Der Deutschen Bahn kommt mitten im größten Sanierungsprogramm ihrer Geschichte der verlässliche Geldgeber abhanden. Das ist einer der Kollateralschäden des plötzlichen Koalitionsbruchs. „Keine Regierung – keine Milliarden“, fasste ein Verkehrspolitiker die Situation konsterniert zusammen. Viel besser lässt sich die Hängepartie der Finanzierung einer bröckelnden Infrastruktur bis zur nächsten funktionsfähigen Bundesregierung kaum beschreiben.
Mit 2,5 Milliarden Euro steht der Eigentümer Bund allein in diesem Jahr schon in der Kreide. So viel Geld hat der Staatskonzern vorgestreckt, um notwendige Reparaturarbeiten am Schienennetz zu finanzieren. Bundesverkehrsminister Volker Wissing, inzwischen parteilos, hat die Rückzahlung längst zugesagt, doch in der neblig-trüben politischen Situation ist sogar unklar, wer über die Rückzahlung entscheidet. Auf solch kleiner Flamme kocht die Restregierung inzwischen; an einen Haushalt für das Jahr 2025 ist nicht zu denken.
Den muss die nächste Bundesregierung aufstellen. Erst dann entscheidet sich, ob die Bahn weiterhin mit einer Verdopplung der Investitionen auf rund 17 Milliarden Euro kalkulieren darf – oder ob sie ihre ehrgeizigen Pläne wieder einmal zusammenstreichen muss.
Desaströse Pünktlichkeitswerte
Ehrgeizig sind die Pläne ohnehin nur im Vergleich zum Laisser-faire der vergangenen Jahre. Tatsächlich geht es nur um das absolut Notwendige, um die Pünktlichkeitswerte der Bahn nicht ins Bodenlose stürzen zu lassen. Die Lage ist schwierig, aber alles andere als aussichtslos. Im Gegenteil: Die Ausgangssituation der Bahn ist auch in einer neuen Bundesregierung so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Deshalb besteht jetzt keine Veranlassung, im vorauseilenden Gehorsam doch wieder kleinere Brötchen zu backen.
Angesichts desaströser Pünktlichkeitswerte und der ständigen Beschwerden der Kunden sowohl im Fern- als auch im Güterverkehr dürfte inzwischen jeder verstanden haben, dass bei der Schieneninfrastruktur in Deutschland über Jahre hinweg am falschen Ende gespart wurde. Das Gleiche gilt für viele Brücken im Land. Sie mahnen tagtäglich: Die Nachlässigkeit früherer Jahre unter der Führung mehrerer CSU-Verkehrsminister darf sich nicht wiederholen. Es gibt keinen Zweifel daran, dass Wissing mit der Generalsanierung und dem Drängen nach deutlich höheren Investitionen in die Infrastruktur den richtigen Weg eingeschlagen hat. Wer immer ihm nach der Wahl im Amt folgen sollte, muss ihn konsequent weitergehen.
Verkauf der Logistiktochtergesellschaft Schenker
Dazu gehört auch, die Finanzierung der Infrastruktur verlässlich zu sichern und an die Realitäten anzupassen. Großprojekte kosten Milliarden und müssen über Jahre hinweg geplant, bearbeitet und finanziert werden. Kein privates Wirtschaftsunternehmen in Deutschland würde sich freiwillig bei der Abarbeitung seiner milliardenschweren Bauprojekte von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr hangeln. Die Deutsche Bahn ist dagegen gezwungen, bei ihrer Langfristplanung selbst unkalkulierbare Regierungskrisen einzuberechnen und Durststrecken des Eigentümers aus den eigenen klammen Mitteln zu bestreiten.
So erscheint es im Nachhinein als Wink des Schicksals, dass die Bahn gerade rechtzeitig vor der großen Regierungskrise einen lukrativen Deal zum Verkauf ihrer Logistiktochtergesellschaft Schenker abschließen konnte. Er wird im kommenden Jahr 14 Milliarden Euro in den hoch verschuldeten Konzern lenken. Mit dem Geld soll zwar der überdimensionierte Schuldenberg abgetragen werden, um das günstige Rating zu sichern, aber in der Not könnten die Milliarden zum Überbrückungsgeld werden.
Dass dies auf Dauer keine Lösung ist, liegt auf der Hand. Es muss dringend eine langfristige Perspektive her. Länder wie Österreich oder die Schweiz machen es mit krisenfesten Infrastrukturfonds vor. Selbst im Bund ist diese Idee nicht neu: Schon vor 15 Jahren hat die Bundesregierung begonnen, über Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen einen milliardenschweren Geldtopf zu schaffen, der aus dem Haushalt finanziert wird und die Schuldenbremse nicht aushebelt. Er kann für den Erhalt und Ausbau des Schienennetzes genutzt werden, ohne dass jedes Jahr aufs Neue das notwendige Geld mühsam zusammengekratzt werden muss. Die letzte Vereinbarung wurde 2020 geschlossen und umfasst rund 86 Milliarden Euro für zehn Jahre.
Bei der kostenträchtigen Generalsanierung der 41 Hochleistungsstrecken hilft das allerdings kaum weiter, dafür reicht das Geld nicht aus. Das rächt sich nun. Die neue Bundesregierung wird nicht darum herumkommen, sich um eine solidere Finanzierung ihrer Bahn Gedanken zu machen.
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