„Nur Herr Scholz ist ungeduscht“, entfährt es einer glucksenden Maybrit Illner

Die Generalsekretäre der Parteien managen den Wahlkampf. Über ihren Schreibtisch gehen Plakate, Parolen und Programm. Umso wichtiger zu wissen, was sie denken. Einblicke in das Denken von SPD und CDU gab es am Donnerstag bei „Maybrit Illner“.

Die Moderatorin widmete ihre Sendung am Donnerstag dem warm laufenden Kampf für die Neuwahl des Bundestages am 23. Februar 2025. „Ampel weg, Wahlkampf da – hoffen auf einen Neustart?“, fragte die ZDF-Journalistin die Generalsekretäre von SPD und CDU, Matthias Miersch und Carsten Linnemann, die Journalisten Robin Alexander (WELT) und Eva Quadbeck (Redaktionsnetzwerk Deutschland) sowie Monika Schnitzer, Wirtschaftswissenschaftlerin und Hochschullehrerin.

Die SPD sei es in ihrer Vergangenheit mehrfach gelungen, in Wahlkämpfen „dramatisch aufzuholen“, erklärte Robin Alexander, doch diesmal sei die Ausgangslange etwa mit Blick auf den kurzen Wahlkampf und die „katastrophalen Beliebtheitswerte“ des Kanzlers besonders schwierig.

Dieser habe „schwere Fehler“ begangen, indem er „zu lange auf Gesundbeten“ gesetzt und die Wirtschaftskrise „viel zu spät“ adressiert habe. Dennoch gebe sich dieser selbstsicher, was der WELT-Journalist mit dem „Tunnelblick“ begründete, der insbesondere wahlkämpfenden Politikern innewohne. „Man braucht eine gewisse Autosuggestion.“

Matthias Miersch lieferte gleich Anschauungsmaterial für besagte Selbstbeeinflussung. Zwar sei die Ampel-Koalition als solche „in Verruf“ geraten, doch die Bilanz sei nicht schlecht, befand der SPD-Politiker. Er lobte Olaf Scholz als „Krisenmanager“, der sich mit „Behutsamkeit“ und „Umsichtigkeit“ Herausforderungen gestellt habe und so Deutschland durch unsichere Zeiten steuere.

Damit fungiere er als „Gegenmodell“ zu Friedrich Merz, dem im Alter von 69 Jahren noch immer jegliche Regierungserfahrung fehle. Somit sei der jetzige Bundeskanzler „natürlich der beste Kanzlerkandidat“. Auch Boris Pistorius, dem selbst Chancen nachgesagt werden, spreche sich dafür aus.

Wenn die SPD bei Olaf Scholz bliebe, dann habe der CDU-Vorsitzende Merz „sehr gute Chancen“, als Kanzler aus der Wahl hervorzugehen, schätzte dagegen Eva Quadbeck ein. Ein „Momentum“ könne die Partei nur bekommen, wenn sie sich dazu aufraffe, Boris Pistorius, „den beliebtesten Politiker Deutschlands“, einzuwechseln.

Der Bundesverteidigungsminister gelte als Krisenmanager und sei ein „hemdsärmeliger Typ“, charakterisierte die Journalistin. Er traue sich, „unangenehme Wahrheiten“ zu verkaufen und bleibe dabei dennoch beliebt. Mit ebendiesen Eigenschaften könne er es zum SPD-Hoffnungsträger bringen.

Carsten Linnemann rechnete rundum mit dem Kanzler ab. „Wir haben eine gescheiterte Ampel und einen gescheiterten Bundeskanzler“, unterstrich der CDU-Politiker. „Ich habe das Gefühl, er steht immer noch auf dem Platz. Das Spiel ist verloren, seine Mannschaft ist schon am Duschen und er versucht, irgendwie noch weiter zu spielen.“ Nur mit Friedrich Merz und Markus Söder sei der benötigte „Politikwechsel“ möglich, mit Olaf Scholz werde der „Neustart“ ausbleiben. Zugleich warnte er vor einem Erstarken der Ränder, sollte auch eine CDU-geführte Regierung „es nicht besser machen als die Ampel“.

Entscheidend sei, dass Deutschland der europäische „Stabilitätsanker“ bleibe, mahnte Linnemann. Für ihn gehöre dazu auch die Schuldenbremse. Während sich selbst sein Partei-Vorsitzender Merz unlängst offen für eine Reform dieses „technischen Themas“ zeigte, schloss der CDU-Generalsekretär eine Reform vor der kommenden Neuwahl kategorisch aus.

„Wir müssen an die nächste Generation denken“, pochte er auf die Einhaltung der Schuldenregel. „Genau, die nächste Generation braucht Bildung. Sie möchte verteidigt werden und sie braucht Straßen und Brücken. Genau daran scheitert es“, entgegnete Monika Schnitzer.

Grundsätzlich sei die Schuldenbremse wichtig, da Politiker dazu neigen, Ausgaben zulasten künftiger Generationen zu tätigen, schilderte die Wirtschaftswissenschaftlerin. „Das sollte man verhindern, das hat man auch verhindert.“ Doch in ihrer jetzigen Form sei die Schuldenbremse dennoch „restriktiver, als wir es brauchen“.

Sinnvoll sei etwa eine Regel, die neben der Ausgabenbegrenzung dafür sorge, „dass man das Geld auch für das Richtige ausgibt“. Die GroKo habe selbst in Zeiten der schwarzen Null weder in Bildung noch in die Infrastruktur investiert. Es bestehe „ganz viel Nachholbedarf“, insistierte Schnitzer, „aufgestaut über viele Jahre Große Koalition.“

Künftigen Koalitionen verweigerte sich Linnemann unterdessen. FDP? Habe sich mit der Wahlrechtsrefom ein Eigentor geschossen. Grüne? „Wir handeln mit Zitronen, wenn wir das machen.“ Aber er brauche doch einen Partner, hakte Illner nach. „Sind Sie sicher?“, entgegnete der CDU-Politiker, der sich offenkundig auf dem Weg zur absoluten Mehrheit wähnte. „Der Wahlkampf wird hart“, führte er in Miersch’ Richtung aus, „Er wird mit harten Bandagen unterwegs sein und ich auch. Wir wissen beide, um 18 Uhr ist Schluss am Wahltag.“

Bei so viel inszenierter Dramatik half nur noch Humor. „Und nur Herr Scholz ist ungeduscht“, entfuhr es einer glucksenden Maybrit Illner.

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