notwendig. 

Asylpolitik

Scholz strebt eine schnelle Umsetzung der Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an. Am Mittwochvormittag noch hatte die Koalition dazu zwei Gesetzesänderungen beschlossen. Die Reform sieht unter anderem eine Verpflichtung zur Identitätskontrolle bei Ankommenden vor. Asylbewerber mit einer EU-weiten Schutzquote von unter 20 Prozent sollen ihr Verfahren an der EU-Außengrenze durchlaufen. 

Hilfen für die Industrie

Deutschland steckt in einer Konjunkturflaute, besonders betroffen ist die deutsche Industrie. Kanzler Scholz hatte Ende Oktober einen Industriegipfel mit Vertretern von Wirtschaft und Gewerkschaften veranstaltet. Er kündigte danach einen „Pakt für die Industrie“ an, der sehr konkrete Maßnahmen umfassen solle, um den Standort zu stärken. Wirtschaftsverbänden beklagen vor allem im internationalen Vergleich hohe Energiepreise. 

Bis Jahresende will Scholz nun unbedingt „Sofortmaßnahmen“ für die Industrie durchsetzen. Konkret sagte er, die Netzentgelte für Unternehmen sollten gedeckelt werden und es solle ein Paket geschnürt werden, das Arbeitsplätze in der Automobilindustrie und bei den vielen Zuliefererbetrieben sichere. Denkbar wären zum Beispiel neue Fördermaßnahmen, um den Absatz von Elektroautos anzukurbeln.

Gibt es Mehrheiten für Projekte?

Nach dem Bruch der Koalition ist es fraglich, ob SPD und Grüne noch genug weitere Stimmen einsammeln können, um Mehrheiten bei den Abstimmungen für die Vorhaben zu bekommen. Der Kanzler kündigte an, er werde sehr schnell das Gespräch mit dem Oppositionsführer suchen, dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz. Er wolle ihm anbieten, in zwei entscheidenden Fragen, „gern auch mehr“, konstruktiv zusammenzuarbeiten.

Merz signalisierte Bereitschaft zu Gesprächen: „Wir sind selbstverständlich bereit, Verantwortung für unser Land zu übernehmen“, sagte er in seinem Statement. Er will jedoch nicht bis Januar mit der Vertrauensfrage warten und forderte von Scholz sofortige Neuwahlen. Seiner Ansicht nach bliebe auch dann noch genug Zeit, herauszufinden, ob „es Themen gibt, die wir gegebenenfalls in der zu Ende gehenden Wahlperiode des Bundestages gemeinsam beschließen müssen.“

Allerdings kündigte die FDP an, Projekte, an denen die Partei mitgearbeitet hat, nicht fallen zu lassen. Fraktionschef Christian Dürr sagte im ARD-Morgenmagazin: „Wenn es um Entlastung geht, ist es selbstverständlich, dass wir dabei sind.“ Er könne sich aber vorstellen, dass von Seiten der SPD Vorschläge kommen, die nicht zur Entlastung der Bürger beitrügen.

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