So lernen Kinder im Ausland auf der „Fernschulstraße“

Auch außerhalb Deutschlands können Kinder digital Unterricht nach deutschen Lehrplänen erhalten. Dabei ist aber einiges zu beachten.

Von Christine Demmer

Für die neunjährige Alisa ist das Wohnzimmer der Klassenraum. Es liegt in einem für Ausländer reservierten Wohngebiet am Rande der nigerianischen Millionenstadt Lagos. Da es dort keine deutsche Schule gibt und ihre Eltern sie nicht auf die amerikanische gehen lassen wollen, wird sie aus der Ferne unterrichtet. Ihre Mutter, Bücher und Lernmaterialien nach deutschen Lehrplänen und ein eisern eingehaltener Stundenplan helfen ihr dabei.

Im kommenden Jahr wird der Vater, Manager bei einem deutschen Baukonzern, nach Deutschland zurückkehren. Dann soll Alisa ein Gymnasium besuchen – wenn der Betreuungslehrer das empfiehlt. Darauf arbeiten Alisa und ihre Mutter hin. Das sei kein Problem, glaubt die Mutter. Schwieriger werde für die Tochter der Übergang auf eine normale Schule. „Lehrer kennt sie ja gar nicht“, begründet sie ihre Einschätzung, „und wie man sich in eine Klasse eingliedert, wird sie noch lernen müssen.“

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Immerhin wird Alisa im Stoff nicht hinterherhinken. Denn für Kinder, die mit ihren Eltern im Ausland leben und keine deutsche oder internationale Schule in der Nähe haben, gibt es die sogenannte Fernschulstraße. Sie besteht aus drei staatlich anerkannten Organisationen, die Kinder im Ausland mit Lehrmitteln auf Deutsch, nach deutschem Lehrplan und mit der Hilfe deutscher Pädagogen unterrichten.

Diese drei haben sich die Arbeit und den Markt aufgeteilt. Die Deutsche Fernschule im hessischen Wetzlar bietet Unterricht in den Klassen eins bis fünf. Das Fernlehrwerk des ILS Instituts für Lernsysteme in Hamburg betreut Schüler und Schülerinnen der fünften bis zehnten Klasse. Die gymnasiale Oberstufe deckt ein Fernkurs zum Abitur ab, der von einem anderen Teil des zum Klett-Konzern gehörenden Unternehmens angeboten wird. Und die Flex-Fernschule in Breisach-Oberrimsingen (Baden-Württemberg) bereitet Jugendliche zwischen 14 und 20 Jahren in Deutschland und im Ausland mit Fernunterricht auf den Hauptschulabschluss vor.

Bei der Deutschen Fernschule buchen jedes Jahr etwa 200 Familien das „Komplettpaket Grundschule“. Es besteht aus den Pflichtfächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht und den Wahlfächern Englisch und Kunst. „Das Kind bekommt die Lernmaterialien per E-Mail“, erklärt Schulleiter Hartmut Bischoff. „Mit dabei sind Handlungsanweisungen für den Lernhelfer, das sind meist Mutter oder Vater.“ Wie in der Schule müssen die Kinder regelmäßig Tests schreiben. Jedes Kind hat einen Betreuungslehrer, der die Übungen schriftlich beurteilt und Hinweise zur Verbesserung gibt. Und wenn die Eltern statt des Kindes die Tests absolvieren? „Das können wir nicht zu hundert Prozent ausschließen“, sagt der Schulleiter. „Wir sagen den Eltern: Lasst es allein lernen, denn irgendwann kommt das Kind an eine Schule oder Hochschule und fällt auf die Nase.“

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