Zwei Parteibündnisse stehen sich am Sonntag gegenüber: die Alliance Lepep und die Alliance du Changement. Sie bestehen jeweils aus einer Handvoll Parteien, die zum Großteil im Mitte-links-Spektrum angesiedelt sind. Der wesentliche Unterschied sind ihre Chefs, die jeweils auf eine lange politische Geschichte ihrer Familie zurückblicken können.
Alliance Lepep wird vom amtierenden Premier Pravind Jugnauth angeführt. Seit 2017 ist er Regierungschef. Sein Vater Anerood Jugnauth war von 1982 bis 1995, von 2000 bis 2003 und von 2014 bis 2017 Premier, also auch der unmittelbare Vorgänger seines Sohns. Dazwischen war er auch mehr als acht Jahre Präsident des Landes.
Zwei Dynastien prägen Politik seit Jahrzehnten
Aus der Opposition will Navin Ramgoolam zurück auf den Sessel des Premiers, den er bereits von 1995 bis 2000 und von 2005 bis 2014 innehatte. 14 Jahre Erfahrung an der Regierungsspitze hat er damit – und somit nur einige Tage weniger als sein Vater: Seewoosagur Ramgoolam war 1968 der erste Regierungschef des Inselstaats nach der Unabhängigkeit von Großbritannien. Er gilt gemeinhin als Gründervater des noch jungen Staats, bis 1982 war er im Amt.
Nur knapp zwei Jahre wurde Mauritius nicht von diesen beiden Dynastien regiert: Paul Berenger, fast 30 Jahre Oppositionsführer, stand als Kurzzeitverbündeter der Jugnauths von 2003 bis 2005 der Regierung vor.
Pressefreiheit unter Druck
Dennoch gilt der Inselstaat als glorreiche Ausnahme in Afrika: Laut dem Demokratieindex des „Economist“ ist Mauritius die einzige volle Demokratie des Kontinents. Das schwedische V-Dem-Institut sieht das wesentlich kritischer und ortet seit 2018 Tendenzen zur Autokratisierung: Es seien Vorschriften eingeführt worden, die „die Arbeit von Rundfunkanstalten und Journalisten einschränken, während die Bemühungen der Regierung zur Medienzensur seit 2019 deutlich zugenommen haben“, heißt es im jüngsten Demokratiereport des Instituts. Deshalb habe man Mauritius nun als „Wahlautokratie“ eingeordnet.
Soziale Netzwerke nach Abhörskandal gesperrt
Vor der Wahl wurde das auch bestätigt: Im Oktober wurden auf einem Facebook-Account mitgeschnittene Telefonate von Journalisten und Anwälten veröffentlicht, die ganz offensichtlich von Regierungsstellen aufgezeichnet wurden. Die Regierung wies das zurück und behauptete, die Aufnahmen seien von einer künstlichen Intelligenz (KI) manipuliert. Dem widersprachen allerdings die betroffenen Journalisten: Die Aufnahmen seien echt.
Die Regierung sperrte daraufhin Anfang November alle sozialen Netzwerke, weil „die nationale Sicherheit und die Integrität unserer Republik und unserer internationalen Partner möglicherweise gefährdet sein könnten“. Die Maßnahme hätte bis zur Wahl gelten sollen. Doch nach Protesten der Oppositionsparteien und der Medien musste die Regierung zurückrudern und das Verbot nach nur einem Tag zurückziehen.
Großer außenpolitischer Erfolg
Inwieweit der Abhörskandal die Wahl beeinflusst, ist unklar, zumal die Regierung erst kurz davor einen enormen Erfolg einfahren konnte: Großbritannien hatte Anfang Oktober angekündigt, dass es nach mehr als einem halben Jahrhundert die Souveränität über das abgelegene, aber strategisch wichtige Chagos-Archipel an Mauritius übergeben wird. Die Inselgruppe im Indischen Ozean galt als Großbritanniens „letzte afrikanische Kolonie“.
Mauritius selbst war ab 1507 portugiesisch, später besetzten die Niederlande die Inseln. 1715 wurde Mauritius französische Kolonie, 1810 verdrängten die Briten die Franzosen. Erst nach 150 Jahren britischer Herrschaft wurde Mauritius am 12. März 1968 unabhängig.
Wirtschaftliche Erfolgsgeschichte
Und im Gegensatz zu vielen anderen Ländern schaffte es der neue Staat, negative Folgen der Kolonialisierung abzuschütteln. War die gesamte Wirtschaft zunächst auf die Produktion von Rohrzucker konzentriert, gelang in den folgenden Jahrzehnten eine erfolgreiche Diversifizierung.
Die Rede ist vom „mauritischen Wunder“, die Weltbank nannte die Entwicklung heuer in einem Beitrag als Musterbeispiel: So gibt es eine wichtige Lebensmittelbranche inklusive Fischerei, ein weiteres Standbein sie die Textil- und Bekleidungsindustrie. In den vergangenen Jahren setzte man auch auf pharmazeutische Produkte und Finanzdienstleistungen – Letzteres sorgte allerdings auch für Kritik, da Mauritius auch als Steueroase genutzt wurde. Mehr als 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts werden mittlerweile allerdings mit Dienstleistungen erwirtschaftet – allen voran vom Tourismus.
Kultureller Schmelztiegel
Die stabilen politischen Verhältnisse sorgten zudem dafür, dass internationale Investoren auf Mauritius setzen. Und als Basis der Erfolgsgeschichte der Insel gilt das friedliche Zusammenleben unterschiedlichster Ethnien und Religionen.
Rund zwei Drittel der rund 1,3 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner stammen aus Indien, ein Viertel sind Nachfahren von Sklaven aus Afrika. Dazu kommen mehrere Minderheiten, darunter Nachfahren der französischen Kolonialherren und von chinesischen Einwanderern. Auch in Sachen Zusammenleben von Religionen gilt der Inselstaat als Vorbild: Knapp 50 Prozent der Menschen sind Hindus, ein Drittel sind Christen, dazu kommen knapp 20 Prozent Muslime.
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