Georg Kapsch: „Da wird die Bevölkerung hinters Licht geführt“

Der KURIER sprach mit Georg Kapsch, Vorstandschef der Kapsch TrafficCom, über das US-Geschäft in Zeiten von Trump, warum die Idee des Green Deals zwar gut, die Umsetzung aber „eine Katastrophe“ ist und was die neue Regierung als erstes anpacken muss.

KURIER: Das erste Halbjahr von Kapsch war durchwachsen. Wo läuft es derzeit am besten?

Georg Kapsch: Gut läuft das Geschäft in Lateinamerika, wo der Umsatz in den vergangenen zwei Jahren verdoppelt wurde. Auch Nordamerika zeigt nach einer vierjährigen Sanierungsphase eine sehr gute Entwicklung und wird auch nächstes Jahr gut laufen.

Wirkt sich die Präsidentschaft Trump auf ihr US-Geschäft aus?

Das sehe ich für unser Geschäft sehr gelassen. Es hat in seiner ersten Präsidentschaft keinen Einfluss gehabt und wird auch jetzt keinen wirklichen haben. Es wird auch nicht so übel kommen wie angekündigt, außerdem ist der Großteil unsere Wertschöpfung in den USA. Zölle treffen uns nicht wirklich.  

Georg Kapsch TrafficCom

Werden in den USA Maut-Innovationen rascher umgesetzt?

Ja, definitiv. Nur im Bereich Traffic Management ist Europa weiter, beim vernetzten Fahrzeug die USA, weil der Markt viel weniger reguliert ist. Da können sie viel mehr ausprobieren. Europa ist bekanntlich überreguliert. 

Wie stark ist die chinesische Konkurrenz im Mautgeschäft, Stichwort vernetztes Auto?

Wir haben Konkurrenz aus China, spüren sie im Mautgeschäft aber kaum. Wir können hier sogar preislich mit. Nur mit den Finanzierungen können wir nicht mithalten. Die bieten nahezu zinsfreie Kredite auf 30 Jahre an, da können wir nicht. Das ist eine Wettbewerbsverzerrung. 

Wohin geht die Reise im Mautgeschäft?

Es wird sicher mehr streckenabhängige Mauten geben, weil durch die Verbreitung der E-Autos die Mineralölsteuereinnahmen für den Staat sinken. Das muss kompensiert werden. Wir haben ein System, bei dem alle Fahrzeuge bemautet werden. Das kann dann nur noch satellitenbasiert erfolgen. Das könnten wir heute schon liefern und ist die Zukunft. 

Georg Kapsch TrafficCom

Braucht es auch mehr Citymauten?

Natürlich, da könnte man kreative Pakete mit der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln schnüren. Die Schweden sind beim Thema Citymaut Pioniere. Bei uns fehlt der Politik aber derzeit der Mut dazu. 

Sie waren immer ein Befürworter des Green Deals der EU. Finden Sie es schade, dass er jetzt verwässert wird?

Ich war immer Befürworter der Idee, nie der konkreten Ausführung. Die Grundidee ist in Ordnung, die Umsetzung eine Katastrophe. Die Bürokratie verursacht in den Betrieben Unsummen an Kosten, allein für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Das ruiniert die europäische Industrie. Und nicht nur die, die Klein- und Mittelbetriebe gleich mit. Wenn wir die europäische Wirtschaft zerstören, und das tun wir gerade, ohne einen Riesenbeitrag zum Weltklima zu leisten, und das tun wir nicht, bekommen wir soziale und politische Probleme, weil die Arbeitslosigkeit steigt und der Wohlstand sinkt.

Auch das Lieferkettengesetz entpuppt sich als Bürokratiemonster… 

Für die Umsetzung braucht man unzählige Mitarbeiter. Wie soll das ein kleiner Betrieb überhaupt schaffen? Statt die Verantwortung den Unternehmen umzuhängen, wäre es besser gewesen, die EU würde eine Black List an Zulieferern erstellen, bei denen nicht eingekauft werden darf.

Die Unternehmensgeschichte von Kapsch reicht bis 1892 zurück, als Johann Kapsch eine feinmechanische Werkstatt zur Erzeugung von Telegrafenapparaten und Telefonen gründete – und damit die Basis für die heutige Gruppe stellte.

In den 1990-er Jahren stellte Georg Kapsch, Ur-Enkel des Firmengründers und jetzige Geschäftsführer der Kapsch-Gruppe und CEO der Kapsch TrafficCom, das Unternehmen neu auf und fokussierte sich auf öffentliche Funknetze, Verkehrsleit- und Mautsysteme. Der Bereich Informations- und Kommunikationstechnik wurde in die Kapsch BusinessCom eingebracht, die 2021 aus dem Unternehmen ausgegliedert wurde. 

Heute besteht die Kapsch Gruppe im wesentlichen aus der Kapsch TrafficCom, die Produkte im Bereich Verkehrs- und Mobilitätsmanagement anbietet und sich dabei auf die Anwendungsbereiche Maut, Mautdienstleistungen, Verkehrsmanagement und Nachfragemanagement konzentriert.

Kapsch TrafficCom beschäftigt rund 4.000 Mitarbeiter und erzielte im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres ein Umsatzplus von 3 Prozent auf 275 Mio. Euro und ein negatives Betriebsergebnis von 1 Mio. Euro gegenüber 47 Mio. Euro im ersten Halbjahr 2023/24. Der Auftragsstand lag mit 1,5 Mrd. Euro über dem Vorjahreswert von 1,4 Mrd. Euro.

Georg Kapsch (65) ist seit 2002 Vorstandsvorsitzender (CEO) der Kapsch TrafficCom. Er studierte an der WU Wien Betriebswirtschaft und von Juni 2012 bis Juni 2020 Präsident der Österreichischen Industriellenvereinigung

Wo soll in Europa das Industrie-Wachstum herkommen, wenn nicht aus der Klima- und Energiewende?

Die Grundüberlegungen der Innovation durch den Green Deal sind gut, sie bedeuten aber kurz- und mittelfristig einen Wohlstandsverlust. Das kann man in Kauf nehmen, aber die Politik sollte es den Menschen auch sagen. Die Leute verstehen das schon. Aber man kann ihnen nicht vorgaukeln, dass wir im Schlaraffenland leben werden, wenn der Green Deal umgesetzt wird. Das ist ein Hinterslichtführen der Bevölkerung, die ja bereits reagiert. 

Wie kommt die Politik da raus?

Indem man ehrlich zur Bevölkerung ist und nicht Maßnahmen setzt, die relativ wenig Wirkung haben, aber relativ hohen Schaden anrichten. 

Die EU-Kommission verspricht, ein Viertel der Bürokratie abzubauen. Wo muss sie anfangen?

Das kann nicht funktionieren, wenn die Menschen, die das Bürokratie- und Regulierungsgebäude gebaut haben, es wieder abbauen sollen. Die müssten sich selbst verleugnen. Man muss auf nationaler als auch EU-Ebene grundsätzlich personell was verändern. Weniger Menschen, die auf weniger abstruse Ideen kommen, mehr Freiheit mit einem Wort… 

Georg Kapsch TrafficCom

Sie sprechen da ganz als Liberaler… Es laufen gerade Regierungsverhandlungen. Was sind aus Ihrer Sicht die drei dringlichsten Maßnahmen?

Schwierig zu sagen, wir haben einen Flächenbrand. Man muss alles auf den Kopf stellen. Die hohe Staatsverschuldung wäre nicht nötig gewesen. Die Corona-Maßnahmen waren völlig überzogen. Schweden oder die Schweiz sind wirtschaftlich weit besser durch Corona gekommen ohne der ganzen Maßnahmen. Es kann nicht sein, dass in einer Branche die Unternehmen während Corona mehr verdient haben als je zuvor.  

Welche Lehren müssen daraus gezogen werden?

Erstens die Doppel- und Dreifach-Subventionen abschaffen und Förderungen treffsicher machen. Warum bekomme ich einen Klimabonus? Ich brauche ihn nicht. Die Pensionsreform angehen und die Bürokratie runterfahren. Schwieriger wird es bei den Arbeitskosten. Die Lohnnebenkostensenkung ist ein Tropfen auf den heißen Stein, das macht uns nicht wettbewerbsfähiger. Und es gehört das Steuersystem grundlegend auf neue Beine gestellt. 

Müssen wir alle länger arbeiten?

Ich bin nicht für eine höhere Wochenarbeitszeit, aber länger an Jahren. Da muss man jedoch differenzieren zwischen körperlicher Schwerarbeit oder Büroarbeit. Man müsste das Pensionssystem flexibilisieren.

Würden Sie für ein Ministeramt zur Verfügung stehen?

Nein, sicher nicht. Es gibt nur zwei Ministerien, die mich grundsätzlich interessieren würden, das Finanz- und das Justizministerium. Alles andere nicht. Nur als Finanzminister kann man wirklich etwas bewegen. 

Die Neos beanspruchen den Finanzminister. Sie hätten also gute Chancen…

Nein. erstens wird mich niemand fragen und zweitens bin ich viel zu unbequem für die meisten. Ich war 30 Jahre nahe an der Politik und hab mir geschworen, das mache ich nie wieder. Mein Unternehmen hat in dieser Zeit sehr gelitten. Menschen in meinem Alter sind keine Zugpferde mehr, sondern eher Berater im Hintergrund, weil wir Erfahrung und Wissen haben, und noch nicht total dement sind.  

Haben Sie Ihre Nachfolge bei Kapsch schon geregelt?

Ich werde voraussichtlich noch vier, fünf Jahre bleiben und meine Nachfolge wird dann aus der Familie sein.  

Kapsch ist an der Wiener Börse gelistet. Die Aktie hat seit 2014 mehr als 50 Prozent an Wert verloren. Würden Sie heute nochmal an die Börse gehen? 

Wir hätten damals die Expansion nicht finanzieren können, daher der Börsengang. Würde ich es heute nochmal machen? Sehr fraglich. Aufgrund der Bürokratie und Rahmenbedingungen.

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