IG Metall und Betriebsrat legen einen Plan für die VW-Zukunft vor. Die Inhalte erinnern an frühere Einigungen, die Vorstellungen für die bedrohten Werke bleiben aber vage. Sollte sich die Konzernführung nicht bewegen – das wird klar – droht schon zum Start des neuen Jahres die Eskalation.
Die Drohung der Gewerkschaft ist deutlich. Sollten die Chefs von Volkswagen auf ihrer „Maximalposition“ beharren, dann „würde das zu einer Eskalation führen“, sagte Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall Wolfsburg, auf einer Pressekonferenz am Tag vor der nächsten Verhandlungsrunde mit dem Autokonzern. Es werde dann einen Arbeitskampf um die Standorte von VW geben „wie ihn diese Republik seit Jahrzehnten nicht erlebt hat“. In Schulungen hat die Gewerkschaft bereits 2000 Metaller auf diesen Konflikt vorbereitet.
Grögers Drohung soll Druck aufbauen auf das Unternehmen, das bisher von den Mitarbeitern einen Lohnverzicht von zehn Prozent fordert und womöglich mehrere Werke in Deutschland schließen will. Volkswagen steckt in einer tiefen Krise, weil der Markt in Europa geschrumpft ist und deswegen hier auf absehbare Zeit 500.000 Autos weniger verkauft werden, als die Werke produzieren können.
Um dieses Problem zu lösen, haben IG Metall und VW-Betriebsrat nun einem Vorschlag vorgelegt, der ihren Berechnungen zufolge zu Einsparungen von 1,5 Milliarden Euro führen soll. Das Management von VW strebt eine Summe von vier Milliarden Euro an. In der Tarifrunde am Donnerstag werde man dazu „in einen detaillierteren Austausch gehen“, kündigte Personalvorstand Gunnar Kilian an.
Dann wird sich zeigen, ob der „Zukunftsplan“ der Arbeitnehmervertretung ein Teil der Lösung der aktuellen VW-Krise sein kann. Die Idee dahinter erinnert jedenfalls an frühere Einigungen bei VW in ähnlichen Situationen. So hatte der Konzern beispielsweise 1994 die Vier-Tage-Woche eingeführt und die Gehälter um zehn Prozent gesenkt. Im Gegenzug schloss das Unternehmen Entlassungen aus – im Beschäftigungssicherungs-Vertrag, den VW in diesem Sommer gekündigt hat.
Der neue Plan von Betriebsratschefin Daniela Cavallo und Tarif-Verhandlungsführer Gröger sieht vor, dass die Beschäftigten auf die Auszahlung einer Lohnerhöhung verzichten. Trotzdem soll die Tarifsteigerung aus dem Flächentarifvertrag von 5,1 Prozent für die kommenden 25 Monate gelten – umgewandelt in Arbeitszeit. Diese Arbeitszeit, gebündelt in einem „Zukunftsfonds“, würde VW helfen, auf Kündigungen zu verzichten. Das Zeitvolumen entspreche 6000 Stellen, rechnen die Arbeitnehmervertreter vor.
Neben dem Arbeitszeitfonds der Tarifbeschäftigten sollen die Manager im Unternehmen nach Vorstellungen der Gewerkschafter auf Teile ihrer Boni verzichten. Das soll auch für Angestellte im besonders gut bezahlten „Tarif Plus“ gelten. Außerdem fordert die IG Metall einen „signifikanten Beitrag durch die Dividenden-Politik“ – also geringere Ausschüttungen an die Aktionäre.
Produktionsvolumen auf Werke verteilen
Vage blieben dagegen Cavallos Vorschläge für die Zukunft der Werke in Deutschland. Die Betriebsratschefin hatte bereits zu Beginn des Tarifkonflikts eine rote Linie gezogen: Keine VW-Fabrik soll geschlossen werden. Das betonte sie nun wieder und schlug vor, das Produktionsvolumen gleichmäßig auf die Werke zu verteilen – und die jeweilige Personalausstattung entsprechend zu verringern. Man werde die technische Kapazität der Werke bei künftigen neuen Modellen verringern, meinte Cavallo, so wie man es im Werk in Emden getan habe. Dort wird nur noch auf einer Montagelinie produziert, statt früher auf zwei.
Die Betriebsratschefin fordert auch weitere Investitionen in die deutschen Werke. Es sollten weiter Verbrenner und Elektroautos hier gebaut werden. Außerdem könne „ein neuer, zusätzlicher Fokus (…) beim Zukunftsthema Kreislaufwirtschaft entstehen“. Sprich: Recyclinganlagen in bestehenden Werken aufgebaut werden.
Die Arbeitnehmer fordern im Gegenzug für den „Zukunftsfonds“, dass die Beschäftigungssicherung bei VW wieder in Kraft gesetzt wird. Nach derzeitigem Stand läuft der gekündigte Vertrag im Juli 2025 aus. Ab dann könnte das Unternehmen betriebsbedingte Kündigungen aussprechen, beispielsweise wenn es Standorte komplett schließt.
Diesem Drohszenario stellt die Gewerkschaft ein eigenes gegenüber: massive Streiks bei Volkswagen. Einen Vorgeschmack darauf wird es vermutlich bereits im Dezember geben. Am 30. November endet die Friedenspflicht für die Arbeitnehmer, ab dann kann es zu Warnstreiks kommen. Sollte es bis Ende des Jahres keine Einigung geben, dann wird die IG Metall vermutlich eine Urabstimmung über einen großen Streik ansetzen. Dieses Szenario droht VW zum Beginn des kommenden Jahres.
Daniel Zwick ist Wirtschaftsredakteur und berichtet für WELT über alle Themen aus der Autoindustrie.
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