Der Trump-Sieg und das Ampel-Aus beschäftigte auch die Runde, die am Mittwochabend bei Maybrit Illner eingefunden hatte. Während zwischen den anwesenden Politikern beim Thema Wärmewende Einigkeit herrschte, platzte der Politikwissenschaftlerin bei Trump der Kragen.
Für viele dürfte es ein Schock sein. Die Wiederwahl Donald Trumps stellt auch Deutschland vor enorme Herausforderungen. Sicherheitspolitisch droht der wichtigste Ukraine-Unterstützer auszufallen, ökonomisch hat der frühere und kommende US-Präsident die Bundesrepublik ohnehin als Gegner markiert. Allein seine geplanten Zölle könnten für die hiesige Wirtschaft Verluste in Höhe von 150 Milliarden Euro bedeuten, wie das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft kalkulierte.
Unterdessen zerbröselt in Berlin die Ampel-Koalition – inklusive wechselseitiger Abrechnungen von Olaf Scholz und Christian Lindner. Maybrit Illner rückte am Donnerstag die „Beben in Berlin und Washington“ in den Fokus ihrer Talk-Formats. Zur Gesprächsrunde begrüßte sie den CDU-Fraktions- und Parteivorsitzenden Friedrich Merz, den früheren Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), die Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach sowie Fred Pleitgen, Auslandskorrespondent des US-Nachrichtensenders CNN.
Noch am Sonntag hatte Gabriel mit einer Ampel-Zukunft gerechnet. „Ich glaube nicht, dass die Koalition schiefgeht“, hatte der frühere Vizekanzler bei Caren Miosga gesagt, „Das wäre Selbstmord aus Angst vor dem Tode.“ Nun gestand er ein, dass die „Substanz“ der Regierung verloren gegangen sei. Eine Fortsetzung wäre demzufolge nur eine „Verlängerung des Elends“ gewesen. Durch seine Entscheidung habe Olaf Scholz an „Stärke gewonnen“, die sich in einem kommenden Wahlkampf nutzen ließe, befand der SPD-Politiker. Er riete dem Kanzler deshalb, „relativ schnell“ die Vertrauensfrage zu stellen, um Wahlen herbeizuführen.
Bei Friedrich Merz lief er damit offene Türen ein. Olaf Scholz müsse „den Weg freimachen“, forderte der Oppositionsführer. In einem halbstündigen Gespräch habe er dem Bundeskanzler klargemacht, dass seine Partei „selbstverständlich“ bereit sei, über „das eine oder andere Thema“ mit ihm zu sprechen, sofern dieser nächste Woche die Vertrauensfrage stelle. Es fehle ihm eine Begründung dafür, diese erst im kommenden Januar zu stellen. Auch im persönlichen Gespräch habe der SPD-Politiker den Grund offengelassen. „Ich verstehe es offengestanden auch nicht“, beklagte der CDU-Abgeordnete.
Ein konstruktives Misstrauensvotum schloss er indes auch mit Blick auf die Rechtspopulisten aus. „Ich weiß das nicht, dass die AfD mich wählen würde“, sagte Merz, aber „wenn sie es täte, würde ich es nicht annehmen. Nein, das kommt nicht in Frage.“ Es komme nun auf den Kanzler an, dem Staat ein neues Parlament und eine daraus resultierende stabile Regierung zu ermöglichen. Der CDU-Vorsitzende vermied es zwar, für Schwarz-Gelb zu werben oder Christian Lindner das gewünschte Finanzressort in seiner möglichen Regierung anzubieten, betonte aber zugleich, sich mit ihm bei der Schuldenbremse einig zu sein.
Deutschland müsse nun den Anschluss finden, forderte Merz. „Das wird nur gehen mit einer größeren Kraftanstrengung.“ Die Inflation sei zwar „deutlich zurückgegangen“, doch gerade bei Lebensmitteln und Energie noch spürbar. Der Blick müsse sich nun um 360° Grad öffnen, um ein größeres Energieangebot zu erhalten. Windkraftanlagen bezeichnete er in diesem Kontext als „Übergangstechnologie“ und „hässlich“. Auch gegenüber Atomkraft äußerte er sich „skeptisch“, dafür prüfe er modulare Kernspaltungs- und Kernfusionsreaktoren. „Wir steigen jetzt nirgendwo mehr aus, bevor wir nicht woanders eingestiegen sind.“
Hinsichtlich der Wärmewende sprach Merz von einer „Obsession“ Robert Habecks für die Wärmepumpe. „Das ist ein großer Fehler gewesen“, beanstandete er. Auch Gabriel stimmte in die Kritik am Klimaschutz mit ein. Deutschland wende „sehr viel Geld“ auf, um seinen „relativ kleinen Anteil“ an den Emission zu minimieren, schilderte der frühere Umweltminister. Dabei ließe sich mit der gleichen Summe in anderen Staaten „ein Vielfaches“ an Kohlenstoffdioxid reduzieren. „Das gilt als klimapolitischer Hochverrat“, bemängelte er. Doch „extrem steigende Netznutzungsentgelter“ seien die Folge der Elektrifizierung.
Die angestiegenen Lebenshaltungskosten seien auch im US-Wahlkampf der „absolut entscheidende Faktor“ gewesen, betonte Fred Pleitgen. Obwohl die dortige Wirtschaft „leistungsfähiger“ sei und generell „viel besser“ dastehe als Deutschlands, fehle es vielen US-Amerikanern an Geld. „Wenn Menschen nicht mehr über die Runden kommen, dann sind sie unzufrieden“, konstatierte er knapp. Deshalb hätten 73 Millionen Menschen einen Kandidaten gewählt, der rede, „wie ihm der Schnabel gewachsen“ sei, und dabei die „dollsten Schoten“ fallenlasse. Neben dem „Message Control“ der Demokraten wirke Trump „authentisch“.
Julia Reuschenbach bezeichnete diese Darstellung als „waschechte Verharmlosung für Rechtspopulismus“. Die Bewegung hinter Trump animiere auch in Europa und Deutschland zum Extremismus und Rassismus sowie dazu, „gegen Menschengruppen aktiv zu werden“. Dennoch wolle sie seine Wählerschaft „nicht per se in eine Richtung schieben“. Anders als die US-Amerikaner nehmen die Menschen hierzulande die eigene wirtschaftliche Lage positiv war. Zugleich existiere eine „große Sorge“ über die zukünftige, wirtschaftliche Gesamtlage des Landes. Im bevorstehenden „sehr kurzen, intensiven“ Wahlkampf komme es deshalb auf die Frage an: „Wer kann Zukunftserzählungen anbieten, die diese Befürchtungen adressieren?“
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