Kommentar zum Misstrauensvotum in Frankreich: Sieg für Putin?

Der Sturz der französischen Minderheitsregierung leitet eine neue Phase der Instabilität ein. Marine Le Pen hat fortan die Zügel fest in der Hand. Sie hat ihre zentrale Stellung behauptet. Ausgerechnet die Linksparteien, die sich dem Kampf gegen die Rechtspopulisten verschrieben haben, wurden zu den willigen Komplizen Le Pens beim Misstrauensvotum. Das Abstimmungsergebnis zeigt, dass es in Frankreich keine Mehrheit für eine verantwortungsvolle Sanierung der Staatsfinanzen gibt.

Anders als in den Vereinigten Staaten droht kein Shutdown. Vor einer Haushaltssperre schützt ein Sondergesetz, das noch vor Weihnachten beschlossen werden kann. Die politischen Folgen der Regierungskrise werden dennoch über Frankreich hinaus zu spüren sein. Das gilt besonders in der Außen- und Sicherheitspolitik. Der Verteidigungshaushalt, der Mehrausgaben zugunsten der Ukraine vorsah, wird nicht erhöht werden.

Der Nachschub könnte sich verzögern

Verteidigungsminister Sébastien Lecornu spricht von einer Finanzierungslücke von 3,3 Milliarden Euro im nächsten Jahr. Das bedeute auch, dass Waffenlieferungen an die Ukraine nicht so schnell wie geplant erfolgen werden, so der Verteidigungsminister. Die versprochenen französischen Kampfflugzeuge, aber auch der Nachschub an Marschflugkörpern vom Typ Scalp könnten sich verzögern. Dabei kommt es in diesem Winter mehr denn je darauf an, die Ukraine militärisch zu stärken.

Als Atommacht mit ständigem Sitz im UN-Sicherheitsrat hat Frankreich stets den Anspruch erhoben, die europäische Sicherheitsordnung mitzugestalten. Darauf gründet der Versuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, mit dem nächsten amerikanischen Präsidenten Donald Trump bereits jetzt Gespräche zur Zukunft der Ukraine zu führen. Trump hat die Einladung angenommen und wird am Rande der Feierlichkeiten zur Wiedereröffnung der Kathedrale Notre-Dame de Paris mit Macron im Elysée-Palast zusammentreffen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erwägt, sich dem Gespräch anzuschließen.

Aber die Glaubwürdigkeit Frankreichs ist schwer erschüttert. Die Wiederbewaffnung des Landes droht durch die Haushaltsmisere ins Stocken zu geraten. Unklar ist, ob Frankreich 2025 damit das Zwei-Prozent-Ziel der NATO erreicht. Das Signal an die Rüstungsindustrie ist verheerend. Alle politischen Aufrufe, schneller und mehr zu produzieren, klingen wie Hohn, wenn der Finanzrahmen nicht gesichert ist.

Das Land ins Chaos geführt

Es ist bezeichnend, dass die Grünen und die Sozialisten sich an dieser Demontage im Verbund mit den Rechtspopulisten beteiligt haben. An der Regierungsfähigkeit der französischen Schwesterparteien von SPD und Grünen darf man berechtigte Zweifel hegen. Marine Le Pen hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie die Unterstützung für die Ukraine kritisch sieht und am liebsten Frieden mit Wladimir Putin schließen würde. Aber die Regierungslinke wird schwer an der Verantwortung tragen, das Land in einem entscheidenden Moment ins Chaos geführt zu haben.

Präsident Macron bleibt die Option, einen neuen Premierminister zu ernennen. Aber die Pattsituation in der Nationalversammlung kann er nicht vor dem nächsten Sommer beenden. Frankreich steht vor einer langen Hängepartie und fällt als zuverlässiger Partner für Deutschland bis auf Weiteres aus. Das wird auch Donald Trump wissen.

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