Das US-Justizministerium hatte am Mittwoch zahlreiche Maßnahmen zur Begrenzung der Marktmacht Googles gefordert: So soll nicht nur Chrome verkauft werden, auch soll Google dazu verpflichtet werden, Such- und Nutzerdaten mit der Konkurrenz und der Werbebranche zu teilen – und manche gleich gar nicht mehr zu sammeln, da sie ohnehin nicht im Einklang mit Datenschutzregeln stünden.
Laut dem Unternehmen Statcounter nutzen in den USA und Europa rund 60 Prozent der Internetuserinnen und -user Chrome als Browser – den restlichen Markt teilen sich Browser wie Safari von Apple, Microsoft Edge und Firefox. Der Vorteil, der sich für Google dadurch ergibt, ist vielfältig: Auf der einen Seite sind Dienste wie Gmail und Google Docs besser in den Browser integriert und sorgen auf Googles Seite wohl für besseren Einblick in die Nutzerinnen und Nutzer.
Google kann im Web den Ton angeben
Zum anderen kann Google praktisch im Alleingang vorgeben, in welche Richtung sich das Web entwickelt. So versuchte Google etwa einen Ersatz zu den durch die EU-Datenschutzregeln in Verruf geratenen Cookies durchzusetzen. Dass die meisten anderen Hersteller bei diesen Vorhaben nicht mitziehen, wird bei derart großem Marktanteil zu einem überschaubareren Problem.
Außerdem kann es sich die Konkurrenz oft nicht leisten, die von Google forcierten Technologien nicht zu unterstützen – denn das könnte ihren ohnehin kleinen Marktanteil noch weiter schrumpfen lassen.
Das Netzkulturmagazin „Wired“ interviewte ehemalige Google-Führungskräfte zu den geforderten Änderungen. Die Manager, die anonym bleiben wollten, äußerten Zweifel, dass diese an Googles Marktmacht sägen könnten. „Man kann den Leuten kein minderwertiges Produkt aufzwingen“, zitierte das Magazin einen Ex-Manager, der darauf verwies, dass man Google einzig mit Innovationen besiegen könne.
Ex-Manager sehen bewusste Strategie
Dass der Suchmaschinengigant seinen Browser veräußern müsse, würde dennoch nicht ohne Folgen bleiben, so ein ehemaliger Chefentwickler. Der Konzern solle angeblich praktische Funktionen verhindert haben, damit die Suchmaschine öfter verwendet werden muss – und damit durch Anzeigen Geld in die Kassa kommt.
„Warum ist die Autovervollständigung nicht besser? Warum ist die ‚Neuer Tab‘-Seite nicht effektiver? Warum ist der Browserverlauf nicht besser?“, so der Manager gegenüber „Wired“. Das alles würde die Userinnen und User dazu zwingen, die Suche öfter zu benutzen. Google bestätigte diese Berichte bisher nicht.
Konkurrenz sieht Chance trotz enormen Abstands
Dennoch ist praktisch keine Konkurrenz in Sicht: Laut Statcounter hat die Google-Suche einen Marktanteil von 90 Prozent, Microsofts Suchmaschine landet auf Platz zwei mit einem Anteil von rund vier Prozent. Das liege zum einen an der Erfahrung des Konzerns, so einer der befragten Ex-Googler. Zum anderen verfüge Google über eine beispiellose Infrastruktur und könne auf Daten von anderen Diensten wie Google Maps zurückgreifen.
Die Konkurrenz freute sich dennoch über den US-Vorstoß: Gabriel Weinberg, Gründer und Chef der Suchmaschine DuckDuckGo, schrieb in einem Statement, dass die von der Justiz vorgeschlagenen Maßnahmen „den Suchmarkt von Googles illegalem Einfluss befreien und eine neue Ära der Innovation, der Investitionen und des Wettbewerbs einläuten“ würden.
Auch Deals mit Apple und Co. vor möglichem Ende
Auch die lukrativen Deals, mit denen Google sicherstellt, dass auch andere Browser die Suchmaschine standardmäßig vorgeben, sollen beendet werden. Google-Konkurrent Apple soll etwa mehrere Milliarden Dollar dafür bekommen haben, dass Google auch auf dem iPhone die voreingestellte Suchmaschine ist – und damit Googles Marktmacht weiter zementieren, obwohl man eigentlich im direkten Konkurrenzkampf steht.
Entscheidung frühestens im April 2025
Google selbst bezeichnete die Forderungen als „erschütternd“. „Der Vorstoß des Justizministeriums ist ein staatlicher Übergriff, der amerikanischen Verbrauchern, Entwicklern und kleinen Unternehmen schaden und Amerikas wirtschaftliche und technologische Führungsrolle gefährden würde“, so Google-Chefjurist Kent Walker. Das Unternehmen kann bis Dezember Gegenvorschläge einreichen, bevor das Gericht im April 2025 darüber verhandelt.
Der designierte US-Präsident Donald Trump könnte allerdings in das Verfahren eingreifen. Er hatte im Wahlkampf Zweifel am Nutzen einer Zerschlagung des Internetkonzerns geäußert, nachdem er dem Unternehmen wenige Wochen zuvor eine Klage angedroht hatte, weil es ihm gegenüber voreingenommen sei. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, könnte Google aber ohnehin noch Einspruch einlegen – und der Prozess sich dann jahrelang ziehen.
Erinnerungen an Microsoft
Der Fall erinnert nicht zuletzt an jenen von Microsoft Anfang der Nullerjahre: Damals wurde dem Unternehmen vorgeworfen, die Position seines Betriebssystems Windows dafür zu nutzen, den eigenen Browser Internet Explorer zu forcieren. In erster Instanz verlor Microsoft, ein Berufungsgericht kippte jedoch Teile des Urteils – und verhinderte damit eine Zerschlagung des Konzerns, wie sie jetzt für Google gefordert wird. Auch deshalb wird erwartet, dass der zuständige Richter Amit Mehta davor zurückschrecken könnte, bei Google einen vergleichbaren Weg einzuschlagen.
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