Falsches Spiel von Christian Lindner? Zwei Zeitungen berichten aus internen Sitzungen der FDP-Spitze. Demnach war das Ampel-Aus bereits seit Ende September so gut wie beschlossen. Nach außen äußerte sich der damalige Finanzminister anders.
Die Spitze der FDP soll den Bruch der Koalition deutlich konkreter geplant haben als bislang dargestellt und unter Anleitung von Parteichef Christian Lindner zielgerichtet seit Ende September auf einen Bruch der Ampel hingearbeitet haben. Das berichten „Zeit“ und „Süddeutsche Zeitung“ weitgehend übereinstimmend mit Bezug auf Beteiligte, interne Dokumente und Powerpoint-Präsentationen.
Ausgangspunkt war demnach ein Treffen am 29. September in Potsdam. Dort sollen in der Parteiführung inklusive der FDP-Minister unterschiedliche Szenarien für den Koalitionsbruch besprochen worden sein. Nur ein Szenario habe die Fortführung des Bündnisses beinhaltet. Allerdings sei dieses Szenario unter den Spitzenleuten nur von Verkehrsminister Volker Wissing befürwortet worden.
In den darauffolgenden Wochen sei der konkrete Weg zum Koalitionsbruch in weiteren Runden besprochen worden. In beiden Berichten ist von einem gezielten Vorgehen über das Lancieren von Papieren die Rede, die den Bruch provozieren sollen – entweder durch den, später tatsächlich erfolgten, Rauswurf durch den Kanzler Olaf Scholz (SPD) oder einen eigenen Rückzug. Für letzteren Fall sei bereits ein konkreter Termin für einen Parteitag ins Auge gefasst worden – um Lindner, der in dem Szenario den Parteivorsitz kurzfristig niedergelegt hätte, an der Parteispitze zu bestätigen.
Allerdings berichten beide Redaktionen, es gebe unter den Teilnehmern leicht abweichende Darstellungen, wann das Ende konkret beschlossen worden sei.
Die „Zeit“ berichtet etwa über ein Treffen vom 14. Oktober: „Wieder gibt es eine Powerpoint-Präsentation: Ein Zeitstrahl wird an die Wand geworfen. Darauf soll nach Angaben von Teilnehmern zu sehen sein, wann welche Schritte unternommen werden, um die Regierung zu stürzen. Die Veröffentlichung der Papiere, die letzten Sitzungen mit den Koalitionspartnern. Manche Teilnehmer sagen, dass auf diesem Zeitstrahl bereits ein fixer Zeitpunkt für das Regierungsende gestanden habe, andere können sich daran nicht erinnern. Diesmal wird es in der Sitzung laut.“
Weiter heißt es: „Was nun folgt, ist ein Ausbruch des Parteichefs, der bei einigen in der Runde lange nachhallt: Die FDP müsse da raus, die Ampel müsse enden. Er könne diese Fressen einfach nicht mehr sehen, soll Lindner gerufen haben. Andere Teilnehmer können sich daran nicht erinnern.“
Quintessenz der Berichte: Parteichef Christian Lindner (FDP) habe die Öffentlichkeit und die Ampel-Partner lange im Glauben gelassen, es sei ihm an einer konstruktiven Fortführung der Regierungsarbeit gelegen, obwohl er intern längst den Bruch beschlossen habe. Am 6. November hatte der Bundeskanzler die Koalition für beendet erklärt und Lindner entlassen.
Die Beteiligten wollten sich auf Anfrage der „Zeit“ zu der Recherche nicht äußern. Der frühere Justizminister Marco Buschmann erklärte demnach, dass er die zitierten Äußerungen weder bestätigen noch dementieren wolle. Ex-Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, FDP-Fraktionschef Christian Dürr und der inzwischen aus der FDP ausgetretene Verkehrsminister Wissing ließen demnach ausrichten, dass sie grundsätzlich nicht aus internen Sitzungen berichteten.
Die FDP verweist angesichts der Berichterstattung auf regelmäßige interne Beratungen. Ein Parteisprecher sagte auf Anfrage: „Wir äußern uns nicht zu internen Sitzungen.“ Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von November 2023, das den Nachtragshaushalt 2021 der Koalition für verfassungswidrig erklärte, habe „immer wieder und in verschiedenen Runden eine Bewertung der Regierungsbeteiligung“ stattgefunden. „Selbstverständlich wurden immer wieder Szenarien erwogen und Stimmungsbilder eingeholt.“
Der FDP-Sprecher sagte, am Ende habe es zwei Optionen gegeben, die der damalige Finanzminister Christian Lindner (FDP) Kanzler Olaf Scholz (SPD) in einem Gespräch am 3. November vorgeschlagen habe: „Eine Einigung auf eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik oder die geordnete Beendigung der Koalition durch den gemeinsamen Weg zu Neuwahlen. Das Ergebnis ist bekannt.“ Im Koalitionsausschuss am 6. November kam es zum Bruch, Scholz teilte anschließend mit, Lindner als Minister entlassen zu wollen.
dpa/cuk/shem/jr
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