„Die Aussichten für die Finanzstabilität sind getrübt durch die erhöhte makrofinanzielle und geopolitische Unsicherheit gepaart mit wachsender handelspolitischer Unsicherheit“, so EZB-Vizepräsident Luis de Guindos bei der Präsentation des jüngsten halbjährlichen Finanzstabilitätsberichts der Notenbank.
Handelskonflikte zum Beispiel mit den USA könnten die ohnehin schwächelnde Konjunktur zusätzlich unter Druck setzen. Der designierte US-Präsident Donald Trump kündigte neue Zölle von zehn bis 20 Prozent auf Einfuhren aus Europa an. Die in Aussicht gestellten Zölle und eine Zunahme bzw. Verstärkung von Handelskonflikten etwa mit China dürften in der Folge die Wirtschaft im Euro-Raum schwer treffen.
Warnung vor „Art Teufelskreis“
„Wenn es einen ersten Schritt zur Erhöhung von Zöllen gibt, müssen wir in Betracht ziehen, dass die Gegenpartei reagieren wird“, sagte de Guindos weiter. Dann könne man in eine „Art Teufelskreis“ geraten, der eventuell in einem Handelskrieg münde, was für das Wachstum, die Preisentwicklung und die Bewertung von Vermögenswerten extrem schädlich sei. Laut de Guindos ist das jetzt eine der größten Sorgen.
Auch wenn sich die Finanzmärkte bisher als widerstandsfähig erwiesen hätten, bestehe kein Grund zur Selbstzufriedenheit, so die EZB. Schwankungen an den Börsen hätten aber wieder zugenommen. Hohe Börsenkurse und eine Konzentration von Risiken – vor allem an den Aktienmärkten – machten Finanzmärkte für plötzliche Kurskorrekturen anfälliger. Dabei blickt die EZB auch auf die Aktienkurse von Firmen in den USA, die vom Boom bei der künstlichen Intelligenz (KI) profitieren. Sollten dort die Gewinnerwartungen enttäuscht werden, könnte das weltweit an den Aktienmärkten negative Auswirkungen haben, so de Guindos.
Wachsende Risiken für kleine und mittlere Unternehmen
Sorge macht der EZB unter anderem auch die immer noch hohe Verschuldung vieler Staaten. Da zugleich die Wirtschaft schwächelt, könnten an den Finanzmärkten Bedenken hinsichtlich der Tragfähigkeit der Staatsverschuldung wieder aufleben. Hohe Kreditkosten und trübe Wachstumsaussichten belasteten weiter die Unternehmen. Insgesamt seien die Kreditrisiken aber bisher nur graduell gestiegen.
Kleine und mittlere Unternehmen sowie Haushalte mit niedrigem Einkommen könnten nach Einschätzung der EZB in Bedrängnis geraten, wenn sich das Wirtschaftswachstum noch stärker verlangsamen sollte als derzeit erwartet. Dann drohen mehr Kreditausfälle.
„Folgen struktureller Probleme“
De Guindos wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Geldpolitik nicht allmächtig sei, wenn es um die Belebung der Konjunktur in der Euro-Zone gehe. Die gegenwärtige Konjunkturschwäche sei mehr eine Folge struktureller Probleme wie fehlender Wettbewerbsfähigkeit und mangelnder Produktivität.
Es bestehe zum Beispiel die Gefahr, dass die Verluste aus gewerblichen Immobilienkrediten weiter steigen und für einzelne Banken und Investmentfonds erheblich sein könnten, schreibt die EZB. Weil wegen des Homeoffice-Trends weniger Büroflächen gebraucht werden, ist der Markt für diese Immobilien in vielen Ländern seit Längerem unter Druck.
Laut den Währungshütern besteht das Risiko, dass die Verluste bei Gewerbeimmobilienengagements noch weiter zunehmen. Für einzelne Banken und Investmentfonds könnten diese erheblich ausfallen. Die EZB wies allerdings auch auf eine hohe Profitabilität der Banken sowie auf deren starke Kapital- und Liquiditätspuffer hin.
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