Die Nibelungenbrücke kennt in Linz wirklich jeder. Und fast jeder hat sie schon genutzt. Alleine am 17. Oktober haben 7.320 Fußgänger, 2.779 Radfahrer, 36.519 Autos und 1.898 Lkws auf dieser Brücke die Donau überquert.
Aber kaum jemand weiß, warum die Brücke so heißt. Das haben 15 Studierende der Kunstuni Linz im Zuge einer Lehrveranstaltung herausgefunden.
Aber nicht nur das trat bei den Arbeiten zutage, die nun in einer großen Ausstellung mündeten, die eigentlich ein politisches Manifest ist. Zu sehen ist sie in Hitlers Brückenkopfgebäuden, in denen sich die Kunstuni befindet.
Studierende der Linzer Kunstuni haben diesen Text zur Melodie des Liedes „Ciao bella ciao“ der italienischen Partisanen während der Eröffnung der Ausstellung über die Nibelungenbrücke sozusagen als Conclusio der Recherchen der Studierenden, als eigentliche Botschaft des Gesamtwerks, skandiert.
Birgit Kirchmayr vom Institut für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte von der Johannes Kepler Universität – eine der maßgeblichen Initiatorinnen des über ein Jahr dauernden Projektes – lässt keinen Zweifel daran, welche Bedeutung die Nibelungenbrücke für Adolf Hitler und seine Vision einer nationalsozialistischen Musterstadt haben sollte.
„Am Tag nach dem Anschluss hat Hitler verkündet, dass diese Brücke in Linz gebaut wird“, erinnert sie. Noch im Sommer war Baubeginn des „ersten Bauwerks Hitlers“, weiß die Historikerin, für das ein eigenes Brückenamt eingerichtet wurde.
Name stammt von den Nazis
Und während der Bauzeit erhielt die Brücke auch ihren heutigen Namen. Nibelungenbrücke. Nach der von den Nationalsozialisten vereinnahmten Nibelungensage. In den Nischen auf der Brücke sollten große Reiterstatuen Platz finden – Siegfried, Kriemhild, Brunhild und Gunther, die Helden aus der Sage.
Das deshalb, weil die Nationalsozialisten die Nibelungensage zum „deutschen Nationalepos“ erhoben hätten, da diese Heldinnen und Helden „typisch deutsche Tugenden“ verkörpern wurden, wird in der Ausstellung klargemacht.
Verwirklicht wurden sie nie, nur zwei Gipsabdrücke gab es, die nach Kriegsende wieder entfernt wurden. „Aber bis heute gibt es keine Kennzeichnung über den Ursprung dieser Brücke“, betont Kirchmayr.
Künstler wollte Statuen später noch realisieren
Einen Antrag des von Hitler beauftragten Künstlers Bernhard von Plettenberg – der „zufällig“ der Neffe des Reichsfinanzministers war – im Jahr 1959, die beauftragten Figuren endlich fertiggestellten zu dürfen, lehnte der Linzer Gemeinderat ab: „Die seinerzeit geplanten Figuren entsprechen nicht dem heutigen Zeitgeist.“
Beteiligte Studierende sind: Fabiola Benninger, Sophie Buchner, Thea Burkhard, Flora Goldmann, Stefanie Grasberger, Lena Himmelbauer, Julia Höglinger, Maria Keplinger, Thomas Obristhofer, Darina Scholz, Marina Sladojevic, Marina Weinzierl, Janice Wette, Paula Ursprung und Jasmin Ziermayr
Das Ausstellungsdesign stammt von Lena Heim und Rosalie Siegl
Die Brücke habe eine Verbindung des Deutschen Reiches mit der „Ostmark“, also mit dem angeschlossenen Österreich, symbolisieren sollen, eingebettet in die nationalsozialistische Paradestadt Linz.
Kaum jemand weiß über Namen Bescheid
Passanten auf der Nibelungenbrücke wissen meist nichts davon, hat eine Befragung durch die Studierenden ergeben. Angela Koch vom Institut für Medien und Co.Lab für Erinnerungsarbeit an der Kunstuni will genau da ansetzen: „Wir wollen einen neue, kritische Erinnerung herstellen.“
Die faschistische Erinnerung solle überschrieben und neu gedacht werden. Und so hält Koch fest: „Wir wollen mit dieser Ausstellung die Diskussion über die Brücke starten – und auch über einen neuen Namen.“
„Die Donau schluckt sie, die Nibelungen,
spuckt den Faschisten das blutige Lied ins Gesicht.
Nie wieder sollen sie drüber rollen,
die Brücke bleibt Faschistenfrei!“
Linz hat von Kaiser Maximilian I. 1492 das Brückenrecht erhalten, ein besonderes Privileg. Damals wurde eine Holzbrücke errichtet. Die Nazis haben die ursprüngliche Brücke rigoros entfernt und auch einige Häuser dazu abgerissen.
Nazi-Verbrechen beim Brückenbau
Die als „arisch“ geltende Marianne Neudeck nahm sich etwa als Ersatz für ihr Geschäft und ihre Wohnung, die der Brücke weichen mussten, das „arisierte“ Geschäft und die Wohnung der jüdischen Familie Treichlinger in der Landstraße.
Der Bau ist nach den Ergebnissen der Recherchen historisch belastet: „Wie bei allen Bauprojekten in der Führerstadt Linz waren Zwangsarbeiter auch beim Brückenbau beteiligt.“
Auch das Material stammte wohl aus den Steinbrüchen der Konzentrationslager Mauthausen und Gusen. „Macht und Ideologie wurde gerne durch Infrastruktur manifestiert“, weiß Gitti Vasicek, Vizerektorin der Kunstuni, die deshalb zum Besuch der Ausstellung einlädt.
Aber nicht nur zum Besuch: „Diese Ausstellung ist auch eine Aufforderung an die Linzerinnen und Linzer, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen.“
Grüne wollen zumindest Kontextualisierung
Eine will umgehend damit starten: Eva Schobesberger, Stadträtin der Grünen. Sie war die einzige Politikerin, die zur Eröffnung der Ausstellung gekommen war.
Auf einen Antrag zur Umbenennung der Brücke im Gemeinderat will sie sich nicht festlegen lassen, aber sie versichert, das umgehend mit dem künftigen Leiter des Stadtarchivs und weiteren Fachleuten zu besprechen.
Zumindest eine Kontextualisierung der Brücke über die nationalsozialistische Prägung und Namensgebung der Brücke sei aber unumgänglich.
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